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INTERVIEW ZOLLKRIMINALAMT
Berlin - Die rund 4000 Zollfahnder in Deutschland ermitteln immer öfter wegen Handels mit gefälschten Arzneimitteln. Während die Zollkriminalämter im Kampf gegen den Rauschgifthandel über jahrelange Erfahrung verfügen, müssen die Ermittlungsbehörden beim Arzneimittelschmuggel ihre Strategien noch entwickeln. Wolfgang Schmitz vom Zollkriminalamt sprach mit APOTHEKE ADHOC über die Herausforderungen der Zollfahnder, Gütesiegel für Internetapotheken und Fälscherbanden in deutschen Wohnhäusern.
ADHOC: Wie funktioniert der Schmuggel von Arzneimitteln?
SCHMITZ: Der Schmuggel von Arzneimitteln hat ähnliche Strukturen wie der
Schmuggel von Rauschgift oder Zigaretten. Das heißt, alle bekannten
Verstecke in Hohlräumen unter Fahrzeugen werden benutzt. In großen
Mengen wird Ware vor allem über den Seeverkehr in Containern oder in
LKW-Ladungen geschmuggelt.
ADHOC: Wie kommen Sie den Schmugglern auf die Spur?
SCHMITZ: Bei Arzneimitteln setzen wir weniger auf den Zufall und
Stichprobenkontrollen. Sehr häufig wissen wir schon, dass Arzneimittel
unterwegs sind. Wir kooperieren und bekommen Hinweise aus dem Ausland
oder wir sind selbst in Ermittlungsverfahren. Zu den Hilfsmitteln zählt
die Röntgentechnik. Allerdings sind auch die Erfahrung der Kollegen
entscheidend. Deshalb waren wir in der Vergangenheit sehr erfolgreich -
nach Ansage.
ADHOC: Warum sind gefälschte Arzneimittel für Schmuggler attraktiv?
SCHMITZ: Wir müssen leider feststellen, dass die Gewinnmargen im Handel
mit illegalen Arzneimitteln höher sind als im Bereich des
Rauschgifthandels, der Waffenschieberei oder beim Zigarettenschmuggel.
Das ist natürlich besonders bedenklich, weil mit Arzneimitteln Präparate
für kranke Menschen gehandelt werden. Leider haben die Täter, die oft
der organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, überhaupt kein soziales
Gewissen. Das ist denen relativ egal.
ADHOC: Wie entwickelt sich der Schmuggel von Medikamenten?
SCHMITZ: Geschmuggelte Arzneimittelsendungen gab es immer schon, aber in
den vergangenen fünf Jahren hat es eine dramatische Steigerung gegeben.
Die Sicherstellungszahlen sind von 300.000 auf 5 Millionen stetig
gestiegen. Dieses Thema beschäftigt uns sehr stark. Denn es ist kein
nationales Problem, sondern es sind europa- und weltweit Steigerungen zu
verzeichnen. Wegen der enormen Gewinnspannen müssen wir befürchten,
dass weiterhin gefälschte Arzneimittel auf den Markt gepumpt werden.
ADHOC: Wie hoch ist die Dunkelziffer?
SCHMITZ: Das ist immer schwierig festzustellen. 5,3 Millionen Packungen,
das ist für Deutschland eigentlich ein Spitzenwert, aber das dürfte nur
die Spitze des Eisbergs sein. Wir finden mit Sicherheit nicht alles,
wir haben auch nicht die Möglichkeit, jede Sendung zu kontrollieren.
Europaweit vervielfacht sich das Problem: Wir haben bei einer 14-tägigen
Operation über 30 Millionen Präparate sichergestellt, das ist
erschreckend, aber auch vielsagend.
ADHOC: Woher kommen die Fälschungen?
SCHMITZ: Nach wie vor verzeichnen wir die größten sichergestellten
Mengen aus dem asiatischen Raum, auch Osteuropa spielt eine Rolle. Aber
daneben sehen wir die Tendenz, dass auch im Inland und innerhalb Europas
hergestellt wird, nachdem entsprechende Chemikalien oder Grundstoffe
eingeführt wurden. Aber nach wie vor kommen die meisten illegalen
Arzneimittel, in hohem Maße auch Fälschungen, aus Asien.
ADHOC: Warum wird auch in Deutschland gefälscht?
SCHMITZ: Weil das Entdeckungsrisiko kleiner ist, wenn man nur
Chemikalien einschmuggelt und dann im Inland mehr oder weniger
unauffällig in Hinterhofwerkstätten produziert. Das haben die Täter
erkannt. Die Gewinnspannen sind die gleichen. Dagegen ist das Risiko,
dass ein LKW oder Container mit Arzneimitteln entdeckt wird, nach wie
vor hoch. „Zu Hause" kann man mit wenigen Personen einen illegalen
Handel betreiben. Allerdings haben wir gerade ein Ermittlungsverfahren
aufgedeckt, in dem bis zu 20 Personen an der illegalen Produktion
beteiligt waren. Darauf müssen sich auch die Ermittlungsbehörde
einstellen.
ADHOC: Wo liegen die Probleme?
SCHMITZ: Wir sehen im illegalen Bereich das Internet als großes Problem,
weil es eine anonyme Handelsplattform ist. Die Täter sind schwierig zu
ermitteln, sie können von jedem Standort der Welt aus eine Internetseite
betreiben. Darüber hinaus gibt es auch hier organisierte Banden. Die
bedienen sich einer eigenen Logistik mit eigenen Fahrzeugen und haben
Zwischenhändler mit auf den Gehaltslisten.
ADHOC: Können Online-Zertifikate Sicherheit geben?
SCHMITZ: Schon - wenn man weiß, wonach man sucht. Die Täter, die
Websites betreiben, stellen auch Zertifikate ein. Verbraucher müssen in
der Lage sein zu überprüfen, ob es sich um Originalzertifikate handelt.
Es ist aus unserer Sicht sehr begrüßenswert, dass es eine zentrale
Anlaufstelle gibt. Wir hoffen, dass der Verbraucher so viel Puste hat
nachzufragen, sich durchzufragen, sich zu informieren. Aus unserer Sicht
wäre es schön, wenn man die Zertifikate relativ einfach finden könnte.
ADHOC: Was raten Sie Verbrauchern?
SCHMITZ: Es ist aus unserer Sicht gut, dass die Abgabe von Arzneimitteln
in Deutschland grundsätzlich über Apotheken erfolgt. Da schließe ich
auch die Versandapotheken ein. Natürlich muss man erkennen können, wo
die Apotheke sitzt. Gerade im Versandbereich sollte erkennbar sein,
welche Apotheke lizenziert ist und welche mit einem guten Webauftritt
nur so tut.
APOTHEKE ADHOC, Montag, 17. Mai 2010, 09:02 Uhr
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