• 30.03.2010 - Kampf der Terminal-Apotheker

    MARKT – ROWA/VISAVIA Berlin - Für die Einen ist es eine Innovation, für die Anderen die schleichende Abschaffung des Apothekers: Kunden können außerhalb der Öffnungszei ...

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ROWA/VISAVIA

Kampf der Terminal-Apotheker

 

Berlin  -  Für die Einen ist es eine Innovation, für die Anderen die schleichende Abschaffung des Apothekers: Kunden können außerhalb der Öffnungszeiten zur Apotheke gehen und per Videokonferenz ihre Rezepte einlösen. Der Apotheker wird von einem Kollegen im Call-Center vertreten, die Rezepte werden gescannt, ein Kommissionierautomat transportiert die Arzneimittel zur Abholklappe. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) muss in letzter Instanz klären, ob das Abgabeterminal Visavia des Automatenherstellers Rowa gegen arzneimittel- oder apothekenrechtliche Auflagen verstößt.

Beratung per Video: Rowa kämpft sich für Visavia durch die 
Instanzen. Foto: Elke Hinkelbein

Beratung per Video: Rowa kämpft sich für Visavia durch die Instanzen. Foto: Elke Hinkelbein

Die Behörden und Gerichte tun sich mit einer Bewertung schwer - die Rechtssprechung ist nicht einheitlich. Zwei der insgesamt sieben Verfahren haben es vor das BVerwG geschafft. Solange ruhen die übrigen Rechtssachen, und die Konkurrenz lässt Nachahmerprojekte vorerst in der Schublade.

Umstritten ist, wie streng die Vorgaben der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) anzuwenden sind, denn mit Abgabeterminals für Arzneimittel hat sich der Gesetzgeber noch nicht befasst. Andererseits wurden die Regeln für den Versandhandel bereits vor Jahren gelockert. In den Verfahren geht es neben technischen Details um die Frage, ob das „Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke" durch Visavia nachhaltig gestört wird.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat kein Problem mit einer „Modifikation" dieser Vorstellung von einem persönlichen Kontakt zwischen Apotheker und Kunde. Schließlich müssten Kunden die Apotheke beim Versandhandel auch nicht mehr betreten. Dagegen liegt der „entpersonalisierte Betrieb eines Terminals" laut Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz „außerhalb der gesetzlichen Wertvorstellung". Beide Gerichte hatten wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Laut VGH bleibt die besondere Bedeutung der Apotheke bestehen, solange Visavia nur als Ergänzung zum Normalbetrieb verwendet wird. Aus dem gleichen Grund hatte der VGH keine Einwände gegen das leicht eingeschränkte Sortiment oder die Abstriche bei der Beratungsqualität via Videokonferenz. Dass die Apotheker im Call-Center bei der Visavia-Service GmbH angestellt sind, verstößt aus Sicht des VGH nicht gegen das Fremdbesitzverbot. Der Apothekeninhaber sei vertraglich gegenüber den Call-Center-Apothekern uneinschränkt weisungsberechtigt. Zudem seien die erzielbaren Umsätze zwischen den normalen Öffnungszeiten überschaubar.

zoom Letzte Instanz: Beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird über 
die Arzneimittelabgabe per Terminal entscheiden. Foto: APOTHEKE ADHOC

Letzte Instanz: Beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird über die Arzneimittelabgabe per Terminal entscheiden. Foto: APOTHEKE ADHOC

Die VGH-Richter erlaubten deshalb den Einsatz des Terminals - allerdings nur für OTC-Arzneimittel und freiverkäufliche Präparate. Denn bei verschreibungspflichtigen Medikamenten muss der Apotheker laut ApBetrO jede Änderung direkt auf dem Rezept vermerken und die Verordnung bei der Abgabe des Medikaments unterschreiben. Zwar könnte Rowa einen Drucker nachrüsten, das Problem mit der Unterschrift bleibt aber: Diese müsse laut VGH immer handschriftlich erfolgen - und zwar von dem Apotheker, der die Abgabe verantwortet hat.

Das OVG hatte mit derselben Begründung die Abgabe von Rx-Arzneimitteln verboten. Doch das Simultangebot und das Prinzip der Urkundeneinheit ließen sich mit Visavia nicht in Einklang bringen, so das OVG. Mit der Differenzierung zwischen OTC- und Rx-Arzneimitteln hatten sich die Richter in Koblenz dagegen nicht befasst. Sie bemängelten aber, dass die Arzneimittelabgabe trotz voller Kontrolle eines Apothekers „technisch verfremdet bzw. entpersönlicht" sei.

Rowa-Geschäftsführer Markus Willems ist trotzdem zuversichtlich, dass man in Leipzig in seinem Sinne entscheidet. Sein Unternehmen unterstützt die Apotheker in den Verfahren. Die Bedenken teilt Willems nicht: Visavia sei ein Terminal und kein Automat, und die Arzneimittelabgabe sei deutlich sicherer als beim Versandhandel.

Für Rowa hängt viel von dem Urteil der Leipziger Richter ab, denn die Entwicklungskosten für den High-Tech-Automaten sind noch längst nicht eingespielt: 35 Apotheker haben bislang einen Visavia installiert. Wegen der rechtlichen Unsicherheit stagniert das Geschäft derzeit allerdings. Trotzdem ist man bei Rowa sicher, dass es Visavia auch nach der Entscheidung geben wird - in welcher Form und für welche Produkte auch immer. Auch im Ausland gibt es nach Unternehmensangaben Absatzmärkte für das Terminal.

Je nach Entscheidung der Vorinstanz oder Bescheid des zuständigen Regierungspräsidiums sind die Automaten unterschiedlich in Betrieb. Während einige Apotheker ihren Visavia bis zu einer endgültigen Entscheidung komplett nutzen dürfen, geben andere derzeit nur OTC-Arzneimittel oder freiverkäufliche Präparate ab. Einen Termin für die Verhandlung gibt es noch nicht.

Alexander Müller, Montag, 29. März 2010, 16:23 Uhr


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