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hier ist der vollständige Text für Sie:
SCHWEIZ
Berlin - Der Dauerstreit um
die ärztliche Selbstdispensation in der Schweiz droht zur Systemfrage
zu werden. Weil die Apotheker ihnen vorwerfen, an den eigenen Rezepten
zu verdienen, wollen sich die Mediziner jetzt aus der Schusslinie
bringen und nur noch für die pharmazeutische Beratung bezahlen lassen.
Lagerung und Abgabe der Arzneimittel wollen die Ärzte an externe
Dienstleister delegieren - an den Pharmagroßhandel.
Keine Fehlanreize mehr: Die schweizerischen Ärzte wollen die Dispensation an den Pharmagroßhandel übertragen. Foto: Zur Rose
Die Schweizer Ärztegesellschaft (FMH) hat ein Konzept entwickelt, nach
dem dispensierende Ärzte die Abwicklung der Selbstdispensation
abtreten. „Die Grossisten würden die Verantwortung und Bewirtschaftung
der Lager übernehmen", erklärte ein FMH-Sprecher auf Nachfrage. Nach
Informationen des Krankenkassenverbandes Santésuisse sollen die
Logistikpartner die Arzneimittel sogar direkt an die Patienten
versenden und auch die Abrechnung mit den Krankenkassen übernehmen.
Im Gegenzug sollen die Großhändler die Vertriebsmarge erhalten, die
bislang dem Arzt für die Abgabe der Medikamente zusteht. Die Mediziner
sollen nur noch eine Pauschale für die pharmazeutische Beratung
erhalten. „Dann könnte den Ärzten keiner mehr Vorwürfe wegen
vermeintlicher Fehlanreize machen", so der FMH-Sprecher.
Nach den Vorstellungen der FMH soll das Modell für alle Kantone gelten,
in denen die Selbstdispensation erlaubt ist. Aktuell dürfen Ärzte in 17
Kantonen Arzneimittel abgeben, in neun Kantonen ist die
Selbstdispensation verboten. Den 1700 schweizerischen Apotheken stehen
rund 3800 Praxisapotheken gegenüber. Laut IMS Health wurden im
vergangenen Jahr in den Arztpraxen Arzneimittel im Wert von rund 1,2
Milliarden Franken zu Herstellerabgabepreisen abgegeben, in den
Apotheken von rund 2,5 Milliarden Franken.
Profitieren würden von der Verschiebung von Kompetenz und Marge vor
allem „Zur Rose" und Galexis, die beiden heute führenden Lieferanten
schweizerischer Arztpraxen. „Zur Rose" beliefert nach eigenen Angaben
rund 3500 Praxen, gehört 1900 Ärzten und versteht sich auch als
Interessenvertretung der Ärzteschaft.
Galexis ist die Großhandelssparte des Pharmahändlers Galenica, der in
der Schweiz knapp 300 eigene Apotheken betreibt und an dem Alliance
Boots knapp 25 Prozent der Anteile hält. Nach Firmenangaben beliefert
Galexis 4500 Ärzte, darunter auch dispensierende Mediziner. Weder bei
„Zur Rose" noch bei Galexis wollte man den FMH-Vorschlag kommentieren.
Die Krankenkassen dagegen halten sich mit ihrer Kritik nicht zurück.
Das von den Ärzten vorgeschlagene Modell legitimiere die Abgabe von
Arzneimitteln durch Großhändler. „Ein Großhändler ist in unseren Augen
aber kein Leistungserbringer", erklärte ein Santésuisse-Sprecher. Die
Beratungspauschale stößt bei den Kassen wiederum auf Ablehnung, da sie
auch von Praxen abgerechnet werden könnte, die heute gar nicht
dispensierten.
Die Apotheker fürchten nicht nur die neue Macht des Großhandels,
sondern auch eine dauerhafte Ausgrenzung. „Die Vertriebsmarge ist schon
heute viel zu hoch für die beschränkte Leistung des Arztes, der
lediglich einige sehr rentable Medikamente im Sortiment führt und nicht
die gesetzlichen Auflage der öffentlichen Apotheken zu erfüllen hat",
erklärt Dr. Marcel Mesnil, Generalsekretär des Schweizer
Apothekerverbandes Pharmasuisse.
Wird die Marge der Ärzte aber im Zusammenhang mit der geplanten
Umstellung gesenkt, könnte die Dispensation durch den Arzt
beziehungsweise den Großhandel günstiger werden als die Einlösung des
Rezepts in der Apotheke. Dann, so fürchtet Mesnil, könnten auch die
Krankenkassen ihre Meinung zum Konzept der Ärzte ändern.
Noch haben die Apotheker die Kassen auf ihrer Seite, auch weil diese
wissen, was für die Versorgungslandschaft auf dem Spiel steht: „Eine
komplette Aufhebung der Selbstdispensation ist realpolitisch nicht
möglich. Es geht jetzt darum, das Konzept der Ärzte durch Restriktionen
einzuschränken", so der Santésuisse-Sprecher. „Wenn das Konzept der
Ärzte durchkommt, ist der Apotheker draußen."
Benjamin Rohrer, Mittwoch, 27. Oktober 2010, 09:55 Uhr
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