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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Steuer & Recht
Der u. a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 24.01.2013 vier Fragen zur
Neuregelung des Glücksspielrechts vorgelegt.
Die Beklagte bietet im Internet Glücksspiele und Sportwetten an. Die Klägerin,
die staatliche Lottogesellschaft von Nordrhein-Westfalen, hält dieses Angebot
für wettbewerbswidrig. Ihre Unterlassungsklage hatte in beiden Vorinstanzen
Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die
Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Nach der Rechtsprechung des BGH handelte die Beklagte bis zum 31. Dezember 2011
wettbewerbswidrig, weil sie gegen die Vertriebs- und Werbeverbote für
Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag
2008 (GlüStV 2008) verstieß (vgl. BGH, Urt. v. 28.09.2011 - I ZR 92/09, GRUR
2012, 193 - Sportwetten im Internet II). Nach Rechtsänderungen stellt sich aber
die Frage, ob das deutsche Glücksspielrecht noch mit dem Recht der Europäischen
Union vereinbar ist. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren deshalb ausgesetzt
und dem EuGH Fragen zur unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit (Art. 56
AEUV) vorgelegt.
Seit 1. Januar 2012 gilt in Schleswig-Holstein ein liberalisiertes
Glücksspielrecht. Danach sind Vertrieb und Werbung für Glücksspiele im Internet
grundsätzlich zulässig; unter bestimmten objektiven Voraussetzungen ist die
Genehmigung für den Vertrieb öffentlicher Wetten jedem Antragsteller aus der EU
zu erteilen.
In den übrigen Bundesländern gilt dagegen inzwischen ein neuer
Glücksspielstaatsvertrag (1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag GlüStV 2012).
Der GlüStV 2012 enthält weiterhin Vertriebs- und Werbeverbote für Glücksspiel
im Internet. Zwar kann die Verwendung des Internets zu diesen Zwecken unter
bestimmten Voraussetzungen nunmehr erlaubt werden. Auf die Erlaubniserteilung
besteht aber kein Rechtsanspruch. Damit unterscheidet sich die Rechtslage im
übrigen Bundesgebiet wesentlich von der Schleswig-Holsteins.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Beschränkungen der Glücksspieltätigkeit
nur dann mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, wenn ihre Eignung, legitime
Allgemeininteressen zu verfolgen, nicht durch Ausnahmen und Einschränkungen
beseitigt wird (Kohärenzgebot). Die Liberalisierung von Internetvertrieb und
-werbung für Glücksspiele in Schleswig-Holstein könnte die Eignung der
entsprechenden Verbote in den anderen Bundesländern zur Erreichung der mit dem
Glücksspielstaatsvertrag 2012 verfolgten legitimen Allgemeininteressen
erheblich beeinträchtigen. Das könnte möglicherweise dazu führen, dass die
Vertriebs- und Werbebeschränkungen im Internet für Glücksspiele in den anderen
Bundesländern wegen Verstoßes gegen Unionsrecht unanwendbar sind.
Mit der ersten Frage des Vorabentscheidungsersuchens möchte der
Bundesgerichtshof wissen, ob eine Verletzung des unionsrechtlichen
Kohärenzgebots wegen der unterschiedlichen Rechtslage in Schleswig-Holstein
gegenüber dem übrigen Bundesgebiet schon deshalb ausscheidet, weil die Regelung
des Glücksspielwesens in die Gesetzeskompetenz der Länder fällt und die
Möglichkeit unterschiedlicher Regelungen in den Bundesländern daher eine Folge
der bundesstaatlichen Verfassung Deutschlands ist. In der zweiten Frage geht es
darum, ob die Antwort auf die erste Frage davon abhängt, in welchem Maß die
unterschiedliche Rechtslage die Wirksamkeit der im übrigen Bundesgebiet
geltenden Beschränkungen des Glücksspiels beeinträchtigt.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshof sprechen insbesondere die Grundsätze der
loyalen Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten sowie der
Verhältnismäßigkeit dafür, in der bundesstaatlichen Ordnung begründete
unterschiedliche Regelungen innerhalb eines Mitgliedstaats nicht als
inkohärente Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit anzusehen, soweit sie in
der EU nicht harmonisierte Sektoren wie das Glücksspiel betreffen. Jedenfalls
sollte es aber nicht zu einer Inkohärenz der im übrigen Bundesgebiet geltenden
Beschränkungen führen, wenn ihre Eignung durch eine liberalere Regelung in
einem einzelnen kleineren Bundesland nur unerheblich beeinträchtigt wird.
Da die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein beabsichtigt, dem GlüStV 2012
beizutreten, hat der Bundesgerichtshof den EuGH für den Fall, dass ein solcher
Beitritt bis zur Entscheidung des EuGH erfolgt ist, um die Beantwortung der
dritten Vorlagefrage gebeten: Mit ihr soll geklärt werden, ob eine
möglicherweise bestehende unionsrechtliche Inkohärenz dadurch beseitigt wird,
dass Schleswig-Holstein die im übrigen Bundesgebiet geltenden Beschränkungen
des Glücksspiels übernimmt, auch wenn die großzügigeren Regelungen in diesem
Bundesland für dort bereits erteilte Konzessionen noch während einer
mehrjährigen Übergangszeit fortgelten, weil sie nicht oder nur gegen hohe
Entschädigungen widerrufen werden können. Auch hier möchte der Bundesgerichtshof
- dies ist die vierte Frage - wissen, ob es für die Antwort darauf ankommt, ob
während der Übergangszeit die Wirksamkeit der im übrigen Bundesgebiet geltenden
Beschränkungen des Glücksspiels aufgehoben oder erheblich beeinträchtigt wird.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshof sollte es mit dem Unionsrecht vereinbar
sein, wenn zulässige Regelungen für den Glücksspielbereich, auf die sich die
Länder eines Bundesstaates geeinigt haben, in einem Bundesland erst nach einer
mehrjährigen Übergangszeit in Kraft gesetzt werden, auch wenn die Wirksamkeit
dieser Regelungen im übrigen Bundesgebiet in der Zwischenzeit beeinträchtigt
wird. Jedenfalls sollte dies gelten, wenn die Beeinträchtigung nur unerheblich
ist.
Folgender Beschluss wurde verkündet:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung des Art.
56 AEUV folgende Fragen vorgelegt:
BGH, Beschluss I ZR 171/10 vom 24.01.2013
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