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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Steuer & Recht
Der
Arbeitgeber haftet gegenüber der Berufsgenossenschaft nicht bei jeder
ihm vorzuwerfenden Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften auf dem
Bau. Da der Arbeitgeber an die Berufsgenossenschaft Beiträge für die
Unfallversicherung gezahlt hat, ist er bei einem Arbeitsunfall eines
Mitarbeiters nur bei einem besonders krassen und subjektiv schlechthin
unentschuldbaren Fehlverhalten verpflichtet, der Berufsgenossenschaft
die Aufwendungen für den Arbeitsunfall zu erstatten. Der 11. Zivilsenat
des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat die Klage der
Berufsgenossenschaft gegen einen Bauunternehmer auf Erstattung von
Aufwendungen für einen Arbeitsunfall abgewiesen.
Zum Sachverhalt:
Der beklagte Arbeitgeber ist Bauunternehmer. Zusammen mit einem bei ihm
beschäftigten Betonmischer/Einschaler führte er auf der Baustelle eines
Einfamilienhauses die Verschalungsarbeiten für die Kellergeschossdecke
durch, indem sie Schaltafeln auf der Trägerlage befestigten. Im Bereich
zu dem Kellertreppenöffnungsschacht waren die verlegten Schaltafeln
zunächst nicht auf den Trägerbalken vernagelt und standen in den
Kellertreppenöffnungsschacht über. Als der Bauunternehmer vor dem Ende
der Verschalungsarbeiten die Baustelle verließ, wies er zuvor seinen
Mitarbeiter an, im Bereich des Kellertreppenöffnungsschachts die
Schalplatten um den über den Trägerbalken hinausragenden Teil zu
verkürzen und dann auf dem Trägerbalken zu vernageln. Nachdem der
Mitarbeiter zunächst andere Arbeiten durchführte, betrat er nachfolgend
eine der unbefestigten Schalplatten, die in den Schacht hineinragte,
kippte mit der Platte um und stürzte 2,40 m tief auf den Betonfußboden
des Kellergeschosses. Er erlitt schwere Kopfverletzungen und brach sich
das Schulterblatt. Die Berufsgenossenschaft Bauwirtschaft kam als
gesetzlicher Unfallversicherer für die Folgen des Arbeitsunfalls auf,
verlangte allerdings vom Arbeitgeber Erstattung der Kosten. Das
Landgericht hat den Arbeitgeber auf Zahlung von mehr als 56.000 Euro
verurteilt mit der Begründung, dass nach den
Unfallverhütungsvorschriften für Bauarbeiten eine Absturzsicherung (z.
B. Geländer, Abdeckung) für den Treppenöffnungsschacht hätte angebracht
werden müssen. Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Arbeitgeber
Berufung beim Oberlandesgericht ein.
Aus den Gründen: Der
Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, der Berufsgenossenschaft die
Aufwendungen für den Arbeitsunfall seines Mitarbeiters zu erstatten. Als
Arbeitgeber haftet er der Berufsgenossenschaft für die infolge des
Arbeitsunfalls entstandenen Aufwendungen nur dann, wenn er den
Versicherungsfall vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (§
110 Sozialgesetzbuch VII). Nicht jeder Verstoß gegen die einschlägigen
Unfallverhütungsvorschriften ist schon als ein grob fahrlässiges
Verhalten zu werten. Wegen ihrer an die Berufsgenossenschaft gezahlten
Beiträge sollen die Unternehmer grundsätzlich von einer Haftung
freigestellt sein. Sie sollen im Wege des Rückgriffs nur dann in
Anspruch genommen werden, wenn eine besonders krasse und subjektiv
schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt. Ein subjektives
Fehlverhalten in einem solchen Ausmaß kann dem Arbeitgeber nicht
vorgeworfen werden. Die nach den Unfallverhütungsvorschriften
erforderliche Sicherung des Kellertreppenschachts als (mehr als 2 m)
tiefe Deckenöffnung, z. B. durch Abdecken oder Anbringen eines Geländers
(§ 12 a BGVC 22), gilt erst nach Abschluss der Verschalungsarbeiten,
nicht aber während der laufenden Verschalungsarbeiten. Wenn man das
anders sehen würde, wären die Verschalungsarbeiten für eine
Geschossdecke kaum praktisch durchführbar, weil jeweils nach Verlegung
eines Schalbrettes eine neue Absturzsicherung angebracht werden müsste.
Ob darüber hinaus für die laufenden Verschalungsarbeiten zusätzliche
Absturzsicherungen zur Sicherheit des Mitarbeiters geboten waren, kann
dahinstehen, weil dem Arbeitgeber nicht vorgeworfen werden kann, dass er
grob fahrlässig jegliche Sicherheitsvorkehrung unterlassen hat. Bei
fachgerechter Ausführung der Verschalungsarbeiten nach Verlegung und
Vernagelung des ersten Schalbretts hätte stets ein gesicherter
Untergrund für die Verlegung und Vernagelung des nächsten Schalbretts
zur Verfügung gestanden. Der Arbeitgeber hatte seinem Mitarbeiter die
Anweisung gegeben, die Schalplatten, die in den Kellertreppenschacht
hineinragten, zu verkürzen und anschließend zu vernageln. Bei dem
Verletzten handelte es sich um einen erfahrenen Mitarbeiter, so dass der
Arbeitgeber nicht damit rechnen musste, dass dieser sich nicht an die
Arbeitsanweisung halten und dann selbst auf die ihm bekanntermaßen losen
Schalbretter treten würde.
OLG Schleswig-Holstein, Urteil 11 U 74/13 vom 06.03.2014
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