• 07.04.2012 – SG Berlin: Anti-Schnarch-Schiene auf Kasse?

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SG Berlin: Anti-Schnarch-Schiene auf Kasse?

 

In seiner Entscheidung vom 04.01.2012 hat sich das Sozialgericht (SG) Berlin (S 112 KR 766/09) mit der Frage befasst, ob eine individuell gefertigte Unterkieferprotrusionsschiene (UKPS) zur Therapie schlafbezogener Atmungsstörungen in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fällt.

Der Fall

In dem vom SG Berlin entschiedenen Fall begab sich eine Patientin, die an schlafbezogenen Atmungsstörungen mit vorübergehendem Atmungsstillstand litt, zu einer dreitägigen stationären Betreuung in ein schlafmedizinisches Zentrum, wobei ihr die Anpassung einer UKPS empfohlen wurde. Im Juli 2008 beantragte die Patientin unter Beifügung eines Heil- und Kostenplans eines Fachzahnarztes für Kieferorthopädie die Übernahme der Kosten für die Anfertigung der Schiene. Seitens der Krankenkasse wurde der Antrag auf Kostenübernahme mit der Begründung abgelehnt, dass Gebissschienen nicht mehr zum Leistungsumfang der GKV gehören, worauf die Patientin nach erfolglosen Widerspruchsverfahren Klage vor dem SG Berlin erhob. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass bei ihr nur eine leichte Form der Schlafstörung vorhanden sei, die besonders gut mit der UKPS zu behandeln sei. Die Protrusionstherapie greife weniger massiv in die Lebensqualität ein als das Tragen der Nasenmaske bei der Behandlung durch eine nasale kontinuierliche Positivdruckatmung (nCPAP). Hiergegen wandte die Kasse ein, dass eine vom MDK des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) im Mai 2008 vorgenommene Methodenbewertung ergebe, dass die Therapie der obstruktiven Schlafapnoe durch nCPAP einer Protrusionstherapie in jeder Konstellation überlegen sei.

Die Entscheidung

Das SG Berlin billigte dem Patienten keine Kostenübernahme für eine Protrusionstherapie zu. Bei der UKPS handele es sich ohne Zweifel um ein Hilfsmittel, das in der Rechtsverordnung nach § 34 Abs. 4 S. 1 SGB V nicht als ein Hilfsmittel bestimmt worden sei, dessen Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Gleichwohl bestünde für die UKPS keine Leistungspflicht der GKV, da es an einem positiven Votum des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum therapeutischen Nutzen dieses Nichtbeatmungsverfahrens fehle. In der GKV sei der Anspruch auf Krankenbehandlung auf solche Leistungen beschränkt, die nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bieten. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) müsste es dazu „grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in eine für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sei". Diese Feststellung obliege im Bereich ärztlicher Behandlungen grundsätzlich dem G-BA im Verfahren nach § 135 Abs. 1 SGB V. Hiernach sei eine Therapie bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur dann von der Leistungspflicht der GKV umfasst, wenn der G-BA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung für den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode und die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie die dabei zu beachtenden apparativen Anforderungen abgegeben habe.

Die Krankenkasse habe den Patienten auch nicht ausnahmsweise ohne positive Empfehlung des G-BA mit einer UKPS zu versorgen. In der Rechtsprechung des BSG sei anerkannt, dass die Sperrwirkung einer fehlenden positiven Empfehlung des G-BA unter besonders gelagerten Voraussetzungen unbeachtlich sein könne (Urteil des BSG vom 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R). Dies könne jedoch nur bei notstandsähnlichen (Krankheits-)Situationen mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit oder einer zumindest bewertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung angenommen werden.

Bewertung:

Die Entscheidung zeigt eindrucksvoll, die Position des G-BA hinsichtlich der Einbeziehung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog der GKV. Aus der Entscheidung folgt, dass die Unterkieferprotrusionsschiene nicht zum Leistungsumfang der GKV gehört, sondern privat mit dem Patienten zu vereinbaren ist. Das Sozialgericht nimmt vorliegend einen formalen Standpunkt ein, in dem es auf die Position des G-BA abstellt. Ob die nasale kontinuierliche Positivdruckatmung (nCPAP) der Protrusionstherapie in dem konkreten Fall tatsächlich vorzuziehen war, ist dem Urteil nicht zu entnehmen.

RA Michael Lennartz

 

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