• 19.04.2013 – OLG Stuttgart: Angebot einer kostenlosen Zweitbrille nach HWG trotz Novelle unzulässig - Was ändert sich 2013

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OLG Stuttgart: Angebot einer kostenlosen Zweitbrille nach HWG trotz Novelle unzulässig - Was ändert sich 2013

 

Am 25.10.2012 ist das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. 2012, Teil I Nr. 50, S. 2192 ff) und damit zum 26.10.2012 in Kraft getreten. Auch wenn der Titel der Gesetzesnovelle "nur" auf Änderungen der arzneimittelrechtlichen Vorschriften, insbesondere also des AMG, Bezug nimmt, sind im Rahmen des umfassenden Novellierungspaketes zahlreiche Änderungen auch in anderen Gesetzen vorgenommen worden, u.a. wurden die Bestimmungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) an die europäischen Rechtsprechungsvorgaben der vergangenen Jahre angepasst, die - so der Gesetzgeber - der weiteren Liberalisierung des Heilmittelwerberechts dienen. Auch wenn mit der Novelle damit zahlreiche frühere Beschränkungen entfallen sind, ist das Heilmittelwerberecht nach wie vor nicht gänzlich frei von Restriktionen, die dem Schutz der Verbraucher zu dienen bestimmt sind. Dies ergibt sich aus einem aktuellen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vom 17.01.2013, Az. 2 U 92/12, welches zum Anlass genommen werden soll, die Änderungen im Heilmittelwerberecht kurz zu beleuchten.

Der Fall:

Die Beklagte, ein Optiker, warb in einem Flyer unter anderem für ihre „Premium-Gläser". Zusätzlich zu den Brillengläsern bot sie eine kostenlose Zweitbrille an. Der Inhalt des Flyers hat unter anderem folgenden Wortlaut:

„Neben bestem Premium-Sehen ist jetzt beim Kauf einer Brille mit unseren Premium-Gläsern im Paket eine individuell gefertigte Zweitbrille im Wert von EUR 89,00 inklusive Superentspiegelung schon mit drin."

Außerdem findet sich in dem Flyer folgender Hinweis:

„Kostenlose Zweitbrille* dazu!

*Kostenlose Zweitbrille mit Kunststoffgläsern +/- 6 dpt, cyl. 2 dpt, Fassung aus der In Collection."

Die Entscheidung:

Nach Ansicht des OLG Stuttgarts vertieß die kostenlose Auslobung der Zweitbrille durch die Beklagte beim Kauf von Premium-Gläsern gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, § 7 HWG. Die Auslobung stelle sich als unzulässige Zuwendung der Beklagten im Sinne des § 7 Abs. 1 HWG dar. Die Bewerbung der Zweitbrille als „kostenlos" und die bildliche Darstellung als Geschenk sieht das OLG dabei als maßgeblich an.

Bewertung der Entscheidung und Einordnung in die neue Rechtslage:

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist es grundsätzlich verboten, bei der Bewerbung von Medizinprodukten Zuwendungen oder Werbegaben anzukündigen. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 a) und b) HWG normieren hiervon Ausnahmen, einmal, soweit es sich um Barrabatte handelt und soweit die kostenfreie Zuwendung in einer Abgabe einer Ware besteht die der bestellten Ware oder der Warenart gleicht. Das OLG Stuttgart, sah dies bei einer "kostenlosen" Zeitbrille nicht als gegeben an. Das Landgericht Flensburg (Urt. v. 21.03.2012 - 6 O 117/11) hatte in einem vergleichbaren Fall genau anders entschieden. Hier war beim Kauf einer Korrekturbrille die kostenfreie Zugabe einer Sonnenbrille mit gleicher Sehstärke angeboten worden. Nach Ansicht der Flensburger Richter war die streitgegenständliche Werbeaussage nach dem Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers dahin auszulegen, dass der Kauf von Korrekturbrillen beworben werden sollte und für diesen Fall eine Sonnenbrille mit Gläsern gleicher Stärke als kostenlose Zuwendung gewährt wurde. Die Zugabe einer Sonnenbrille mit entsprechender Sehstärke sei - so die Flensburger Richter - als gleiche Ware im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 b HWG zu verstehen, da es sich bei beiden Produkten um Heilmittel mit identischen Eigenschaften handele. Soweit die Brillen sich in der Tönung unterscheiden, sei dies angesichts der gleichen Sehstärke beider Brillen ohne Bedeutung für die Einstufung als Heilmittel. Das OLG Stuttgart sieht dies anders und favorisiert eine restriktive Anwendung der Ausnahmebestimmungen im Sinne des Verbraucherschutzes. Wegen der divergierenden Rechtsauffassungen wurde daher die Revision zum BGH in diesem Punkt zugelassen.

