Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Die Hausspezialitäten der österreichischen Apotheken stehen seit wenigen Tagen unter besonderem Schutz: Die Unesco hat die Salben, Cremes und Tinkturen in die nationale Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufgenommen. Mit der Auszeichnung sollen überliefertes Wissen, Traditionen und Brauchtum bewahrt werden. Die österreichischen Apotheker hoffen, ihre Hausmarken auf diese Weise retten zu können.
Kampf um Hausmarken: Verbandschef Dr. Friedemann Bachleitner-Hofmann sowie die beiden Apotheker Heimo und Hannes Hrovat (v.l.n.r.) wollen Apothekertraditionen schützen. Foto: Pressefoto Franz Neumayr
Beinahe jede Apotheke in der Alpenrepublik bietet unter ihrem Namen
apothekeneigene Hausspezialitäten an. Die Salben, Tropfen und Tinkturen
dürfen nur in der eigenen Offizin abgegeben werden, der Verkauf an
andere Apotheken ist untersagt.
Viele der Rezepte sind über Generationen überliefert. Die Kur-Apotheke
Bad Ischl beispielsweise fertigt seit über einem Jahrhundert als
ehemaliger K-und-K-Hoflieferant hauseigene Produkte an. Zum Sortiment
gehören Schwedentropfen, Hustensaft, Herztropfen und Toniken für Nerven,
Venen, Herz- und Kreislauf. Apothekeninhaber Heimo Hrovat hat den
Unesco-Antrag initiiert. Unterstützt wurde er von 400 Apothekern und dem
Apothekerverband.
Der Pharmazeut befürchtet, dass die Produkte schon bald ganz
verschwunden sein könnten. Die derzeit rund 2000 angemeldeten
Spezialitäten drohten bis Jahresende auf 500 zu schrumpfen: Auf
Bestrebungen der Pharmalobby würden die Anforderungen an Apotheken
zunehmend an industrielle Standards angepasst. „Die Industrie will
nicht, dass Apotheker Arzneimittel herstellen", vermutet Hrovat.
Viele EU-Vorschriften erscheinen Hrovat für die Herstellung in der
Apotheke übertrieben, da die Pharmazeuten über hohes Fachwissen sowie
jahrzehntelange Erfahrung zurückgreifen könnten. Als Beispiel führt er
die EU-Forderung an, die Braille-Schrift in die Packungen einzuprägen -
obwohl nicht-entfernbare Klebeetiketten ausreichten.
Besonderer Schutz: Die Unesco will Hausspezialitäten von Apotheken erhalten. Foto: Kurapotheke Bad Ischl
Eine weitere Hürde für die Hausmarken seien die Gebühren: Für die
Erstanmeldung einer Rezeptur sind inklusive Nebenkosten mindestens 1400
Euro fällig. „Ist einer der Wirkstoffe nicht in einem der anerkannten
Arzneibücher gelistet, erhöhen sich die Kosten ins Unermessliche", sagt
Hrovat. Sechs Jahre nach der Erstanmeldung werden weitere 600 Euro
fällig.
Mit der Anerkennung durch die Unesco könne das Aussterben der Hausmarken
zumindest verlangsamt werden, hofft der Apotheker: „Mit meinem Antrag
wollte ich alle Kollegen motivieren, ihre Spezialitäten angemeldet zu
lassen oder sogar neu anzumelden." So werde überliefertes Wissen und
Handwerk bewahrt.
Apotheken seien zudem für vermehrte Rezepturenherstellung in
Krisenzeiten besser gerüstet. „Sterben die Hausspezialitäten aus, wird
aus dem Apotheker schrittweise ein Rezeptleser und Automatenbefüller",
warnt Hrovat.
Janina Rauers, Freitag, 23. April 2010, 10:22 Uhr
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