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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken-News von heute
Die Finanzpolitik der Apothekenkammern steht auf dem Prüfstand: Ein Urteil des Landgerichts hat erstmals klare Grenzen für die Bildung von Rücklagen gezogen und macht damit eine langjährig praktizierte, aber intransparente Finanzpraxis unwirksam. Die Folge ist ein erheblicher Rechtfertigungsdruck, der nicht nur einzelne Kammern, sondern die gesamte Standesvertretung, einschließlich der ABDA, zu umfassenden Reformen zwingt. Parallel dazu steigen die Anforderungen an Apotheken durch die gesetzliche Einführung der digitalen Barrierefreiheit, die ab Juni 2025 verbindlich wird und viele Betriebe vor finanzielle Herausforderungen stellt, da Dienstleister ihre Preise deutlich anheben. Zugleich verschärft sich der Wettbewerbsdruck durch Versandhändler und Filialketten, was Apotheken verstärkt zur Spezialisierung und Profilbildung zwingt. Diese Entwicklungen markieren einen tiefgreifenden Wandel, der die finanzielle, digitale und strategische Zukunft der Apotheken maßgeblich prägen wird.
Gebunkerte Millionen, verlorene Kontrolle, nötiger Neustart
Wie Apothekenkammern unter Rechtfertigungsdruck geraten, Gerichte Rücklagen begrenzen und die ABDA vor einer Finanzwende steht
Es war ein Urteil mit Sprengkraft, das weit über den konkreten Fall hinausweist – und der Berufsstand der Apothekerinnen und Apotheker wird die Folgen nicht ignorieren können. Denn erstmals hat ein Gericht unmissverständlich klargestellt, dass Standesvertretungen nicht in eigener Regie und nach Gutdünken beliebig Rücklagen anhäufen dürfen. Die Entscheidung trifft die Apothekerkammern ins Mark, weil sie eine Finanzpraxis angreift, die lange als selbstverständlicher Bestandteil des Systems galt: Mitgliedsbeiträge wurden vielfach ohne konkrete Zweckbindung aufgestockt, Jahresüberschüsse still zurückgelegt, ohne dass eine systematische Begründung oder transparente Mittelverwendung dokumentiert worden wäre. Dass damit nun Schluss sein muss, erschüttert nicht nur die betroffene Kammer, sondern strahlt auf das gesamte Gefüge aus – bis hin zur ABDA.
Denn die ABDA selbst gerät durch das Urteil indirekt unter Zugzwang. Zwar ist sie nicht Partei im konkreten Verfahren, doch sie steht als Dachverband auf einer finanziellen Architektur, die von den Beiträgen und Umlagen der Landesorganisationen lebt – und die wiederum auf ihre Rücklagenpolitik gestützt sind. Je nach Landesstruktur flossen Millionenbeträge über Jahre hinweg in sogenannte zweckfreie Rückstellungen, deren Höhe sich oft nur noch mit Buchungstricks und formaler Selbstermächtigung rechtfertigen ließ. Diese Praxis gerät nun an ihre systemische Grenze. Denn wenn Gerichte beginnen, die Verhältnismäßigkeit und Zweckbindung von Rücklagen zu prüfen, droht die Grundlage dieser Reservepolitik zu erodieren.
Der Fall, der die Wende markiert, wirkt wie ein Lehrstück aus der Welt der Paragrafen und Kammerparlamente. Eine Apothekerin hatte gegen einen Kammerbescheid geklagt, der eine Beitragserhöhung enthielt – mit dem Argument, die Kammer könne ihre Aufgaben auch ohne zusätzliche Mittel erfüllen, da sie über hohe Rücklagen verfüge. Das Gericht gab ihr recht. In der Begründung hieß es, Rücklagen dürften nur dann gebildet werden, wenn sie konkret beabsichtigte Vorhaben absichern oder absehbare Risiken abfedern sollen. Reine Polsterbildungen auf Verdacht oder zur „Haushaltskosmetik“ seien nicht zulässig. Damit ist ein Damm gebrochen. Denn bis dahin war es gängige Praxis, haushaltstechnische Spielräume mit dem Verweis auf „langfristige Planungssicherheit“ zu schaffen – ein Argument, das nun juristisch entwertet wurde.
Für die Apothekenbasis ist dieses Urteil eine späte Genugtuung. Seit Jahren gärt die Kritik an einer als abgehoben empfundenen Kammerspitze, deren Umgang mit Pflichtbeiträgen zunehmend als intransparent wahrgenommen wird. Die Forderung nach demokratischer Rückbindung, nach Kontrolle und Rechenschaftspflicht gewinnt mit dem Urteil neue Legitimität. Es geht längst nicht mehr nur um Euro-Beträge, sondern um Grundsatzfragen institutioneller Verantwortung. Wer Pflichtbeiträge erhebt, darf sie nicht wie eine stille Reserve behandeln, sondern muss sie in nachvollziehbare Strategien überführen – sei es für Fortbildung, Nachwuchsförderung oder Digitalisierung. In vielen Landesverbänden fehlen jedoch genau diese strategischen Grundlagen, was eine ernüchternde Bilanz offenbart: Die Finanzkraft wächst, aber die Wirkungskraft bleibt schwach.
Doch nicht nur juristisch, auch politisch dürfte das Signal kaum folgenlos bleiben. Gesundheitsministerien der Länder werden sich künftig schwerer damit tun, auf Anfragen nach Finanzaufsicht über Kammern mit dem Hinweis auf Selbstverwaltung zu verweisen. Zugleich steigt der Druck auf die Mitglieder der Kammerversammlungen, sich aktiv mit Haushalts- und Finanzplänen auseinanderzusetzen. Ein einfaches Durchwinken von Rückstellungen dürfte künftig angreifbar sein – auch mit Blick auf mögliche Amtshaftung. Damit ändert sich das Machtgefüge in der Kammerpolitik: Kontrolle wird zur Pflicht, Transparenz zum Schutzinstrument.
Und die ABDA? Sie steht an einem Wendepunkt. Wer bundesweit für das politische Gewicht der Apothekerschaft eintritt, darf sich nicht länger durch dubiose Rücklagenpraxis auf Landesebene delegitimieren lassen. Gerade in Zeiten, in denen die Öffentlichkeit zunehmend kritisch auf Standesvertretungen blickt und die berufspolitische Schlagkraft in Berlin eher bröckelt als wächst, ist Glaubwürdigkeit das höchste Gut. Der Ruf nach Transparenz muss deshalb auch die Dachverbände erfassen. Eine Reform der Finanzstrukturen – von einheitlicher Mittelverwendung bis zur veröffentlichten Mittelverwendungsplanung – wird nicht nur zur moralischen, sondern zur strategischen Notwendigkeit. Wer dies nicht erkennt, riskiert nicht nur juristische Rückschläge, sondern den Verlust der eigenen Deutungshoheit.
Am Ende geht es um mehr als Geld. Es geht um die Zukunft der berufspolitischen Organisation im Gesundheitswesen – und um das Vertrauen derjenigen, die diese Strukturen tragen. Die Apothekerschaft kann sich keine Intransparenz mehr leisten. Gebunkerte Millionen sind kein Zeichen der Stärke, sondern ein Symbol für vergangene Versäumnisse. Das Urteil war ein Warnschuss. Jetzt braucht es einen neuen Kodex: finanziell, politisch, moralisch.