Die Entscheidungen des OLG Stuttgart und des LG Flensburg verdeutlichen einmal mehr die Schwierigkeiten, die sich bei der Anwendung der heilmittelwerberechtlichen Vorgaben aus Sicht des Werbenden ist. Auch die Gerichte sind sich hier oft uneins. Die zahlreichen Entscheidungen in Sachen HWG verdeutlichen dies eindrucksvoll. Die Rechtsprechung zum Heilmittelwerberecht reicht dabei weit über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus, denn das HWG ist in Umsetzung europäischer Richtlinienvorgaben erlassen worden; auch der EuGH hatte hier daher oftmals ein Wörtchen mitzureden. Die "Europäer" zeigten sich dabei in aller Regel auch für Werbung im Heilmittelsektor wesentlich offener und liberaler und "kassierten" die all zu restiriktiven Auslegungen nationaler Gerichte recht häufig. Weite Teile des HWG waren daher durch die Rechtsprechung des EuGH überholt und im Rahmen der gebotenen europarechtskonformen Auslegung nicht mehr ohne weiteres anwendbar. Dies nahm der Deutsche Gesetzgeber Ende vergangenen Jahres zum Anlass einer umfassenden Neuregelung des HWG.

Was ist neu im Werberecht? - Auswirkungen auf Medizinproduktehersteller, Ärzte, Zahnärzte und sonstige Heilberufe

Wie schon die Entscheidungen des OLG Stuttgart und auch des LG Flensburg vermuten lassen, hat eine Änderung der Bestimmungen in § 7 HWG nicht stattgefunden. Werbegaben sind daher weiterhin nur unter in engen Grenzen zulässig. Die Rechtsprechung wird hier gut daran tun, diese Grenzen genau zu ziehen, um dem Rechtsanwender hier Handlungssicherheit zu geben.

1. Werbung mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen darauf

Werbung mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen hierauf, war außerhalb von Fachkreisen, d.h. im Verhältnis Arzt - Patient, nach § 11 Abs. S. 1 Nr. 1 HWG a.F. grundsätzlich unzulässig. Ärzte taten sich dementsprechend schwer damit, im Internet beispielsweise eine Liste ihrer Publikationen vorzuhalten, um hierüber auf ihre besondere fachliche Qualifikation aufmerksam zu machen. Was jedem Anwalt in Deutschland ohne weiteres erlaubt war, sollte Ärzten, Zahnärzten und anderen Heilberuflern untersagt sein. Dies ist nunmehr Gesichte: § 11 Abs. 1 Nr. 1 HWG wurde ersatzlos gestrichen. Die Werbung mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mit Hinweisen hierauf ist mithin zulässig.

