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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
VIDEO-INTERVIEW AOK
Berlin - AOK-Rabattchef Dr.
Christopher Hermann sieht seine Felle davon schwimmen: 700 Millionen
Euro wollte er im kommenden Jahr mit „seinen" Rabattverträgen sparen.
Doch durch die geplanten Reformen bangt er um die Rabatte. Mit APOTHEKE
ADHOC sprach Hermann über die Mehrkostenregelung, den Aufwand der
Apotheken und warum er die Rabattverträge so persönlich nimmt.
ADHOC: Wie zufrieden sind Sie mit den Rabattverträgen?
HERMANN: Probleme bei der Umsetzungsquote gibt es, sobald es
Unklarheiten gibt bei den Indikationen und Packungsgrößen. Aber
grundsätzlich sind wir zufrieden. Wir sehen die Probleme in der
praktischen Umsetzung, die der Gesetzgeber - Gott sei Dank - angeht,
und dann werden sich die Quoten noch entsprechend anders gestalten.
Aber unter den heutigen Umständen ist das der Erfolg, den wir wollten.
Den haben natürlich auch die Apotheker ganz wesentlich - positiv
gemeint - mit verursacht.
ADHOC: Was halten Sie von der Mehrkostenregelung?
HERMANN: Die Mehrkostenregelung ist praktisch nicht durchführbar. Wir
haben aktuell mehr als 1800 PZN unter Vertrag. Dazu kommen geschätzt
25.000 Arzneimittel, die austauschfähig sind zu diesen PZN. Wie das in
der Apotheken-Software überhaupt abgebildet werden soll, mit
zweiwöchentlich wechselnden Preisen, das steht für mich völlig
außerhalb jeder Vorstellungsmöglichkeit.
ADHOC: Werden die Hersteller das ausnutzen?
HERMANN: Dass Firmen, die bei einer Ausschreibung nicht zum Zug kommen,
andere Wege finden werden, um am Markt hohe Präsenz zu haben, kann man
sich an fünf Fingern abzählen. Das gilt umso mehr für hochpreisige
Arzneimitteln, bei denen es um dreistellige Beträge pro Packung geht.
Wie das dann im Einzelnen läuft, weiß heute niemand. Aber wir werfen
dem Gesetzgeber vor, dass hier falsche Anreize gesetzt werden.
ADHOC: Kann eine Kostenerstattung funktionieren?
HERMANN: Nein, weil die Patienten eine Vorauszahlung in der Apotheke
leisten müssen. Wie hoch die ist, steht in den Sternen und lässt sich
über Pauschalierungen nicht abgreifen. Dass der Versicherte danach zu
uns kommt und wir ihm irgendeine Kostenerstattung gewähren, führt zu
weiterer Bürokratie. Das ist sicherlich kein Beitrag zur Deregulierung.
Die wollte der Minister aber eigentlich erreichen.
ADHOC: Was passiert, wenn Kartellrecht für Rabattverträge gilt?
HERMANN: Die Pharmaindustrie wird das auszunutzen wissen. Sie wird uns
mit Prozessen überziehen, sie wird vor Kartellgerichte ziehen und es
mit einstweiligen Verfügungen versuchen. Wir befürchten, dass die
Rabattverträge auf unabsehbare Zeit im Dickicht von Prozessen versacken
werden. Das darf nicht sein, weil wir diese Einsparvolumina dringend
brauchen.
ADHOC: Wie will die AOK künftig ausschreiben?
HERMANN: Ich denke, eine kleine AOK wird es können, ob es eine größere
kann, weiß ich nicht. Das sind alles offene Fragen, die letztlich bis
hin zum Bundesgerichtshof ausdiskutiert und -prozessiert werden müssen.
ADHOC: Wie haben sich die Machtverhältnisse verändert?
HERMANN: Natürlich haben sich die Machtverhältnisse verschoben.
Krankenkassen waren früher reine Geldgeber im Arzneimittelbereich. Wir
hatten überhaupt keine Einflussmöglichkeiten auf Ärzte, Apotheker, den
Großhandel und natürlich die pharmazeutische Industrie. Wir sind jetzt
mit Player. Dafür haben wir uns eingesetzt und deshalb wollen wir mit
aller Kraft vehindern, dass wir wieder in alte Zeiten zurückfallen.
ADHOC: Wie persönlich nehmen Sie die Rabattverträge?
HERMANN: Ich bin in diesem Zusammenhang auch schon sehr persönlich
angegangen worden, und wenn man nicht nur aus dicker Haut oder Beton
besteht, geht das nicht immer an einem vorbei. Insofern nimmt man die
Rabattverträge über die Jahre schon so ein bisschen als sein Kind an,
natürlich.
Alexander Müller, Mittwoch, 29. September 2010, 08:32 Uhr
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