Wohngebäudeversicherung zahlt nicht bei Teilabbrüchen, verweigert Gutachterkosten, grenzt Rettungsauslagen strikt aus
LG Oldenburg urteilt zur Definition „umgestürzter Baum“, verneint Leistungspflicht bei Präventionsfällung, verweist auf Vertragsklarheit und Kundensicht
Ein beschädigter Baum ist noch lange kein Versicherungsfall. Dies verdeutlicht ein Urteil des Landgerichts Oldenburg (Az. 13 O 671/24), das aufzeigt, wie strikt die Klauseln in Wohngebäudeversicherungen zur Sturmschadenregulierung ausgelegt werden – und wie wenig Spielraum für Kulanz bleibt, wenn es um präventive Maßnahmen oder Auslegungsspielräume geht.
Nach einem Sturm im Jahr 2024 war eine über 20 Meter hohe Rosskastanie auf einem versicherten Wohngrundstück so stark beschädigt worden, dass Teile der Krone und zwei große Stammabschnitte zu Boden stürzten. Der verbleibende Stamm blieb aufrecht stehen. Ein hinzugezogener Baumgutachter bewertete die Reststruktur als instabil und empfahl eine rasche Entfernung – nicht jedoch als Sofortmaßnahme. Die Eigentümer veranlassten daraufhin eigenständig die Fällung sowie den Abtransport der Baumreste und verlangten vom Gebäudeversicherer die Erstattung der dafür angefallenen Kosten in Höhe von mehr als 8.000 Euro.
Die Versicherung lehnte ab – mit Verweis auf die im Vertrag enthaltene Klausel, wonach nur das Entfernen „durch Sturm oder Blitzschlag umgestürzter Bäume“ versichert sei. Abgebrochene Baumteile, Astwerk oder präventive Fällmaßnahmen seien explizit ausgeschlossen. Die Eigentümer zogen vor Gericht – und verloren.
Das Gericht stützt sich in seiner Begründung auf die Auslegung nach dem sogenannten verständigen Versicherungsnehmer, wie sie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 20. November 2019 (IV ZR 159/18) definiert hat. Demnach müsse ein durchschnittlich informierter, verständiger Laie unter einem „umgestürzten Baum“ einen vollständig zur Seite gefallenen Baum verstehen, der typischerweise entwurzelt oder zumindest vollständig aus seiner senkrechten Position gebracht wurde. Ein lediglich teilweise beschädigter Baum, dessen wesentliche Stammstruktur noch aufrecht steht, fällt nicht darunter – auch dann nicht, wenn er aus Sicherheitsgründen gefällt werden muss.
Der Versuch, die Kosten über § 90 VVG als sogenannte Rettungskosten geltend zu machen, blieb erfolglos. Zwar ist es grundsätzlich möglich, bestimmte Maßnahmen zur Vermeidung eines drohenden Versicherungsfalls als ersatzfähige Aufwendung abzurechnen. Im vorliegenden Fall sah das Gericht jedoch keine akute Gefahrensituation. Die Einschätzung des Sachverständigen, wonach mittelfristig mit weiterem Abbruch durch Fäulnis zu rechnen sei, reichte nicht aus. Der Versicherungsfall, also das vollständige Umstürzen des Restbaumes durch Sturm, sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und nicht kurzfristig zu erwarten gewesen.
Darüber hinaus lehnte das Gericht auch die Erstattung der Gutachterkosten ab. Diese seien nicht als Schadensermittlungskosten im Sinne des § 85 VVG zu bewerten, da sie weder zur Feststellung eines eingetretenen Versicherungsfalles noch auf Veranlassung des Versicherers erfolgt seien. Der Versicherungsnehmer habe das Gutachten eigeninitiativ beauftragt und müsse die Kosten daher selbst tragen. Die Tatsache, dass ein Sachverständiger eingeschaltet wurde, ändere nichts an der nicht gegebenen Leistungspflicht der Versicherung.
Das Urteil macht deutlich, dass Vertragsklauseln in der Wohngebäudeversicherung nach Wortlaut, Sinn und zumutbarer Kundeninterpretation auszulegen sind. Gleichzeitig bleibt es die Pflicht des Versicherungsnehmers, die Bedingungen seiner Police genau zu kennen. Wer auch bei schweren, aber nicht vollständigen Baumschäden eine Deckung wünscht, muss Tarife mit erweiterten Klauseln wählen. Einige neuere Wohngebäudeversicherungstarife bieten mittlerweile auch Schutz für sturmbedingt beschädigte oder abgeknickte Bäume an, wenn eine natürliche Erholung des Baumes ausgeschlossen ist. Solche Tarife sind allerdings eher die Ausnahme und oft an strenge Nachweispflichten gebunden.
Der Fall zeigt beispielhaft die Grenzen zwischen Risikovorsorge in Eigenverantwortung und versicherten Sturmschäden auf. Eine vom Laien als folgerichtig empfundene Maßnahme – wie die Entfernung eines beschädigten, aber noch stehenden Baums – wird nicht automatisch durch die Versicherung gedeckt. Die strenge vertragliche Trennung zwischen tatsächlichem Umsturz und anderen Formen der Beschädigung lässt wenig Raum für individuelle Bewertung. Entscheidend ist nicht das subjektive Sicherheitsbedürfnis des Eigentümers, sondern die objektive, versicherungsrechtlich bewertbare Auslösung eines klar definierten Schadensereignisses. Teilabbrüche erfüllen diese Definition nicht, eine Leistungspflicht bei rein präventiver Baumfällung besteht nicht. Rettungskosten nach § 90 VVG kommen nur bei konkret drohenden Versicherungsfällen zum Tragen. Gutachterkosten sind nicht erstattungsfähig, wenn sie ohne Anforderung durch den Versicherer erfolgen.
Barrierefreiheit wird Pflicht, Preise explodieren, Apotheken unter Druck
Wie neue EU-Vorgaben Apotheken-Webseiten betreffen, Serviceanbieter die Kosten verdoppeln und Inhaber vor einer Zwangslage stehen
Barrierefreiheit im Internet ist ab dem 28. Juni 2025 keine Frage des guten Willens mehr, sondern rechtsverbindliche Pflicht: Apotheken, die eine eigene Webseite betreiben, müssen diese ab diesem Stichtag so gestalten, dass auch Menschen mit Sehbehinderungen oder anderen Einschränkungen ohne Hürden darauf zugreifen können. Was als inklusives Anliegen startet, endet für viele Inhaber in einer neuen wirtschaftlichen Belastung – denn ausgerechnet die etablierten Serviceanbieter nutzen die Gunst der Stunde, um ihre Preise zu verdoppeln. Ein Beispiel dafür liefert die Rathaus-Apotheke in Eppstein. Inhaberin Cordula Eichhorn schildert, wie der monatliche Preis für ein Barrierefrei-Paket kurzerhand von rund 30 auf 60 Euro angehoben wurde – mit Hinweis auf die neue Rechtslage, ohne erkennbare Leistungssteigerung. Das Problem: Ausweichen ist kaum möglich. Die Verpflichtung zur Umsetzung ist eindeutig gesetzlich geregelt, Verstöße können mit empfindlichen Bußgeldern geahndet werden.