2. Werbung mit Empfehlungen

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 HWG a.F. war die Werbung mit Angaben, daß das Arzneimittel, das Verfahren, die Behandlung, der Gegenstand oder das andere Mittel ärztlich, zahnärztlich, tierärztlich oder anderweitig fachlich empfohlen oder geprüft ist oder angewendet wird, verboten. Auch dieses Verbot ist durch die HWG Novelle erheblich vereinfacht worden, zukünftig sind nur noch Empfehlungen durch bestimmte Personengruppen unzulässig, soweit es sich bei diesen Personen um "bekannte" Persönlichkeiten handelt und (!) die Empfehlung geeignet ist zum Arzneimittelverbrauch anzuregen; insoweit ist hier nunmehr eine "Erheblichkeitsschwelle" eingezogen, die nur noch bestimmte Empfehlungen erfasst.

3. Werbung mit der Wiedergabe von Krankheitsgeschichten

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG a.F. war die Wiedergabe von Krankengeschichten sowie Hinweisen darauf im Rahmen der Werbung gegenüber Verbrauchern unzulässig. Aussagen wie "Ich hatte eine Grippe und Herr Dr. XX hat mir super geholfen" oder "Mit meinen Rückenschmerzen gehe ich immer zu Dr. XX, seine Akkupunktur hilft mir.", waren mithin in jedem Fall unzulässig. Nunmehr soll dies nur noch dann gelten, wenn die deartige Wiedergaben in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten können. Jedenfalls bei den vorgenannten Beispielen dürfte dies nicht anzunehmen sein, insgesamt ist zudem festzustellen, dass auch bei der Beurteilung derartiger Werbemaßnahmen von einem durchschnittlich aufmerksamen und verständigen Verbraucher auszugehen ist, der derartige Werbemaßnahmen auch kritisch pürft und wahrnimmt. Ein Beispiel für die Missbräuchlichkeit dürfte eine Werbung mit der Aussage "Dr. XX ist ein Krebswunderheiler. Seine heilenden Kräfe helfen" sein, derartige Aussagen sind besonders geeignet die angesprochene Zielgruppe in die Irre zu führen. Andere Werbeaussagen mit Krankheitsgeschichten, die sachlich und nicht zu ausführlich erfolgen, dürften zukünftig jedoch zulässig sein (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 HWG n.F.).

4. Der Arzt im Kittel oder die Zahnarztfrau?

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG a.F. war die Werbung mit der bildlichen Darstellung von Personen in der Berufskleidung oder bei der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder des Arzneimittelhandels per se verboten. Die "Zahnarztfrau" war erfunden, denn Herr Dr. X selbst durfte in der Werbung nicht auftreten. Auch auf der Internetseite des Arztes waren Abbildungen desselben in seiner Berufskleidung oder auch am Behandlungstisch ohne Wertungsmöglichkeit verboten. Diese Beschränkung ist gefallen, § 11 Abs. 1 Nr. 4 HWG wurde ersatzlos gestrichen. Ärzte, Zahnärzte und Apotheker dürfen sich daher für die Werbung in ihrer Berufskleidung abbilden lassen. Dies gilt auch für das Internet. Auch Behandlungsseznen, der "Arzt im Einsatz", sind zulässig. Im letzteren Fall muss jedoch daran gedacht werden, dass auch das Einverständnis des abgebildeten Behandelten (Patienten) erforderlich ist. Dieser hat ein Recht am eigenen Bild, wer dies übersieht, dem droht zwar keine Abmahnug nach HWG, aber gleichwohl die Inanspruchnahme durch den Patienten. Also Vorsicht!

5. Werbung mit bildlichen Darstellungen - Krankheitsbilder, Vorher-Nachher-Fotos

Eine aufwendige, schwierige Implantatbehandlung ist erfolgreich durchgeführt worden, was liegt da näher, als dieses Ergenis auch bildlich darzustellen. Bislang setzte das HWG (§ 11 Abs. 1 Nr. 5 HWG a.F.) auch hier eindeutige Grenzen: Bildliche Darstellung dieser Art waren unzulässig. Auch hier hat der Gesetzgeber nachgebessert und § 11 Abs. 1 Nr. 5 HWG neu und vor allem kürzer gefasst: Zukünftig sind Werbungen mit einer bildlichen Darstellung nur noch dann unzulässig, wenn sie in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers auf Grund von Krankheiten oder Schädigungen oder die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen darstellen. Ein "normaler" Behandlungsverlauf darf daher zukünftig grundsätzlich dargestellt werden. Für Schönheitsoperationen wird die geltende Werbebe- schränkung jedoch aufrechterhalten. Die kleine Brust zuvor und die große Brust danach, dürfen daher bildlich nicht dargestellt werden. Ebensolches gilt für die Nasenkorrektur usw. (§ 11 Abs. 1 S. 2 HWG n.F.)

