• 27.10.2010 - Ärzte wollen Großhandel statt Apotheke

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SCHWEIZ

Ärzte wollen Großhandel statt Apotheke

 

Berlin  -  Der Dauerstreit um die ärztliche Selbstdispensation in der Schweiz droht zur Systemfrage zu werden. Weil die Apotheker ihnen vorwerfen, an den eigenen Rezepten zu verdienen, wollen sich die Mediziner jetzt aus der Schusslinie bringen und nur noch für die pharmazeutische Beratung bezahlen lassen. Lagerung und Abgabe der Arzneimittel wollen die Ärzte an externe Dienstleister delegieren - an den Pharmagroßhandel.

Keine Fehlanreize mehr: Die schweizerischen Ärzte wollen die Dispensation an den Pharmagroßhandel übertragen. Foto: Zur Rose

Keine Fehlanreize mehr: Die schweizerischen Ärzte wollen die Dispensation an den Pharmagroßhandel übertragen. Foto: Zur Rose

Die Schweizer Ärztegesellschaft (FMH) hat ein Konzept entwickelt, nach dem dispensierende Ärzte die Abwicklung der Selbstdispensation abtreten. „Die Grossisten würden die Verantwortung und Bewirtschaftung der Lager übernehmen", erklärte ein FMH-Sprecher auf Nachfrage. Nach Informationen des Krankenkassenverbandes Santésuisse sollen die Logistikpartner die Arzneimittel sogar direkt an die Patienten versenden und auch die Abrechnung mit den Krankenkassen übernehmen.

Im Gegenzug sollen die Großhändler die Vertriebsmarge erhalten, die bislang dem Arzt für die Abgabe der Medikamente zusteht. Die Mediziner sollen nur noch eine Pauschale für die pharmazeutische Beratung erhalten. „Dann könnte den Ärzten keiner mehr Vorwürfe wegen vermeintlicher Fehlanreize machen", so der FMH-Sprecher.

Nach den Vorstellungen der FMH soll das Modell für alle Kantone gelten, in denen die Selbstdispensation erlaubt ist. Aktuell dürfen Ärzte in 17 Kantonen Arzneimittel abgeben, in neun Kantonen ist die Selbstdispensation verboten. Den 1700 schweizerischen Apotheken stehen rund 3800 Praxisapotheken gegenüber. Laut IMS Health wurden im vergangenen Jahr in den Arztpraxen Arzneimittel im Wert von rund 1,2 Milliarden Franken zu Herstellerabgabepreisen abgegeben, in den Apotheken von rund 2,5 Milliarden Franken.

Profitieren würden von der Verschiebung von Kompetenz und Marge vor allem „Zur Rose" und Galexis, die beiden heute führenden Lieferanten schweizerischer Arztpraxen. „Zur Rose" beliefert nach eigenen Angaben rund 3500 Praxen, gehört 1900 Ärzten und versteht sich auch als Interessenvertretung der Ärzteschaft.

Galexis ist die Großhandelssparte des Pharmahändlers Galenica, der in der Schweiz knapp 300 eigene Apotheken betreibt und an dem Alliance Boots knapp 25 Prozent der Anteile hält. Nach Firmenangaben beliefert Galexis 4500 Ärzte, darunter auch dispensierende Mediziner. Weder bei „Zur Rose" noch bei Galexis wollte man den FMH-Vorschlag kommentieren.

Die Krankenkassen dagegen halten sich mit ihrer Kritik nicht zurück. Das von den Ärzten vorgeschlagene Modell legitimiere die Abgabe von Arzneimitteln durch Großhändler. „Ein Großhändler ist in unseren Augen aber kein Leistungserbringer", erklärte ein Santésuisse-Sprecher. Die Beratungspauschale stößt bei den Kassen wiederum auf Ablehnung, da sie auch von Praxen abgerechnet werden könnte, die heute gar nicht dispensierten.

Die Apotheker fürchten nicht nur die neue Macht des Großhandels, sondern auch eine dauerhafte Ausgrenzung. „Die Vertriebsmarge ist schon heute viel zu hoch für die beschränkte Leistung des Arztes, der lediglich einige sehr rentable Medikamente im Sortiment führt und nicht die gesetzlichen Auflage der öffentlichen Apotheken zu erfüllen hat", erklärt Dr. Marcel Mesnil, Generalsekretär des Schweizer Apothekerverbandes Pharmasuisse.

Wird die Marge der Ärzte aber im Zusammenhang mit der geplanten Umstellung gesenkt, könnte die Dispensation durch den Arzt beziehungsweise den Großhandel günstiger werden als die Einlösung des Rezepts in der Apotheke. Dann, so fürchtet Mesnil, könnten auch die Krankenkassen ihre Meinung zum Konzept der Ärzte ändern.

Noch haben die Apotheker die Kassen auf ihrer Seite, auch weil diese wissen, was für die Versorgungslandschaft auf dem Spiel steht: „Eine komplette Aufhebung der Selbstdispensation ist realpolitisch nicht möglich. Es geht jetzt darum, das Konzept der Ärzte durch Restriktionen einzuschränken", so der Santésuisse-Sprecher. „Wenn das Konzept der Ärzte durchkommt, ist der Apotheker draußen."

Benjamin Rohrer, Mittwoch, 27. Oktober 2010, 09:55 Uhr

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(APOTHEKE ADHOC)

 

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