Für viele Apotheken bedeutet das eine doppelte Zwangslage: Sie müssen barrierefrei umstellen, dürfen sich aber faktisch nicht aussuchen, wie – denn Anbieter wie Apotheken.de haben über Jahre gewachsene Exklusivverhältnisse, technologische Abhängigkeiten und rechtlich komplexe Lizenzmodelle geschaffen. Wer sich abkoppeln will, riskiert Sichtbarkeitsverlust, Funktionseinbußen und juristischen Aufwand. Wer bleibt, zahlt – ob er will oder nicht. Branchenintern wird deshalb von einer systematischen Preisdurchsetzung gesprochen, die sich hinter dem Deckmantel der Digitalisierung und Inklusion verbirgt. Die neue Barrierefreiheitsstärkungspflicht trifft damit nicht nur eine strukturell überlastete Branche zur Unzeit, sondern zeigt zugleich, wie Anbieter gesetzgeberische Prozesse für ihre eigenen Preismodelle ausnutzen – ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Realität kleiner Apothekenbetriebe. Die betriebswirtschaftliche Schieflage, die daraus entstehen kann, wird bislang kaum thematisiert, obwohl sie tief in die IT-Infrastruktur, Budgetverteilung und Vertragsfreiheit der Betriebe eingreift.
Der Konflikt steht exemplarisch für ein wachsendes Missverhältnis zwischen politischem Anspruch und ökonomischer Umsetzung. Während Berlin über die digitale Zukunft des Gesundheitswesens philosophiert, entstehen vor Ort neue Kostenfallen – mit Ansage und auf Rechnung derer, die ohnehin unter massivem wirtschaftlichem Druck stehen. Apotheken wie die von Cordula Eichhorn haben keine Chance, sich diesem Druck zu entziehen. Sie sind gezwungen, zu zahlen, bevor sie überhaupt analysieren konnten, ob die neue technische Lösung wirklich funktioniert, datenschutzkonform ist oder langfristig wartbar bleibt. Ein Anbieterwechsel ist kaum realistisch, eine technische Eigenlösung in der Kürze der Zeit nicht umsetzbar. Damit erweist sich das gesetzliche Ziel der Barrierefreiheit als inhaltlich richtig, aber strukturell problematisch – und in seiner gegenwärtigen Form als willkommene Geschäftsgrundlage für Plattformanbieter, die die Abhängigkeit ihrer Kunden offenbar längst eingepreist haben.
Spezialisierung braucht Struktur, Beratung braucht Profil, Stimmung braucht Perspektive
Wie Apotheken durch gezielte Differenzierung im Wettbewerb bestehen wollen, strategisch auf Weiterbildung setzen und sich aus der Konjunkturtalsohle arbeiten
Die Apotheke als Versorgungsinsel reicht nicht mehr – sie muss sich neu erfinden, wenn sie im Markt bestehen will. Das belegt die aktuelle Apokix-Erhebung des IFH Köln mit über 100 befragten Apothekeninhaberinnen und -inhabern. Der Druck durch Versandhandel, Filialisierung und wirtschaftliche Unsicherheit zwingt die Offizinen zu einer Frage der Identität: Wer heute bestehen will, muss sich positionieren. 43 Prozent der Apotheken verfolgen aktiv eine Spezialisierungsstrategie, weitere 12 Prozent wollen sie in Kürze einführen. Nur knapp die Hälfte der Befragten zeigt sich dagegen noch indifferent oder nicht orientiert. Die Botschaft zwischen den Zahlen: Differenzierung ist kein Luxus, sondern eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit – vor allem dort, wo die Konkurrenz vor der Tür steht. Besonders auffällig ist der Fokus auf Maßnahmen, die nicht durch Investitionen, sondern durch konzeptionelle Klarheit punkten: 93 Prozent der Befragten sehen die Erhöhung der Kundenbequemlichkeit – Convenience – als entscheidenden Hebel zur Profilierung. Dieser Begriff meint mehr als verlängerte Öffnungszeiten oder digitale Services: Gemeint ist ein reibungsloser Zugang zur pharmazeutischen Dienstleistung, ohne Reibungsverluste durch Bürokratie, Wartezeiten oder unklare Abläufe.
Auch die Weiterqualifikation des Personals rückt in den Mittelpunkt: 91 Prozent der Inhaberinnen und Inhaber setzen auf ein gestärktes Kompetenzprofil im Team, um sich fachlich sichtbar von Wettbewerbern abzusetzen. Die Ausbildung zur Fachberaterin etwa für Inkontinenz, Ernährung, Haut oder pDL kann hier ebenso strategisch wirken wie gezielte Schulungen in Kommunikation oder digitale Beratung. Kooperationen mit Arztpraxen, Pflegeeinrichtungen, Fitnessstudios oder Heilpraktikern sind für 72 Prozent der Befragten weitere Bausteine der Differenzierung. Der Schulterschluss mit dem regionalen Gesundheitswesen wird damit zum Markenkern – und rückt die Apotheke stärker ins Versorgungsgeschehen vor Ort. Überraschend nüchtern fällt hingegen die Bewertung klassischer Differenzierungsinstrumente aus: Eine besondere Gestaltung der Offizin halten nur 54 Prozent für strategisch wirksam, die Einführung exklusiver Markenprodukte sogar nur 47 Prozent. Noch geringer ist der Glaube an Preisdifferenzierung (40 Prozent), an erweiterte Ergänzungssortimente (37 Prozent) oder an niederschwellige Maßnahmen wie Kundenseminare, besondere Rezepturen, Zeitschriften oder verlängerte Öffnungszeiten, die jeweils unter 30 Prozent Zustimmung verzeichnen. Die Botschaft ist klar: Die Apotheke muss nicht größer oder bunter werden – sie muss klüger sein.
Gleichzeitig artikuliert sich in der Umfrage ein bedeutsames Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Neuausrichtung und heilberuflicher Identität. Denn Spezialisierung darf laut Aussage der Befragten nicht dazu führen, dass die pharmazeutische Grundversorgung als Hauptaufgabe verwässert wird. Es gehe nicht um ein Apothekenmarketing mit Zusatznutzen, sondern um eine konzeptionelle Präzisierung des Versorgungsangebots. Fachliche Tiefe statt thematischer Beliebigkeit. Daher betonen viele Inhaberinnen und Inhaber die Notwendigkeit, personelle Fortbildung nicht punktuell, sondern strategisch aufzustellen – auch im Sinne einer langfristigen Arbeitgeberattraktivität.
Spiegelbildlich zur strategischen Neuausrichtung verbessert sich auch die konjunkturelle Stimmung – zumindest leicht. Der Apokix-Konjunkturindex zur aktuellen Geschäftslage liegt im Juni bei 75,2 Punkten – das sind 0,2 Punkte mehr als im Mai. Für die erwartete Geschäftslage der kommenden zwölf Monate liegt der Indexwert bei 68,4 – ein Plus von 3,2 Punkten im Monatsvergleich. Entscheidender ist jedoch die Jahresbetrachtung: Im Vergleich zu Juni 2024 ist die Einschätzung der aktuellen Lage um 7,6 Punkte gestiegen, die Erwartungshaltung sogar um 32,4 Punkte. Die Talsohle scheint durchschritten, doch die Zahlen liegen weiterhin deutlich unter der neutralen 100-Punkte-Marke. Das unterstreicht, dass die positive Tendenz kein Ausdruck wirtschaftlicher Entspannung ist, sondern ein strategisches Erwachen signalisiert – getrieben von einer aktiven Selbstverortung der Apotheken im Wettbewerb.
Wer sich nicht bewegt, wird bewegt – diese Erkenntnis scheint inzwischen im Berufsstand angekommen zu sein. Der Weg zur resilienten, fachlich profilierten und versorgungsrelevanten Apotheke beginnt mit dem Blick auf das eigene Team, das eigene Angebot und die konkrete Situation vor Ort. Nicht jede Apotheke muss alles können – aber jede braucht ein erkennbares Profil. Die neue Spezialisierungswelle ist kein modisches Konzept, sondern ein überfälliger Schritt in einem Markt, der von Austauschbarkeit zunehmend nichts mehr hält.
