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Steuer & Recht | Gesetzliche Krankenversicherung
Der 9. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat am 11. Oktober 2017 eine Grundsatzentscheidung zu Kosten der medizinischen Fußpflege getroffen (Az. L 9 KR 299/16).
Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die gesetzlich krankenversicherte Klägerin leidet im Bereich der linken Großzehe unter einem chronifiziert eingewachsenen Zehennagel. Medizinisch notwendig ist in diesem Fall die Behandlung mit einer individuell gefertigten Nagelkorrekturspange; hierbei handelt es sich um einen aus Draht oder Kunststoff konstruierten Bügel mit Haken und Ösen, der unter dem freien Nagelrand angebracht wird und in längerer Prozedur den Nagel in seine ursprüngliche Form heben soll; nach Anlegen der Spange muss ihr Sitz wiederholt angepasst werden. Die Klägerin fand keinen Arzt, der diese Behandlung erbringen konnte oder wollte. Weder die beklagte Krankenkasse noch die zum Verfahren beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Berlin konnten einen ärztlichen Leistungserbringer benennen. Daraufhin begab die Klägerin sich in die Behandlung einer medizinischen Fußpflegerin (Podologin), die die Nagelkorrekturspange anlegte und ihren Sitz laufend regulierte.
Eine Erstattung der Kosten für die medizinische Fußpflege lehnte die beklagte Krankenkasse ab. Weil es sich um eine ärztliche Behandlung handele, fielen die Kosten der medizinischen Fußpflege nicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Last. Anders sei dies nur im Falle des hier nicht vorliegenden diabetischen Fußsyndroms.
Schon das Sozialgericht Berlin gab der Klage der Versicherten statt und verpflichtete die Krankenkasse zur Kostenerstattung. Die hiergegen von der Krankenkasse erhobene Berufung wurde vom Landessozialgericht mit folgender Begründung zurückgewiesen:
Anspruch auf Versorgung mit Leistungen der medizinischen Fußpflege bestehe nach geltendem Recht grundsätzlich nur beim diabetischen Fußsyndrom. Bei der Behandlung eingewachsener Zehennägel einschließlich des Anlegens einer Finger- oder Zehennagelspange handele es sich dagegen nach den einschlägigen Regelungen des Krankenversicherungsrechts um eine ärztliche Leistung. Dass die Nagelspangenbehandlung für die Klägerin nicht als ärztliche Leistung zu erhalten gewesen sei, begründe einen Systemmangel. Dieser erlaube ausnahmsweise die Inanspruchnahme eines nichtärztlichen Leistungserbringers, hier des Podologen. An der fachlichen Qualifikation von Podologen bestehe insoweit kein Zweifel. Die Berufsbezeichnung „Podologe“ dürfe nämlich nur führen, wer eine inhaltlich genau vorgeschriebene Ausbildung in medizinischer Fußpflege sowie eine staatliche Prüfung absolviert habe. Zum Ausbildungsprogramm gehöre gerade auch die Nagelspangenbehandlung. Staatlich geprüfte Podologen seien daher in besonderem Maße fachlich qualifiziert, die von Gesetzes wegen als ärztliche Leistung beschriebene Nagelspangenbehandlung sachkundig auszuüben.
Die ohne mündliche Verhandlung ergangene Entscheidung wurde Ende Oktober 2017 an die Beteiligten zugestellt und ist als Anhang zu dieser Pressemitteilung auf der Internetseite des Landessozialgerichts veröffentlicht.
Der amtliche Leitsatz der Entscheidung des 9. Senats lautet:
„Die Nagelspangenbehandlung ist eine ärztliche Leistung. Steht im Einzelfall fest, dass die Behandlung medizinisch notwendig ist und dass kein Arzt die Leistung erbringen will, liegt ein Systemmangel vor. Der Versicherte darf die Leistung dann von einem staatlich geprüften Podologen erbringen lassen und kann von der gesetzlichen Krankenkasse Kostenerstattung beanspruchen.“
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Gericht die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil L 9 KR 299/16 vom 11.10.2017
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