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Steuern & Recht
Nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission soll es für eigentlich rentable Unternehmen, die von der Wirtschaftskrise überrollt wurden, einen Rettungsanker in Form einer zweiten Chance geben. So sieht es ein neuer Vorschlag zur Aktualisierung der für grenzüberschreitende Unternehmensinsolvenzen geltenden Bestimmungen vor, den die Kommission am 12.12.2012 vorgelegt hat. Die alte Regelung stammt aus dem Jahre 2000. Die neue Regelung, die auf zehn Jahren praktischer Erfahrung mit der alten Verordnung aufbauen kann, verschiebt den Blickwinkel weg von der Liquidation hin zu einem neuen Ansatz, der Unternehmen bei der Überwindung ihrer finanziellen Schwierigkeiten helfen soll, ohne dass die Gläubiger auf ihr Geld verzichten müssen.
Die überarbeitete Verordnung würde die Effizienz und Effektivität von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren steigern. Davon sind in der EU jährlich schätzungsweise 50.000 Unternehmen betroffen. Damit erfolgt ein erster Schritt hin zu einer EU-Rettungs- und Sanierungskultur für Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten. Die Kommission erläutert ihre Vorstellungen ausführlicher in einer gleichzeitig mit dem heutigen Vorschlag angenommenen Mitteilung. Darin geht sie auf diejenigen Aspekte des Insolvenzrechts der Mitgliedstaaten ein, die am ehesten dazu angetan sind, "unternehmensfeindliche Rahmenbedingungen" zu schaffen und die Entwicklung eines wirksamen Rechtsrahmens für Insolvenzverfahren im Binnenmarkt zu behindern.
"Von den Unternehmen hängt ein Großteil unseres Wohlstands und der Arbeitsplätze ab, doch ein Unternehmen zu gründen und es am Laufen zu halten ist ein hartes Stück Arbeit, vor allem unter den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen", erklärte Kommissionsvizepräsidentin und EU-Justizkommissarin Viviane Reding. "Unser aktuelles Insolvenzrecht muss überarbeitet werden, damit rentable Unternehmen in finanziellen Nöten, anstatt unterzugehen, das rettende Ufer erreichen können. 1,7 Millionen Arbeitsplätze gehen jedes Jahr durch Insolvenzen verloren - wir wollen redlichen Unternehmern und den Menschen, die sie beschäftigen, eine zweite Chance geben."
Vizepräsident Antonio Tajani, Kommissar für Industrie und Unternehmertum, fügte hinzu: "Untersuchungen zeigen, dass Unternehmer im zweiten Anlauf meistens erfolgreicher sind und länger überleben als der Durchschnitt der Neugründungen; sie wachsen schneller und beschäftigen daher auch mehr Mitarbeiter. Deshalb sollte ein Scheitern keine "lebenslange Strafe" bedeuten und nicht jede weitere unternehmerische Tätigkeit zunichte machen, sondern als Chance gesehen werden, um dazuzulernen und es besser zu machen - ein Aspekt, den wir heute bereits als Grundlage jeden Fortschritts in der wissenschaftlichen Forschung zweifelsfrei anerkennen."
Insolvenzen gehören zum Leben in einer modernen, dynamischen Wirtschaft dazu. Rund die Hälfte aller Unternehmen muss vor Ablauf von fünf Jahren aufgeben, und im Schnitt gehen in der EU jährlich etwa 200.000 Unternehmen in Konkurs. Das bedeutet, dass täglich rund 600 Firmen in der EU bankrottgehen. Ein Viertel dieser Konkurse haben eine länderübergreifende Dimension. Es spricht jedoch Einiges dafür, dass gescheiterte Unternehmer durchaus aus ihren Fehlern lernen und im Allgemeinen im zweiten Anlauf mehr Erfolg haben. Bis zu 18 % aller erfolgreichen Unternehmer sind mit ihrem ersten Unternehmen gescheitert. Deshalb bedarf es moderner Gesetze und effizienter Verfahren, um Unternehmen mit genügend wirtschaftlicher Substanz bei der Bewältigung ihrer finanziellen Schwierigkeiten zu helfen und ihnen eine "zweite Chance" zu geben.
Mit der Änderung der EU-Insolvenzverordnung wird eine Modernisierung der geltenden Vorschriften angestrebt, die die Restrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten fördern und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen soll. Die aus dem Jahre 2000 stammende Verordnung soll an die Entwicklungen, die sich seither im Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten, vor allem in Bezug auf hoch verschuldete Firmen, vollzogen haben, angepasst werden. Auch die Gläubiger können Interesse an einer Umstrukturierung haben, weil sie so unter Umständen größere Chancen haben, doch noch zu ihrem Geld zu kommen, das im Falle einer Liquidation ansonsten verloren wäre.
Klare Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit sowie zur Zusammenarbeit der beteiligten Gerichte für den Fall, dass gegen den Schuldner Insolvenzverfahren in mehreren Mitgliedstaaten eröffnet wurden, sorgen für mehr Rechtssicherheit. Die Information der Gläubiger wird dadurch verbessert, dass die Mitgliedstaaten wichtige Beschlüsse - zum Beispiel über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens - veröffentlichen müssen. Alles in Allem würden die Neuerungen die Effizienz und Effektivität grenzüberschreitender Insolvenzverfahren steigern.
Der Vorschlag soll auch einen ersten Schritt hin zu einer allgemeineren "EU-Rettungs- und Sanierungskultur" für Unternehmen und Privatpersonen in finanziellen Schwierigkeiten darstellen. Die Herausforderung besteht darin, die finanziellen Probleme des Schuldners zu lösen und dabei gleichzeitig die Interessen der Gläubiger zu schützen. Künftig könnte es getrennte Vorschriften für redliche Unternehmer und für solche geben, die den Konkurs in betrügerischer Absicht oder fahrlässig herbeigeführt haben. Im Falle "redlicher" Insolvenzen würde eine kürzere Frist bis zur Schuldbefreiung und zur Aufhebung insolvenzbedingter rechtlicher Beschränkungen dafür sorgen, dass ein Unternehmer nicht lebenslang für seinen Bankrott büßen muss.
Der Änderungsvorschlag wir jetzt an das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union zur Erörterung und Annahme weitergeleitet.
Hintergrund
Das europäische Insolvenzrecht ist in der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren ("Insolvenzverordnung") niedergelegt, die seit dem 31. Mai 2002 in Kraft ist. Die Verordnung enthält Regeln zur Zuständigkeit, zur Anerkennung von Entscheidungen und zum anwendbaren Recht sowie zur Koordinierung von in mehreren Mitgliedstaaten eröffneten Insolvenzverfahren. Sie gilt immer dann, wenn Vermögenswerte oder Gläubiger eines Schuldners in mehr als einem Mitgliedstaat anzutreffen sind.
Am 30. März 2012 leitete die Kommission eine öffentliche Anhörung zur Modernisierung der EU-Vorschriften über Insolvenzen ein. Kleine und große Unternehmen, Selbständige, Insolvenzverwalter, Gerichte, staatliche Stellen, Gläubiger, Wissenschaftler und die Allgemeinheit waren aufgerufen, der Kommission ihre Erfahrungen mit Insolvenzverfahren - insbesondere solchen mit Auslandsbezug - mitzuteilen.
Quelle: EU-Kommission
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