Digitale Verantwortung trägt, wer sichtbar ist, Pflichten beginnen, wo Kontakt entsteht, Chancen wachsen, wo Zugang gelingt
Warum das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz Apotheken zu mehr als nur technischer Nachbesserung zwingt – und was daraus werden kann
Wer in der Apotheke an Digitalisierung denkt, verbindet damit oft Webshops, Click-and-Collect, E-Rezept-Anbindung oder digitale Kundenbindung über Apps. Doch was bisher als freiwilliger Service oder strategische Zusatzoption galt, wird ab dem 28. Juni 2025 für viele Betriebe zur verbindlichen Verpflichtung – mit potenziell gravierenden Folgen. Der Grund: das Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG), das nicht nur als regulatorische Maßnahme wirkt, sondern zum Lackmustest für unternehmerische Verantwortung im digitalen Raum wird. Denn barrierefrei heißt nicht nur gesetzeskonform – es bedeutet Teilhabe, Reichweite und Glaubwürdigkeit in einem zunehmend sensiblen digitalen Umfeld.
Das Gesetz folgt der europäischen Accessibility-Richtlinie und verpflichtet Apotheken, ihre interaktiven digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Dabei geht es nicht um kosmetische Korrekturen, sondern um echte Zugänglichkeit: für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung, motorischen Einschränkungen oder kognitiven Barrieren. Die technischen Maßstäbe sind klar definiert: WCAG 2.1 auf Niveau AA sowie die Anforderungen der deutschen BITV 2.0. Doch was das für Apotheken konkret bedeutet, wird häufig unterschätzt – oder schlichtweg verdrängt. Ein einfacher Webauftritt, der lediglich Kontaktinformationen zeigt, fällt nicht unter die neue Regelung. Doch sobald die Website interaktive Funktionen bietet – etwa Vorbestelltools, Terminvereinbarungen, Livechat, E-Rezeptannahme oder Shopmodule – gelten die BFSG-Vorgaben. Und dann ist die Apotheke als Betreiberin im Impressum haftbar – nicht die Agentur, nicht der Dienstleister.
Die praktische Umsetzung ist anspruchsvoll. Bei der Prüfung digitaler Apothekenangebote zeigen sich regelmäßig gravierende Defizite. Buttons ohne beschriftete Funktionen, fehlende Alternativtexte bei Bildern, unstrukturierte PDFs, zu geringe Farbkontraste, irreführende Navigation – jedes dieser Elemente kann eine Barriere darstellen. Vor allem ältere Templates und improvisierte Lösungen aus der ersten Digitalisierungswelle schneiden hier oft schlecht ab. Die Vorstellung, man könne mit einer optischen Nachbesserung oder einem kurzen Plugin das Thema erledigen, ist trügerisch. Denn Barrierefreiheit erfordert strukturelle Anpassung – in Technik, Gestaltung, Sprache und Nutzerführung.
Für viele Apotheken bedeutet das einen doppelten Druck. Einerseits steigt der Handlungsbedarf mit Blick auf das Gesetz und die drohenden Abmahnrisiken – insbesondere, weil spezialisierte Kanzleien bereits gezielt auf den neuen Rechtsrahmen reagieren dürften. Wer zum Beispiel eine Vorbestellfunktion einsetzt, aber keinen barrierefreien Zugang dazu bietet, riskiert eine rechtlich angreifbare Schnittstelle. Andererseits fehlt häufig das Personal, das technische Wissen oder die finanzielle Luft, um die Anforderungen kurzfristig zu erfüllen. Dabei gibt es bereits erprobte Hilfsmittel: Der WAVE Accessibility Checker, der BITV-Selbsttest oder spezielle Agenturen, die auf barrierefreie Gestaltung spezialisiert sind, können als erste Maßnahme Klarheit schaffen. Noch wichtiger aber ist die strategische Perspektive.
Denn digitale Barrierefreiheit darf nicht nur als juristische Last begriffen werden. Wer sie als Chance versteht, rückt den Kunden in den Mittelpunkt – unabhängig von seiner körperlichen oder kognitiven Verfasstheit. Barrierefreiheit bedeutet Inklusion, Vertrauen und Qualität im Zugang. Und sie kann neue Zielgruppen erschließen: Menschen mit Sehbehinderungen, ältere Kundinnen und Kunden, Angehörige mit Unterstützungsbedarf. Gerade in einer Zeit, in der Apotheken um Sichtbarkeit, Differenzierung und gesellschaftliche Legitimation kämpfen, wird eine inklusive Digitalstrategie zum Imagefaktor. Sie signalisiert: Diese Apotheke nimmt Verantwortung ernst – nicht nur im HV, sondern auch online.
Darum ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um die eigenen digitalen Angebote systematisch zu überprüfen – nicht nur auf rechtliche Konformität, sondern auf ihren tatsächlichen Zugangswert. Das beginnt mit einfachen Fragen: Ist der Kontrast meiner Webseite ausreichend? Lassen sich Formulare auch mit Tastatur bedienen? Können Screenreader die Inhalte korrekt erfassen? Ist die Sprache einfach und klar genug? Und vor allem: Was passiert, wenn ich versuche, meine Seite aus der Perspektive einer Person mit Einschränkungen zu erleben?
Die digitale Zukunft der Apotheken entscheidet sich nicht allein an Plattformen oder technischen Schnittstellen, sondern an ihrer Fähigkeit, Menschen in all ihrer Vielfalt anzusprechen. Barrierefreiheit wird damit zum Prüfstein moderner Apothekenführung – nicht nur aus Compliance-Gründen, sondern als Ausdruck einer Haltung. Wer sich dieser Aufgabe rechtzeitig stellt, schützt nicht nur vor Abmahnrisiken, sondern gewinnt Vertrauen, Sichtbarkeit und Relevanz in einem digitalen Markt, der sich schneller verändert, als manch einer glaubt. Und das ist mehr als Pflicht – es ist eine Einladung zur Weiterentwicklung.
Berufspolitik braucht Haltung, Nachwuchs braucht Perspektiven, Versorgung braucht neue Formate
Wie Kai Christiansen die Kammer auf Reformkurs führt, Overwiening als Maßstab würdigt und Impulse zur Modernisierung der Apothekenarbeit setzt
Die Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein geriet am Mittwoch in Kiel zur Standortbestimmung mit klaren Botschaften, systemischer Tiefenschärfe und politischer Weitsicht. Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen nutzte das Plenum nicht nur zur Analyse bundespolitischer Entwicklungen, sondern setzte zugleich Akzente für eine neue Selbstverortung der Apothekenberufe in einem sich wandelnden Versorgungssystem. In ungewohnt deutlicher Sprache sprach er von einem „Ton der Wertschätzung“, der auf Bundesebene angekommen sei – und hob dabei die angekündigte Honoraranpassung nicht als großzügige Gabe hervor, sondern als notwendige Reaktion auf Jahre struktureller Unterfinanzierung. Sichtbar werde mit der Diskussion um die künftige regelmäßige Anpassung der Apothekenvergütung erstmals eine Dynamik, die eine neue Systematik erlauben könne, auch wenn Christiansen an der Umsetzbarkeit noch erhebliche Zweifel äußerte. Der angekündigte Kurswechsel beim Skontiverbot wurde von ihm als dringend notwendige wirtschaftliche Korrektur begrüßt, die Apothekenbetriebe wieder in betriebswirtschaftliche Handlungsfähigkeit zurückversetze. Doch Christiansen betonte mehrfach, dass es bei all diesen Reformimpulsen nicht um rein monetäre Nachbesserungen gehe, sondern um eine Rollenklärung und Aufgabenverbreiterung, die Apotheken strukturell sichtbar, fachlich aufgewertet und strategisch relevanter mache – etwa in Netzwerken der Prävention, der pharmazeutischen Betreuung chronischer Erkrankungen oder bei der Abfederung ärztlicher Versorgungslücken im ländlichen Raum. Mit der anstehenden Veranstaltung der Heilberufe-Allianz Schleswig-Holstein zum Thema Prävention unter parlamentarischer Beteiligung unterstrich Christiansen, dass die Kammer bewusst Allianzen jenseits standespolitischer Eigeninteressen schmiedet.