6. Werbung mit Fachsprache

Bislang galt: Die Werbung mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen, ist unzulässig. Die Bestimmung in § 11 Abs. 1 Nr. 6 HWG a.F. ist gestrichen worden. Eine Mammaaugmentation darf zukünftig auch so bezeichnet werden, die Beschreibung als Brust-Vergrößerung ist nicht mehr notwendig; auch die Gastroskopie oder Ösophago-Gastro-Duodenoskopie muss nicht mehr als Magenspiegelung bezeichnet werden.

7. Werbung mit "Anleitungen" zur Selbstdiagnose

"Die Behandlung von Kopfschmerz, bekannte Hausmittel" oder "Was tun bei Sodbrennen?", derartige Artikel auf der ärztlichen Homepage waren tabu (§ 11 Abs. 1 Nr. 10 HWG). Auch dies ist Geschichte. § 11 Abs. 1 Nr. 10 HWG wurde ersatzlos gestrichen.

8. Testimonials

Die Werbung mit sog. Testimonials also der konkreten Fürsprache (Dritter) zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft für ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Idee oder Institution durch eine der Zielgruppe (meist bekannte) Person, ist in der gewerblichen Wirtschaft bereits seit jeher ein belietes Mittel. In der Patientenwerbung war sie bislang per se unzulässig. Auch hier hat sich eine Änderung ergeben. Mit § 11 Abs. 1 Nr. 11 HWG n.F. sind derartige Empfehlungswerbungen auch im Heilmittelsektor nur noch dann unzulässig, wenn sie zu einer konkreten Gefährdung führen. Der Gesetzbeber sieht dies nur dann der Fall, wenn derartige Bezugnahmen auf Äußerungen Dritter in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen. Eine "einfache" Empfehlungswerbung, wie sie beispielsweise in Praxisbewertungsportalen (wie ekomi oder jameda) vorgenommen wird, ist damit in aller Regel nicht (mehr) zu beanstanden.

9. Werbung mit Preisausschreiben und Gewinnspielen

Das große Jubiläums-Gewinnspiel, die Oster-Sonderverlosung, ein normales Preisausschreiben, all diese Werbemittel waren dem Arzt untersagt. Die bisherige Vorschrift in § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 13, die ein abstraktes Verbot von Verlosungen zur Bewerbung von Arzneimitteln vorsah, entspracht nicht den EU-Vorgaben. Eine korrespondierende Norm fehlte in der Richtlinie 2001/83/EG. Die Werbung mit Preisausschreiben, Verlosungen oder anderen Verfahren, deren Ergebnis vom Zufall abhängig ist, ist zukünftig nur noch dann unzulässig, sofern diese Maßnahmen oder Verfahren einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln Vorschub leisten. Dies ist sicherlich nur bei "übermäßigen" Auslobungen anzunehmen. Ein Ferrari dürfte daher wohl kaum ein zulässiger Gewinn sein. Ein Gutschein für das Kaufhaus von 30 € sehr wohl.

Der kurze Überblick zeigt: Es ist nich mehr alles verboten, aber auch nicht alles erlaubt. Eine grenzenlose Werbefreiheit gibt es auch in Zukunft in der Heilmittelwerbung nicht. Die neuen Möglichkeiten sollten jedoch genutz werden. Lassen Sie sich hier im Zweifel beraten.

Dr. Robert Kazemi

 

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