Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Essen - Seit einem Jahr
ist die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland monatlich in
Apotheken erhältlich. Mit einer Auflage von einer Million Exemplaren
berichtet sie neben allgemeinen Gesundheitsthemen kritisch über die
zunehmend katastrophalen Zustände in Gesundheitspolitik und
Gesundheitswirtschaft.
Ärztemangel und Krankenhaussterben werden ebenso thematisiert wie das
Untergraben der Arzneimittelsicherheit oder Sparmaßnahmen der
Krankenkassen ohne Rücksicht auf den Patienten.
Die Jubiläumsausgabe beschäftigt sich auf der Titelseite intensiv mit
mit gesundheitspolitischen Fehlentscheidungen, die negativen Einfluss
auf die medizinische Versorgung nehmen und Patienten nachhaltig Schaden
zufügen:
Wie eine schlechte Gesundheitspolitik systematisch unser Gesundheitswesen ruiniert
Arzneimittel an der Tankstelle
Es gibt keine „Kostenexplosion" im Gesundheitswesen. Das wissen alle
Experten, das wissen alle Wirtschaftsverbände, das wissen alle
Krankenkassen, das weiß auch Ulla Schmidt (SPD), seit Januar 2001
deutsche Gesundheitsministerin. Dennoch hat sie ihre Aufgabe nie als
„Gesundheitspolitik", sondern immer nur als „Sparpolitik" verstanden.
Die angebliche Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist ein Märchen, das
von der Politik und interessierten Kreisen der Wirtschaft permanent und
gebetsmühlenartig verbreitet wird. Die Medien greifen es unreflektiert
auf, während die Wahrheit - das deutsche Gesundheitswesen hat kein
Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem - ihr Dasein
journalistisch auf dem Abstellgleis fristet.
Nicht nur Prof. Dr. Fritz Beske, Direktor des Instituts für
Gesundheitssystemforschung in Kiel, hat die irrige, aber griffige These
von der „Kostenexplosion" in zahllosen Vorträgen und Veröffentlichungen
widerlegt.
Dass eine „Gesundheitspolitik", die sich ausschließlich auf die
Ausgabenseite des Gesundheitswesens statt auf die dringend notwendige
Verbesserung der Einnahmeseite der Gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV) konzentriert, einstmals gesunde Strukturen bereits irreversibel
beschädigt hat, ist heute in fast allen Bereichen des Gesundheitswesens
zu sehen.
Wie weit die Zerstörung der Grundlagen, insbesondere des
Krankenhauswesens, inzwischen fortgeschritten ist, weiß niemand besser
als Dr. Rudolf Kösters, Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft
(DKG). Mag die im Februar 2008 von ihm vorgestellte Expertise des
Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) und
der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO Deutsche Warentreuhand zur
wirtschaftlichen Situation der deutschen Krankenhäuser auch noch so
drastisch „existenzvernichtende Züge" diagnostizieren, die
Gesundheitsministerin weiß es besser.
Sie wusste es immer schon besser. Im Jahre 2003 führte sie gegen den
Rat vieler Fachleute die sogenannten „Fallpauschalen" zur Abrechnung
von Krankenhausleistungen ein. Der Fachbegriff „DRG" (Diagnosis Related
Groups) zeigt, woher wir unsere Maßnahmen zur Zerstörung einer
gesicherten Krankenhausfinanzierung beziehen: aus den angelsächsischen
Ländern, die nun wahrlich kein Vorbild für erfolgreiche
Gesundheitssysteme sind. Seitdem muss jedes Krankenhaus seine Patienten
möglichst schnell loswerden, um keine Verluste zu machen. „Blutig
entlassen" nennt man das in Fachkreisen.
Trotz eines Abbaus von 90.000 Mitarbeitern in den letzten zehn Jahren
sind die Krankenhäuser inzwischen so unterfinanziert, dass viele vor
der Insolvenz stehen. „Die Bundesregierung hat maßgeblich zur
Entstehung dieser Problemlage beigetragen - sie muss jetzt auch zur
nachhaltigen Lösung beitragen", heißt es in dem Gutachten der DKG. Das
tut die Bundesregierung, aber offensichtlich anders, als sich das die
Deutsche Krankenhausgesellschaft vorstellt: Sie schaut zu, wie die
unter akuter Finanznot ächzenden Krankenhäuser von privaten,
ausschließlich renditeorientierten Gesundheitskonzernen aufgekauft und
„saniert" werden - selbstverständlich zu Lasten weiterer Arbeitsplätze
und mit Konzentration auf die gewinnbringenden Patienten.
Ähnlich dramatisch ist die Situation im Arztbereich. Nach einer langen,
für Volkswirtschaft und Gesellschaft teuren Ausbildung, soll der Arzt
in seiner Praxis seinen Dienst am Patienten leisten, ohne eine
angemessene Vergütung für seine Tätigkeit und ohne jede wirtschaftliche
Planungssicherheit. Die Folge: Ganze Landstriche müssen bereits ohne
Arztpraxis leben.