Einen besonderen Moment markierte die Würdigung der vormaligen ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening, deren Abwahl Christiansen nicht als Neuanfang, sondern als Ausdruck „innerberuflicher Selbstverunsicherung“ interpretierte. Mit unmissverständlicher Klarheit formulierte Christiansen seine Haltung: „Die beste Berufspolitik, die die ABDA je gemacht hat, war unter Overwiening – Punkt.“ Die neue Spitze mit Thomas Preis und Ina Lucas müsse nun aus dem Vertrauensbruch, der Overwienings Abwahl begleitet habe, eine neue Geschlossenheit entwickeln, statt sich in taktischen Kompromissen zu verlieren. Christiansens Einschätzung, dass „jeder Buchstabe im Koalitionsvertrag zu den Apotheken“ auf Overwienings politische Handschrift zurückgehe, ist zugleich eine Mahnung, politische Leistung nicht vorschnell zugunsten parteipolitischer oder verbandstaktischer Kalküle zu entwerten. Der Übergang zur neuen Führung dürfe nicht in rückwärtsgewandte Ressentiments abgleiten, sondern müsse die Erfolge der Vergangenheit als Fundament nutzen. Es war diese Haltung, die die Kammerversammlung prägte – eine Mischung aus Rückgrat, Selbstreflexion und strategischer Klarheit.
Die Diskussion über Nachwuchsgewinnung in den Apotheken zeigte erneut, wie stark das Image der Offizinarbeit unter dem Eindruck bürokratischer Überfrachtung und ökonomischer Unsicherheit leidet. Zwar betonten viele Kammermitglieder die inhaltliche Attraktivität der pharmazeutischen Betreuung, insbesondere im Medikationsmanagement, doch die begrenzten strukturellen Anreize, die unklare Vergütungsperspektive und das fehlende Selbstverständnis als innovativer Gesundheitsakteur wirkten offenbar abschreckend. Der frühere Verbandsvorsitzende Dr. Peter Froese brachte die Debatte auf einen strategischen Punkt: Die ABDA müsse konkrete Versorgungsangebote entwickeln – etwa zur Betreuung von Dauerverordnungen – und diese so gestalten, dass sie nicht nur pharmazeutisch sinnvoll, sondern auch ökonomisch tragfähig und politisch vermittelbar seien. Seine Forderung, Gesundheit endlich nicht mehr ausschließlich als Kostenfaktor zu behandeln, sondern als regelbares wirtschaftliches Systemfeld zu begreifen, traf dabei auf breite Zustimmung. Die Idee, ein neues Hausapothekenmodell auf veränderte Versorgungsrealitäten anzupassen, wurde mehrfach als lohnenswerter Ansatz genannt.
In einem weiteren Themenblock richtete Christiansen den Blick auf die überbordende Regulierung der Apothekenbetriebsordnung. Angeregt von einer älteren Initiative der Pharmazieräte plädierte er für die Gründung einer Kammerarbeitsgruppe, die sich dem Ziel eines intelligenten Bürokratieabbaus widmen solle. Zahlreiche Delegierte signalisierten Interesse – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der immer wieder geäußerten Frustration über praxisferne Detailvorgaben, die dem Versorgungsalltag eher hinderlich als hilfreich seien. Ein weiteres aktuelles Thema bildeten Überlegungen zu Apothekenterminals mit Versanderlaubnis, die etwa in Supermärkten installiert werden könnten. Zwar seien diese rechtlich zulässig, wie das Bundesverwaltungsgericht klargestellt habe, doch gebe es massive Zweifel, ob der Betrieb solcher Telematik-Komponenten außerhalb einer Apotheke mit der Sicherheitsarchitektur vereinbar sei. Statt Einzelbetrieb von Versendern wurde ein alternatives Modell diskutiert, bei dem regionale Apotheken überarbeitete Botendienstregelungen nutzen könnten, um gemeinsam ein solches Terminal zu betreiben – unter klaren Kammerregeln und mit lokalem Versorgungsbezug.
Ein starker menschlicher Moment war die Verleihung der Goldenen Ehrennadel der Kammer an Eva-Maria Lange, die sich über ein Vierteljahrhundert hinweg in Gremien, Ausschüssen und als Prüferin engagiert hat. Christiansen würdigte ihre unermüdliche Bereitschaft zum kritischen Diskurs – selbst wenn dieser „nicht immer von Harmonie geprägt“ war – als beispielhaft für eine demokratische Streitkultur, wie sie die Kammer brauche. Dass er dabei ausdrücklich für das „sportlich faire Ringen um Positionen“ dankte, machte deutlich, dass Berufspolitik nicht nur Ergebnisse, sondern auch Haltung braucht. In der Summe stand die Kieler Versammlung für ein neues Selbstbewusstsein, das nicht auf Lautstärke, sondern auf Substanz und strategische Kohärenz setzt. Ob die ABDA-Führung diese Impulse aufgreift, wird entscheidend für ihre politische Zukunft sein. Denn Reformfähigkeit allein reicht nicht – sie muss auch vermittelt und verkörpert werden.
Industrie fordert Strukturwende, Kassen warnen vor Beitragsexplosion, Ministerium dementiert Entwarnung
Warum der vfa versicherungsfremde Leistungen aus der GKV drängen will, die Zusatzbeiträge ausufern und der Staat sein Finanzierungsversprechen nicht einlöst
Während die Krankenkassen einen Überschuss melden, der auf den ersten Blick für Stabilität spricht, warnt die forschende Pharmaindustrie vor einem Trugschluss – und verlangt einen Systemwechsel: Die vollständige Herausnahme versicherungsfremder Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung und deren Überführung in die Steuerfinanzierung. Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa) macht inmitten der laufenden Debatte um Zusatzbeiträge und strukturelle Unterdeckung erneut Druck und verweist auf eine zentrale Fehlstelle in der Finanzierungssystematik der GKV: Leistungen, die nicht zur versicherten Erwerbsbevölkerung gehören, werden weiterhin solidarisch finanziert – etwa die Beiträge für Bürgergeldempfänger. Genau diese Position hatte bereits das gesundheitspolitische Arbeitspapier der Koalitionsarbeitsgruppe vorsichtig adressiert, doch in den finalen Koalitionsvertrag schaffte es das Thema nicht. Ein Versäumnis mit weitreichenden Folgen, denn die Belastung der Krankenkassen steigt weiter – trotz Quartalsüberschuss.
