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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
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GERICHTSURTEIL
In einem aktuell veröffentlichten Urteil hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage befasst, ob der FSA-Kodex "Fachkreise" für die Zusammenarbeit der pharmazeutischen Industrie mit Ärzten, Apothekern und Angehörigen der Fachkreise des Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. einen Wettbewerbsverstoß darstellt (BGH, I ZR 157/08). Dies hatte das OLG München angenommen, der BGH erteilt dieser Ansicht jetzt jedoch eine Absage.
Der Fall:
Die Beklagte, die nicht Mitglied des Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. ist, stellt her und vertreibt generische Arzneimittel. Sie bot im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 24. November 2007 unter dem Titel "Arzt-Seminare 2007" jeweils etwa drei-stündige, für die Teilnehmer kostenlose Veranstaltungen zu gebührenrechtlichen Fragen an, die sich an Ärzte und deren mit der Gebührenabrechnung befasste Mitarbeiter richteten.
Der Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. hielt dieses Verhalten für wettbewerbswidrig. Es stehe insbesondere in Widerspruch zu dem von ihr beschlossenen "FS Arzneimittelindustrie-Kodex" (im Folgenden: FSA-Kodex). Dieser Kodex sehe in § 21 Abs. 2 unter der Überschrift "Geschenke" vor, dass im Rahmen einer nicht produktbezogenen Werbung Geschenke nur zu besonderen Anlässen (z.B. Praxiseröffnung, Jubiläen) gewährt werden dürften, wenn sie sich in einem sozialadäquaten Rahmen hielten und zur Verwendung in der beruflichen Praxis bestimmt seien. Dies aber sei vorliegend nicht der Fall. Sie nahm die Beklagte daraufhin auf Unterlassung in Anspruch.
Die Entscheidung:
Das OLG München hatte dem Kläger noch Recht gegeben und die Beklagte wegen Verstoßes gegen die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG zur Unterlassung verurteilt. Nach Ansicht der Münchener Richter war die beanstandete Bewerbung unentgeltlicher Fortbildungsveranstaltungen zum Gebührenrecht unlauter im Sinne von § 3 UWG. Bei der Würdigung des angegriffenen Verhaltens der Beklagten sei dem festgestellten Kodexverstoß eine indizielle Bedeutung für die Frage beizumessen, was in den einschlägigen Verkehrskreisen als lauter oder unlauter angesehen werde.
Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Nach Ansicht des I. Zivilsenats kommt ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG nur in Betracht, wenn das betreffende Verhalten von seinem Unlauterkeitsgehalt her den in den Beispielsfällen der §§ 4 ff. UWG geregelten Verhaltensweisen entspricht (BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 176/06, GRUR 2009, 1080 Rn. 12 = WRP 2009, 1369 - Auskunft der IHK). Dies aber war vorliegend nicht der Fall bzw. hatte das OLG München nicht geprüft.
Die rechtlichen Anforderungen an eine unmittelbare Anwendung der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG genügt die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung nicht. Sie stellt lediglich darauf ab, dass dem festgestellten Verstoß gegen § 21 des FSA-Kodexes der Klägerin eine indizielle Bedeutung für die Frage beizumessen sei, welche Verhaltensweisen in der betreffenden Branche bzw. von den einschlägigen Verkehrskreisen als lauter oder unlauter angesehen werde. Damit kann eine Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG nicht begründet werden.
Für die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als unlauter im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG zu beurteilen ist, haben Regeln, die sich ein Verband oder ein sonstiger Zusammenschluss von Verkehrsbeteiligten gegeben hat, nur eine begrenzte Bedeutung. Ihnen kann zwar unter Umständen entnommen werden, ob innerhalb der in Rede stehenden Verkehrskreise eine bestimmte tatsächliche Übung herrscht. Aus dem Bestehen einer tatsächlichen Übung folgt aber noch nicht, dass ein von dieser Übung abweichendes Verhalten ohne weiteres als unlauter anzusehen ist. Der Wettbewerb würde in bedenklicher Weise beschränkt, wenn das Übliche zur Norm erhoben würde. Regelwerken von (Wettbewerbs-)Verbänden kann daher allenfalls eine indizielle Bedeutung für die Frage der Unlauterkeit zukommen, die aber eine abschließende Beurteilung anhand der sich aus den Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ergebenden Wertungen nicht ersetzen kann (BGH, Urteil vom 7. Februar 2006 - KZR 33/04, BGHZ 166, 154 Rn. 19 - Probe-abonnement).
