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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
INTERVIEW BAH
Berlin - Das Geschäft mit
OTC-Arzneimitteln ist in diesem Jahr erneut zurück gegangen. Seit dem
Ausschluss aus dem GKV-Leistungskatalog im Jahr 2004 schrumpft der Markt
kontinuierlich. Als Ursache sehen die Hersteller vor allem das
schlechte Image der rezeptfreien Arzneimittel. Dr. Uwe May,
Abteilungsleiter für Selbstmedikation beim Bundesverband der
Arzneimittel-Hersteller (BAH), erklärt im Interview mit APOTHEKE ADHOC,
warum Switches nicht immer erfolgreich sind und wie die Krankenkassen
helfen könnten.
ADHOC: Wie könnten Krankenkassen die Selbstmedikation fördern?
MAY: Ein Konzept zur Förderung der Selbstmedikation kann zum Beispiel
ein so genanntes Selbstmedikations-Budget sein. Das heißt, Verbraucher
können bestimmte Ausgaben, die sie im Bereich der Selbstmedikaton haben,
erstattet bekommen, weil sie mit ihrem Verhalten insgesamt der
Solidargemeinschaft Kosten ersparen.
ADHOC: Wieso sollen Kassen das finanzieren?
MAY: Wenn ein Patient Selbstmedikation betreibt, kontaktiert er keinen
Arzt, was natürlich mit hohen Kosten verbunden ist. Die
Medikamentenkosten erspart er seiner Kasse auch. Die Idee eines
Selbstmedikationsbudgets bedeutet schlicht, dass er dafür auch honoriert
wird und die Kosten nicht komplett allein zu tragen hat.
ADHOC: Sind OTC-Switches die Lösung?
MAY: Wir haben in Deutschland im internationalen Vergleich schon ein
sehr weites Feld von Arzneimitteln, die in der Selbstmedikation zugängig
sind. Daher kommen nur noch wenige Felder zusätzlich in Frage. Es gibt
visionäre Vorstellungen, dass eines Tages vielleicht sogar Antibiotika
in bestimmten Bereichen oder auch Statine ohne ärztliches Rezept
käuflich sein könnten.
ADHOC: Wie erfolgreich waren die letzten Switches?
MAY: Die jüngeren Switches waren nicht immer so erfolgreich, wie sich
das die Hersteller erhofft hatten. In der Vergangenheit haben wir da
bessere Erfahrungen gemacht. Man musste jetzt erkennen, dass die
Spielregeln, die für den gesamten rezeptfreien Markt gelten, auch bei
einem Switch nicht automatisch ausgehebelt sind. Auch hier muss man erst
einmal Käufer und einen Markt finden.
ADHOC: Was macht einen erfolgreichen Switch aus?
MAY: Der Verbraucher muss überzeugt sein vom Nutzen, das heißt er muss
die Produkte entsprechend kommuniziert bekommen, nicht zuletzt auch vom
Apotheker und vom Arzt. Für die Hersteller sind sehr hohe Investitionen
erforderlich, denn sie müssen Verbraucher in der Breite ansprechen,
während sie früher ihr Marketing auf den Arzt beschränken konnten.
Insofern ist eine Entlassung ökonomisch betrachtet durchaus
problematisch.
ADHOC: Welche Rolle spielen die Apotheken?
MAY: Die Apotheken sind natürlich im Bereich Selbstmedikation die
professionellen Ansprechpartner, die am besten und auch am
vertrauenswürdigsten in der Lage wären, den Nutzen von rezeptfreien
Arznemitteln zu kommunizieren und den Verbrauchern diese näher zu
bringen und gegebenenfalls auch Vorurteile abzubauen. Das erhoffen wir
uns von den Apothekern sehr stark.
ADHOC: Wo steht der OTC-Markt?
MAY: Der OTC-Markt steht tatsächlich, er stagniert. Das hatte man nicht
erwartet, nachdem es 2004 zu einem Erstattungsausschluss rezeptfreier
Präparate kam. Die Selbstmedikation hat dadurch keine wesentlichen
Wachstumsimpulse erhalten.
ADHOC: Wie stark sind die Verluste?
MAY: Nach dem Ausschluss aus der Erstattung wurden ungefähr 100
Millionen Packungen pro Jahr in Deutschland nicht mehr gekauft, die
früher von Ärzten verordnet wurden.
ADHOC: Was sind die Ursachen?
MAY: Im wesentlichen haben wir ein gewisses Imageproblem. Die Menschen
haben den Erstattungsausschluss gleichgesetzt mit einer Abwertung der
Präparate. Daraus ist eine Stigmatisierung der Präparate hervorgegangen.
Man glaubt nicht an den Nutzen und die Wirksamkeit von Arzneimitteln,
die nicht ärztlich verordnet werden beziehungsweise verordnet werden
dürfen.
ADHOC: Schadet die Nutzendiskussion der Selbstmedikation?
MAY: Ich denke, dass die Diskussion um die Nutzenbewertung von
erstattungsfähigen Arzneimitteln der Selbstmedikation förderlich sein
kann, weil sie deutlich macht, dass wir uns nun dem Thema Rationierung
und Priorisierung annähern. Wenn eine Vollversorgung auf höchsten Niveau
nicht mehr gegeben ist, wird auch mehr Eigenverantwortung gefordert.
Désirée Kietzmann, Donnerstag, 09. Dezember 2010, 15:12 Uhr
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