Im ersten Quartal 2025 erzielten die 94 gesetzlichen Krankenkassen zwar ein Gesamtplus von 1,8 Milliarden Euro, doch wie das Bundesgesundheitsministerium (BMG) betont, handelt es sich dabei nicht um frei verfügbare Mittel. Die Finanzreserven der Kassen lagen zum Quartalsende bei lediglich 3,6 Milliarden Euro, was exakt der Hälfte der gesetzlich geforderten Mindestreserve entspricht. Die zusätzlichen Mittel dienen laut BMG ausschließlich dem Auffüllen dieser Reserve – ein Vorgang, der bei vielen Versicherten den Eindruck stabiler Verhältnisse erzeugt, jedoch faktisch keine Spielräume eröffnet. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) widersprach der Deutung eines systemischen Entlastungseffekts entschieden. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass ein Quartalsüberschuss eine Trendwende bedeute. Die Einnahmen seien zwar gewachsen, doch die Ausgaben wachsen schneller – ein strukturelles Problem, das auch 2025 fortbestehe. Warken sprach sich zuletzt offen für eine Finanzierung der Bürgergeldbeiträge aus dem Bundeshaushalt aus – ein bemerkenswerter Schulterschluss mit der Industrie.
Der vfa-Vorsitzende Han Steutel forderte in einer Mitteilung nicht weniger als eine klare Trennung zwischen Versicherungssystem und sozialstaatlichen Transferleistungen. Es könne nicht sein, dass die gesetzlichen Kassen mit Aufgaben belastet würden, die der Allgemeinheit zufallen. Die Beiträge von Bürgergeldempfängern, die über die GKV abgewickelt werden, stellen laut vfa eine verzerrte Kostenlage dar – sie untergraben nicht nur das Beitragsäquivalenzprinzip, sondern verzerren auch die Steuerungslogik innerhalb der GKV. Dass die Krankenkassen dabei trotz nomineller Einnahmesteigerung strukturell unter Druck stehen, zeigen die aktuellen Zahlen: 88,3 Milliarden Euro Einnahmen stehen 86,5 Milliarden Euro Ausgaben gegenüber – ein rechnerischer Überschuss, der jedoch von einem Leistungswachstum von 7,9 Prozent und einem Anstieg der Verwaltungskosten um 5,8 Prozent flankiert wird. In absoluten Zahlen ergibt das einen Ausgabenanstieg bei Leistungen um rund sechs Milliarden Euro – eine Größenordnung, die nicht durch betriebliche Effizienz allein zu bewältigen ist.
Besonders auffällig: Der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz lag zum Ende des Quartals bereits bei 2,92 Prozent – ein deutliches Plus gegenüber den 2,5 Prozent, die im Oktober 2024 noch als Planwert galten. Der Trend zeigt in Richtung Beitragseskalation. Differenziert man nach Kassenarten, wird deutlich, dass zwar alle Kassenarten Überschüsse erzielen konnten – Ersatzkassen mit 755 Millionen Euro, AOKen mit 460 Millionen, BKKen mit 287 Millionen, IKKen mit 191 Millionen, Knappschaft mit 144 Millionen – doch diese Resultate stehen isoliert neben einem strukturellen Defizit im Gesundheitsfonds. Dieser verzeichnete im selben Zeitraum ein Minus von 4,5 Milliarden Euro – ein zentraler Hinweis auf ein Ungleichgewicht zwischen Kassenebene und Systemebene. Der Gesundheitsfonds, zuständig für den Risikostrukturausgleich und die solidarische Mittelverteilung, kann seine Aufgabe derzeit nur durch Rückgriff auf Reserven und Kompensationen erfüllen – ein hochgradig instabiler Zustand.
Die Industrie, die im Arzneimittelbereich mit besonders starker Kostendynamik konfrontiert ist, macht deshalb nun Druck. Für den vfa ist klar: Die weitere Belastung des Systems durch versicherungsfremde Posten sei nicht mehr tragbar, insbesondere nicht bei rückläufiger Einnahmebasis durch demografischen Wandel und stagnierende Beschäftigung. Dass die Kassen ihre Einnahmen gegenüber dem Vorjahr nur durch höhere beitragspflichtige Löhne und Gehälter steigern konnten, sei kein tragfähiges Modell – vielmehr ein einmaliger Effekt in einem aufziehenden konjunkturellen Abschwung. Der Verband macht deutlich, dass ohne eine klare Neustrukturierung der Finanzierungsverantwortung weder Planungssicherheit für Arzneimittelinvestitionen noch Versorgungsstabilität gewährleistet werden kann. Gleichzeitig bleibt das politische System zögerlich. Zwar deutet die Positionierung von Ministerin Warken einen Meinungsumschwung an, doch der Koalitionsvertrag bleibt stumm. Das BMG verweist auf langfristige Reformüberlegungen – doch für die Kassen sind die Probleme kurzfristig real: Steigende Zusatzbeiträge, zurückgehende Liquidität, wachsender Finanzierungsdruck und ein Gesundheitsfonds im Defizitmodus.
Hinzu kommt die wachsende Ungleichheit in der Kassenlandschaft: Während große Kassen durch Effizienzgewinne noch Überschüsse erzielen, geraten kleinere Versicherer zunehmend an die Belastungsgrenze. Die Landkrankenkasse, nicht RSA-pflichtig, kann zwar ein Plus von fünf Millionen Euro melden – doch ihre Systemrelevanz bleibt gering. Die Frage, wie versicherungsfremde Leistungen künftig zu finanzieren sind, entscheidet daher nicht nur über Beitragssätze, sondern auch über das Überleben kleinerer Träger. Die Diskussion über Systemarchitektur, Staatsverantwortung und Solidargrenzen ist neu entbrannt – und der Vorstoß der Industrie dürfte nur der Auftakt sein. Was bislang eine stille Last war, könnte nun zum politischen Katalysator werden.
Überwärmung, Warnpflicht, Vertrauensbruch
Wie ein Reisetherapeutikum zur Gefahr werden kann, warum die FDA neue Nebenwirkungen anordnet und was Apotheken zur Risikoaufklärung leisten müssen
Was als hilfreiches Pflaster gegen Reiseübelkeit beginnt, kann in der Realität zu einer potenziellen Gesundheitsgefahr mit systemischer Brisanz werden – das zeigt die jüngste Sicherheitsmitteilung der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA zum transdermalen therapeutischen System „Transderm Scop“. Das Präparat, das für den US-Markt zugelassen ist und den Wirkstoff Scopolamin enthält, gerät aktuell in den Fokus regulatorischer Nachschärfungen: Künftig muss in den Produktinformationen explizit auf das Risiko einer gefährlichen Hyperthermie hingewiesen werden, das unter bestimmten Bedingungen wie starker Sonneneinstrahlung, Hitze oder sportlicher Belastung auftreten kann. Die FDA fordert damit eine Erweiterung des Sicherheitsprofils – und signalisiert zugleich, dass auch altbewährte Arzneiformen nicht von nachträglichen Risikoklassifizierungen ausgenommen sind.
Transderm Scop enthält 1,5 Milligramm des zentral anticholinerg wirkenden Parasympatholytikums Scopolamin, das über einen Zeitraum von drei Tagen transdermal freigesetzt wird – exakt ein Milligramm in gleichmäßiger Dosis. Die Indikation des Systems zielt auf die Prophylaxe und Therapie von Übelkeit und Erbrechen bei Reisekrankheit, wobei der Wirkmechanismus über die Hemmung cholinerger Transmission im Brechzentrum des Gehirns vermittelt wird. Doch gerade diese pharmakodynamische Eigenschaft hat eine Kehrseite: Die zentrale Hemmung cholinerger Impulse beeinträchtigt auch die Thermoregulation. Die Folge kann eine überschießende Körpertemperatur sein – und genau hier setzt die neue FDA-Warnung an.
