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ORPHAN DRUG
Berlin - Die europäische Arzneimittelagentur EMA hat in der vergangenen Woche eine Zulassungsempfehlung für das Arzneimittel Ruconest zur Behandlung des hereditären Angioödems ausgesprochen. Um das Medikament auf den Markt zu bringen, muss die niederländische Firma Pharming in Zukunft Kaninchen melken. Denn der Wirkstoff Conestat alfa wird aus der Milch von Nagern gewonnen, die zuvor genetisch verändert worden sind.
Milch zur Wirkstoffgewinnung: Die niederländische Firma Pharming extrahiert das Protein C1-Esterase-Hemmer aus der Milch von Kaninchen. Foto: Pharming
Conestat alfa ist eine rekombinante Version des endogenen
C1-Esterase-Hemmers (C1-INH). Beim hereditären Angioödem kommt es durch
einen genetischen Defekt zu einem Mangel an dem Inhibitor. Fehlt dem
Körper C1-INH, schwellen Haut, Schleimhäute oder innere Organe immer
wieder an. Treten die Ödeme an den Atemwegen auf, kann es für die
Betroffenen lebensgefährlich werden.
Im Prinzip kann C1-INH aus Blutplasma gewonnen werden. Durch die von
Pharming etablierte Methode stehe der Wirkstoff aber in unbegrenzter
Menge zur Verfügung, so eine Unternehmenssprecherin gegenüber APOTHEKE
ADHOC. Ruconest sei das erste Arzneimittel, bei dem ein Wirkstoff aus
Kaninchenmilch extrahiert wird.
Ein weiterer, bereits 2008 zugelassener Wirkstoff ist der Hemmer des
Blutgerinnungsfaktors Antithrombin III. Er stammt aus der Milch von
transgenen Ziegen und ist als ATryn im Handel.
Damit die Kaninchen das humane Protein produzieren können, wird in deren
Genom ein entsprechendes Gen eingeschleust. Rund 1000 Tiere zählen zu
der Herde, die regelmäßig gemolken wird. Die Kaninchen selbst werden
durch Pharming betreut. Die Milch wird nach dem Melken aber an den
US-Konzern MSD geliefert, wo der Wirkstoff extrahiert und gereinigt
wird. „Wir haben nicht die Kapazitäten, um das Produkt aufzuarbeiten",
so die Sprecherin.
Pharming steht bereits in den Startlöchern für die Vermarktung: „Wir
haben schon jetzt ausreichend Wirkstoff, um das Arzneimittel in den
Handel zu bringen", so die Sprecherin. Abzuwarten ist allerdings noch
die Entscheidung der EU-Kommission, die spätestens im September über die
Zulassung beraten wird.
Zuerst soll das Medikament, das den Orphan Drug-Status haben wird, in
Deutschland und Großritannien auf den Markt kommen. Den europaweiten
Vertrieb wird das Pharmaunternehmen Swedish Orphan Biovitrum
International (SOBI) übernehmen. Ausgenommen davon sind die Länder
Andorra, Griechenland, Portugal und Spanien, für die eine Vereinbarung
mit der spanischen Firma Laboratorios del Dr. Esteve getroffen worden
ist.
Zu den bisherigen Therapien des hereditären Angioödems zählt ein aus
Blutplasma gewonnenes C1-INH, das unter dem Namen Berinert P von CSL
Behring vermarktet wird. Eine weitere Möglichkeit, die plötzlichen
Schwellungen zu kontrollieren, ist das Präparat Firazyr (Icatibant) des
Biotechnologie-Unternehmens Jerini, das vor zwei Jahren als Orphan Drug
zugelassen worden ist.
Yvette Meißner, Dienstag, 06. Juli 2010, 08:48 Uhr
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