Eine an den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ausgerichtete Bestimmung der Unlauterkeit ist zudem deshalb geboten, weil es verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde, wenn zur Ausfüllung der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel des § 3 UWG Wettbewerbsregeln oder andere Regelwerke herangezogen würden, denen keine Gesetzesqualität zukommt (BGHZ 166, 154 Rn. 21 - Probeabonnement). Im Übrigen kommt auch die Annahme einer (lediglich) indiziellen Bedeutung eines Verstoßes gegen selbst gesetzte Regeln eines Verbands für die Frage der Unlauterkeit nur dann in Betracht, wenn sich die aus dem festgestellten Kodexverstoß abgeleitete Regelwidrigkeit des betreffenden Verhaltens gerade auch als eine wettbewerbsbezogene, d.h. von den Schutzzwecken des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (vgl. § 1 UWG) erfasste Unzulässigkeit erweist. Denn es ist nicht Aufgabe des Lauterkeitsrechts, alle nur denkbaren Regelverstöße im Zusammenhang mit geschäftlichen Handlungen auch lauterkeitsrechtlich zu sanktionieren (vgl. BGH, GRUR 2010, 654 Rn. 25 - Zweckbetrieb).
Auch nach Umsetzung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken sind Verstöße gegen einen Verhaltenskodex, zu dem sich Verkehrsbeteiligte verpflichtet haben (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG 2008), oder Verstöße gegen die fachliche Sorgfalt (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG 2008) nicht bereits als solche unlauter. Auch die Richtlinie zieht diesen Schluss nicht, sondern sieht nur bestimmte Fälle des Nichteinhaltens von Verhaltenskodizes als unlauter an.
Das Berufungsgericht durfte sich bei seiner Beurteilung daher nicht darauf beschränken, dem Verstoß gegen den Kodex der Klägerin sei eine indizielle Bedeutung für die Frage der Unlauterkeit des beanstandeten Verhaltens der Beklagten beizumessen. Mit der nach den vorstehenden Ausführungen gebotenen Prüfung, ob der Verstoß von seinem Unlauterkeitsgehalt her den gesetzlichen Unlauterkeitstatbeständen entspricht, hat es sich dagegen nicht befasst. Insbesondere hat es offengelassen, ob durch das Angebot der unentgeltlichen Teilnahme an den gebührenrechtlichen Seminaren - unter Berücksichtigung einer damit verbundenen geldwerten Zuwendung sowie des von der Beklagten angeführten besonderen Anlasses einer mit der Gesundheitsreform verbundenen Umstellung der Abrechnungspraxis und vergleichbarer kostenfrei-er Angebote der Kassenärztlichen Vereinigung - ein unangemessener unsachlicher Einfluss im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG auf die angesprochenen Teilnehmer ausgeübt worden ist.
Die Wertungen des BGH sind zu begrüßen und folgerichtig. Auch wenn der FSA-Kodex zweifelsohne hehre Ziele verfolgt, handelt es sich hierbei (nur) um Verhaltensanforderungen, einer Privatorganisation, denen nicht ohne weiteres Gesetzeskraft zuerkannt werden kann. Dies gilt vor allem deshalb, weil zahlreiche Pharmaunternehmen nicht oder nicht mehr Mitglied des Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. sind und auch aus diesem Grunde die Annahme des OLG München, dass dem FSA-Kodex eine indizielle Bedeutung für die Frage beizumessen, was in den einschlägigen Verkehrskreisen als lauter oder unlauter angesehen werde, fraglich erscheint.
Mit dem Urteil der Karlsruher Richter ist das Geschäftsmodell freilich nicht als rechtmäßig beurteilt worden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine Beurteilung unter Maßgabe der Bestimmungen des HWG und/oder des § 4 Nr. 1 UWG zu einem ähnlichen Ergebnis führen wird. Betrachtet man in diesem Zusammenhang vor allem die jüngste BGH-Rechtsprechung, erscheint die Zulässigkeit der kostenlosen Seminarteilnahme jedenfalls nicht sicher. So hat der BGH eine Werbegabe (an Patienten) im Wert von € 5,00 schon als zur Beeinflussung geeignet angesehen. Das hier ausgelobte Seminar dürfte wertmäßig ungleich höher zu taxieren sein.
Dr. Robert Kazemi
Kazemi
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