Die Behörde verpflichtet den Hersteller dazu, Hyperthermie als potenziell schwerwiegende Nebenwirkung ausdrücklich in die US-Fachinformation aufzunehmen. In der Begründung verweist sie auf Berichte über Überhitzungsreaktionen bei Patienten, die das Pflaster unter Bedingungen angewendet hatten, bei denen das körpereigene Kühlsystem – insbesondere durch Schwitzen – durch die anticholinerge Wirkung ausgebremst wurde. Neben der systemischen Hitzebelastung sei auch das Risiko einer Exsikkose, eines Hitzeschocks oder neurologischer Komplikationen nicht zu unterschätzen. Die neu angeordnete Kennzeichnungspflicht betrifft sowohl medizinisches Personal als auch Patienten – insbesondere jene mit eingeschränktem Durstgefühl, kognitiven Beeinträchtigungen oder Vorerkrankungen des kardiovaskulären Systems.
Was in den USA regulatorisch durchgesetzt wird, betrifft indirekt auch die europäische Beratungspraxis. Denn während Transderm Scop nicht in Deutschland zugelassen ist, gibt es vergleichbare Präparate mit Scopolamin-Basis auch hierzulande – wenn auch in anderen Darreichungsformen oder unter anderen Handelsnamen. Für Apothekenteams bedeutet das: Die Beratungskompetenz muss auch Nebenwirkungsrisiken umfassen, die nicht auf jeder Verpackung stehen, aber durch internationale Pharmakovigilanzdaten bekannt werden. In Reisezeiten, bei intensiver Sonneneinstrahlung oder bei älteren Kund*innen mit Grunderkrankungen ist erhöhte Vorsicht angebracht – und aktives Ansprechen ratsam.
Zugleich wirft der Fall ein Schlaglicht auf die Dynamik nachträglicher Sicherheitsupdates bei etablierten Wirkstoffen. Die Geschichte des Scopolamin reicht bis in die Antike zurück – und dennoch werden heute neue Nebenwirkungen dokumentiert, die nicht etwa durch neue Substanzchemie, sondern durch veränderte Anwendungsbedingungen und gesteigerte thermische Belastungen relevant werden. Die globale Erwärmung, zunehmende Outdoor-Aktivitäten und die medizinische Anwendung bei vulnerablen Personengruppen führen dazu, dass altbekannte Wirkstoffe in neue Risikokontexte geraten – mit unmittelbaren Konsequenzen für die Produktsicherheit.
Für den Beratungsalltag bedeutet das: Apotheker*innen müssen neben der pharmakologischen Wirkung auch das physiologische Zusammenspiel von Umweltfaktoren und Arzneimittelprofil im Blick behalten. Ein scheinbar harmloses Antiemetikum kann bei Hochsommerhitze zur Gefahrenquelle werden – insbesondere, wenn Patienten nicht ausreichend aufgeklärt sind oder die Warnzeichen einer Überhitzung verkennen. Daher ist die Einordnung dieser FDA-Warnung nicht nur ein regulatorischer Schritt, sondern ein Auftrag an die pharmazeutische Praxis: Prävention bedeutet nicht nur Vermeidung von Symptomen, sondern aktives Risikomanagement – durch Aufklärung, Kontextwissen und interdisziplinäre Wachsamkeit.
Kein Vorrat, kein Verlass, kein Vertrauen
Wie der Methylphenidat-Mangel Apotheken ausbremst, Versorgungslücken verfestigt und die Industrie Ausreden stapelt
Seit Monaten schleppt sich die Versorgung mit Methylphenidat in deutschen Apotheken auf einem Niveau dahin, das weder betriebswirtschaftlich noch versorgungspolitisch akzeptabel ist – und dennoch zur neuen Normalität geworden ist. Was mit sporadischen Engpässen begann, hat sich inzwischen zu einem strukturverfestigten Defizit entwickelt, das zentrale Behandlungslinien bei ADHS, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, regelrecht zersetzt. Besonders betroffen sind die Hartkapseln mit modifizierter Wirkstofffreisetzung, die nicht nur besonders häufig verordnet, sondern wegen ihres pharmakokinetischen Profils auch nur eingeschränkt substituierbar sind. Während für unretardierte oder einfach retardierte Tabletten gelegentlich noch Alternativen verfügbar sind, herrscht bei den Kapselpräparaten vielfach komplette Leere im Lager – sowohl im Großhandel als auch bei Direktbestellungen. Die Apothekerschaft ist in dieser Lage nicht nur Erfüllungsgehilfe eines defizitären Systems, sondern täglicher Puffer für einen strukturellen Notstand, der sich in Rückrufen, unerreichbaren Verfügbarkeiten und aussichtslosen Auskunftsschleifen manifestiert. Dabei ist der Zeitaufwand kaum noch zu vermitteln: Jede neue Verordnung mit Methylphenidat reißt Beratungs- und Kommunikationsketten auf, die sich über Stunden ziehen können – ohne dass am Ende ein verlässliches Arzneimittel in der Hand der Patientinnen und Patienten landet.
In der öffentlichen Darstellung versuchen sich Hersteller und Zulieferer mit routinierten Beruhigungsformeln aus der Verantwortung zu ziehen. Man arbeite mit Hochdruck, prüfe Alternativen, verweise auf regulatorische und produktionstechnische Schwierigkeiten. Doch der Begriff des „Hochdrucks“ verliert seine Glaubwürdigkeit, wenn der Kalender Monate weiterzieht, ohne dass irgendeine Form der Stabilisierung spürbar wird. Apotheken berichten inzwischen von einem völligen Vertrauensverlust gegenüber Herstelleraussagen, da selbst avisierte Chargenlieferungen ausbleiben oder sich in der Größenordnung als praktisch irrelevant erweisen. Der Versuch, durch Direktbestellung Vorteile zu erzielen, ist weitgehend zum Irrweg geworden – da auch hier keine Priorisierung gegenüber dem Großhandel erfolgt und viele Systeme schlicht leerlaufen. Selbst bei noch lieferbaren Alternativen hat sich die Lage zugespitzt: Die Nachfrage auf verbliebene Präparate verteilt sich so ungleichmäßig, dass neue Engpässe künstlich erzeugt werden. Ein Versorgungsversagen, das sich selbst verstärkt.
Zunehmend problematisch wird dabei nicht nur die medizinisch-pharmazeutische, sondern auch die rechtliche und versicherungstechnische Dimension der Unterversorgung. Apothekerinnen und Apotheker sehen sich gezwungen, ärztliche Rücksprachen zu führen, mögliche Alternativpräparate auf ihre Wirtschaftlichkeit und Austauschbarkeit zu prüfen, haftungsrechtliche Konsequenzen zu bedenken und gleichzeitig gegenüber Eltern und Patienten ein Bild der professionellen Handlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Der Preis dafür: immaterielle Belastung, wirtschaftliche Ineffizienz, wachsender Druck. Im Hintergrund droht bei anhaltender Dysfunktion auch eine politische Eskalation. Denn mit Methylphenidat steht kein Nischenprodukt im Feuer, sondern ein essenzieller Wirkstoff der Kinder- und Jugendpsychiatrie – und jeder weitere Tag der Nichtverfügbarkeit bedeutet konkret gefährdete Therapieverläufe, schulische Desintegration, familiäre Überlastung und medizinische Komplikationen.