„Die Arztpraxen werden von der Politik gezielt ausgehungert",
protestiert Martin Grauduszus, Präsident des Verbandes Freie
Ärzteschaft e. V. (FÄ). Wie viele seiner Kollegen befürchtet er eine
systematische Verdrängung der freien Arztpraxen durch die
Gesundheitskonzerne: „Wenn wir die Gesundheitsheuschrecken gewähren
lassen, wird eine unpersönliche Zwei-Klassen-Medizin wie in den USA die
Folge sein." Ob die immer wieder aufflammenden Proteste der Ärzte durch
zeitweilige Praxisschließungen die Gesundheitsministerin beeindrucken,
darf bezweifelt werden.
Den deutschen Apotheken geht es nicht besser: Die letzten
Gesundheitsreformen haben einen Paradigmenwechsel eingeleitet, der
nicht nur tausende Apotheken in ihrer Existenz gefährdet, sondern auch
der Arzneimittelsicherheit, einer der tragenden Säulen des deutschen
Apothekenwesens, in höchstem Maße schadet.
Die jetzt zulässigen Rabattverträge der Krankenkassen mit
Arzneimittelherstellern haben da noch vergleichsweise harmlose Folgen:
Sie verursachen in den
Apotheken „nur" teilweise chaotische Lieferzustände und hohe
zusätzliche Bürokratiekosten. Bei den Patienten allerdings führen sie
zu Verunsicherung und Ablehnung der je nach Rabattvertrag wechselnden
Arzneimittel. Und damit zu steigenden Gesundheitskosten.
Wesentlich härter treffen die Apotheken die aufgrund der letzten
Gesundheitsreformen erlaubten Ausschreibungen der Krankenkassen für
bestimmte Leistungen, wie die Belieferung von Inkontinenzpatienten.
Durch die Vergabe der flächendeckenden Versorgung an einige wenige
Lieferanten werden den Apotheken nicht nur systematisch Umsatz und
Ertrag entzogen. Nach Meinung von Datenschützern bleibt zudem der
Datenschutz auf der Strecke.
Die dramatischsten Auswirkungen wurden allerdings durch die Freigabe
des Versandhandels mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln zum 1. Januar
2004 verursacht. Zwar erfüllte die Gesundheitsministerin damit eine der
Forderungen des „Sachverständigenrates", jedoch wird gerade hier
sichtbar, was es bedeutet, sich „sachverständig" nur eindimensional mit
„Kosten" zu beschäftigen, statt in vernetzten Strukturen zu denken.
Der Vertriebsweg „Versandhandel" bagatellisiert den Einkauf selbst von
hochwirksamen verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Ob Bestellung
über Internet, Telefon oder Rezeptbox - der Verbraucher ist mit der
Prüfung der Seriosität des Anbieters überfordert. Das wiederum ruft
dubiose Lieferanten auf den Plan. Experten - nicht zuletzt das
Bundeskriminalamt - warnen vor der dramatischen Zunahme von
lebensgefährlichen Arzneimittelfälschungen, die über den Versandhandel
an den Verbraucher gelangen. Prof. Dr. Theodor Dingermann,
Pharmazieprofessor an der Uni Frankfurt, sagt voraus: „Wir werden
unsere Katastrophen erleben!"
Da passt es dann gut, dass das Bundesverwaltungsgericht soeben einer
Drogeriekette erlaubte, Arzneimittel einer ausländischen
Versandapotheke in ihren Filialen abzugeben. Verloren hat die tapfere
Stadt Düsseldorf, die das zu Recht nicht erlauben wollte. Interessant
ist die Begründung des Gerichts: Die Arzneimittelsicherheit sei nicht
mehr gefährdet als beim klassischen Versandhandel mit direkter
Zustellung an den Endverbraucher.
Vielleicht nicht in dieser Drogeriekette. Aber wie ist es mit der
Kneipe um die Ecke, der Imbissbude, dem Bäckerladen oder der Tankstelle?
Das Chaos ist vollkommen, dank einer jahrelangen „Sparpolitik" an
Stelle einer echten „Gesundheitspolitik". Und die Krankenkassenbeiträge
steigen und steigen.
Armes Deutschland
Ein Kommentar der Redaktion
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Das
Bruttonationaleinkommen belief sich im Jahre 2007 auf 2.446 Milliarden
Euro - eine unvorstellbare Zahl. Wir sind zum vierten Male
hintereinander Exportweltmeister geworden - wohlgemerkt vor den USA,
der wirtschaftlich stärksten Nation der Welt, und vor China, dem in den
Medien gehätschelten Alptraum aller Globalisierungsfanatiker. Wir
leisten uns die militärische Verteidigung Europas in Afghanistan oder
am Horn von Afrika. Als größter „Nettozahler" pumpen wir pro Jahr zig
Milliarden Euro in den Etat der Europäischen Union. Und wir sanieren
mit Steuermilliarden marode Landesbanken.
Gleichzeitig wird um eine „überdurchschnittliche" Rentenerhöhung von
1,1 % gefeilscht, unsere Schulen verkommen, unsere Kasernen vergammeln
und eine miserable Gesundheitspolitik lässt unsere Krankenhäuser zum
Sanierungsfall werden.
Armes Deutschland.
Noweda eG
Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland
Heinrich-Strunk-Straße 77
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Telefon: 0201/802-2641
Email: redaktion@neueallgemeine.de
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