Die Frage, warum ein so relevantes Standardpräparat derart flächendeckend und dauerhaft ausfällt, bleibt bislang unbeantwortet. Weder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) noch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) haben bislang strukturell wirksame Maßnahmen zur Sicherung der Verfügbarkeit eingeleitet. Apotheken wiederum sind gezwungen, eigene Versorgungsnetzwerke zu aktivieren, internationale Bezugswege zu prüfen, Parallelimporte abzufragen oder auf unvollständige Alternativen zu setzen – mit dem Risiko, gegen Lagerhaltungspflichten, Rabattvertragsbindungen oder Abgaberegeln zu verstoßen. Der gesamte Prozess ist zur Improvisationsleistung geworden, bei der niemand gewinnen kann. Selbstverständlich lässt sich unter diesen Bedingungen keine wirtschaftlich vertretbare Betriebsführung mehr realisieren. Denn der Aufwand pro Rezept steigt massiv, ohne dass zusätzliche Honorierung erfolgt, während das Risiko haftungsrelevanter Fehler zunimmt. Hier zeigt sich exemplarisch, wie die Gleichzeitigkeit aus Produktionsversagen, politischer Untätigkeit und fehlender Honorierungslogik die Leistungsfähigkeit von Apotheken ausbremst.
Der Fall Methylphenidat ist deshalb nicht bloß ein weiterer Eintrag in die Liste problematischer Lieferengpässe – er steht paradigmatisch für die Unfähigkeit des Systems, Arzneimittelsicherheit als steuerbaren Prozess zu verstehen. In Zeiten hochkomplexer Lieferketten, globalisierter Rohstoffströme und ökonomisch getriebener Produktionsverlagerungen müsste die Versorgung essenzieller Arzneimittel längst unter nationaler Aufsicht und strategischer Planung stehen. Stattdessen bleibt sie dem Zufall überlassen – und die Apotheken vor Ort werden zum Endlager des Versagens. Wer aus dieser Lage heraus nicht nur Versorgung sichern, sondern Vertrauen wiederherstellen will, muss mehr liefern als beruhigende Phrasen. Es braucht Transparenz zu Ursachen, Zeitplänen und Verantwortlichkeiten. Und es braucht eine politische Definition, was in einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem als unantastbar gelten muss – und was eben nicht. Methylphenidat wäre ein guter Anfang.
Neuer Wirkstoff, neue Hoffnung, neue Herausforderungen
Wie Resmetirom erstmals eine medikamentöse Perspektive bei MASH eröffnet, regulatorische Grenzen verschiebt und die Versorgungslücke in der Hepatologie schließt
Lange war MASH – die metabolismus-assoziierte Steatohepatitis – ein diagnostischer Befund ohne therapeutisches Ziel, ein klinisches Damoklesschwert, das sich langsam aber unerbittlich über Millionen von Patientinnen und Patienten senkte, ohne dass die Medizin mehr als Lebensstilappelle entgegensetzen konnte. Das ändert sich nun mit einem Paukenschlag: Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat die bedingte Zulassung für Resmetirom empfohlen – ein erster Durchbruch, der nicht nur medizinisch, sondern auch regulatorisch als historisch gilt. Der orale Wirkstoff zielt auf den Thyreoidhormonrezeptor-β (THR-β) in der Leber und moduliert dort gezielt den Lipidstoffwechsel, ohne systemische Hyperthyreoseeffekte hervorzurufen. Dieser Mechanismus erlaubt eine selektive Korrektur der gestörten Fettverarbeitung bei MASH – einer Erkrankung, die nach heutigem Stand potenziell zur Leberfibrose, Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom führen kann. Dass ausgerechnet ein Schilddrüsenrezeptoragonist hier neue Optionen eröffnet, unterstreicht die molekularbiologische Komplexität der Erkrankung – und markiert zugleich einen Paradigmenwechsel in der Pharmakotherapie chronischer Leberleiden.
Die Entscheidung der EMA basiert auf klinischen Daten, die eine deutliche Reduktion der Leberfettwerte und eine Besserung der histologischen Entzündungsparameter zeigen. In der Phase-3-Zulassungsstudie MAESTRO-NASH erfüllte Resmetirom zentrale Endpunkte – und dies in einem Krankheitsbild, das bislang nicht einmal offizielle Zulassungskriterien in Europa kannte. Die Zulassung ist daher konditional und an weitere Studien gekoppelt, die nicht nur die Langzeitwirksamkeit, sondern auch das kardiovaskuläre Sicherheitsprofil des Medikaments absichern sollen. Denn MASH-Patienten sind nicht selten multimorbide, oft übergewichtig, kardiometabolisch vorbelastet und medikamentös komplex behandelt. Hier liegt auch die Herausforderung für die Praxis: Wie lässt sich ein neuartiges Spezialpräparat wie Resmetirom so integrieren, dass es weder Interaktionen verstärkt noch Komorbiditäten destabilisiert? Diese Frage betrifft nicht nur die Hepatologie, sondern auch Diabetologen, Kardiologen und nicht zuletzt die Apothekenteams, die künftig auch bei einer bislang unversorgten Indikation pharmazeutisch beratend tätig werden müssen.
Die Zulassung von Resmetirom ist dabei nicht nur ein medizinischer Fortschritt, sondern auch ein Ausdruck regulatorischer Innovation. Dass die EMA eine bedingte Marktzulassung auf Basis von Surrogatparametern ausspricht, ist ein bewusster Schritt zur Versorgungsgerechtigkeit – aber auch ein juristisches Signal: Wo das Wissen über eine Erkrankung schneller wächst als die institutionellen Bewertungsmechanismen, darf die Therapie nicht länger auf den Stand von gestern warten. Die europäische Entscheidung schafft Präzedenz. Sie könnte mittelfristig den Weg ebnen für weitere zielgerichtete Therapien bei Lebererkrankungen, etwa bei nicht-alkoholischer Fettleber (NAFL) oder fibrotischen Subtypen ohne metabolische Ursache. Die USA sind in dieser Hinsicht bereits einen Schritt voraus: Dort ist Resmetirom unter dem Handelsnamen Rezdiffra bereits durch die FDA zugelassen. Dass Europa nun folgt – wenn auch mit Auflagen – signalisiert die zunehmende Bereitschaft, innovativen Therapien auch ohne hundertprozentige Langzeitdaten einen frühzeitigen Marktzugang zu gewähren.
Gleichzeitig ist diese Entwicklung eine Einladung zur Systemreflexion. Die MASH-Zulassung wird die Zahl der gesicherten Diagnosen steigen lassen, weil nun ein Therapieziel existiert. Das bedeutet auch: mehr ärztliche Verantwortung, mehr Koordination im interdisziplinären Setting und eine höhere Nachfrage nach nicht-invasiver Diagnostik, etwa durch Transientenelastografie oder Serum-Biomarkerprofile. Der Druck auf das Versorgungssystem wird steigen – aber im besten Fall auch die Qualität der hepatologischen Behandlung. Die Apotheke wird sich darauf einstellen müssen: mit Wissensvorsprung, mit Wechselwirkungsmanagement und mit dem Mut, bei einer bislang vernachlässigten Erkrankung pharmazeutisch Führungsstärke zu zeigen. Denn mit Resmetirom beginnt nicht nur eine neue Ära für MASH, sondern auch ein Test für die Integrationsfähigkeit innovativer Medikamente in ein Versorgungssystem, das auf holistische Betreuung und belastbare Schnittstellen angewiesen ist.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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