• 30.09.2024 – Apotheken-News: Zwischen wirtschaftlichem Druck und digitalem Wandel

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-News: Zwischen wirtschaftlichem Druck und digitalem Wandel

 

Steigende Kosten, Lieferengpässe und unausgereifte Technologien bedrohen die Zukunft der Apotheken – politische Lösungen bleiben aus

Die wirtschaftliche Lage vieler Apotheken in Deutschland spitzt sich weiter zu. Steigende Betriebskosten, gesetzliche Vorgaben und Lieferengpässe setzen die Branche unter Druck. Gleichzeitig zeigt sich, dass digitale Lösungen zwar Fortschritte versprechen, aber oft an den Bedürfnissen der Apotheken vorbeigehen. Inmitten dieser Herausforderungen wächst die Sorge um die Zukunft der Gesundheitsversorgung, während politische Maßnahmen und gesetzliche Initiativen wie das Lieferengpassbekämpfungsgesetz bisher kaum Entlastung bringen. Welche Auswege gibt es für Apotheker, und wie lässt sich der Betrieb vor wirtschaftlichen Risiken bewahren?


In den vergangenen Monaten haben sich die wirtschaftlichen Herausforderungen für Apotheken in Deutschland dramatisch verschärft. Steigende Betriebskosten, sinkende Margen und verschärfte gesetzliche Anforderungen setzen viele Apothekenbetriebe unter erheblichen Druck. Die Grenzen zwischen einer angespannten wirtschaftlichen Lage, drohender Zahlungsunfähigkeit und tatsächlicher Insolvenz sind dabei oft schwer erkennbar. Apotheker sind zunehmend verunsichert und fragen sich, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Das StaRUG, das Gesetz zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen, bietet Apotheken in finanziellen Schwierigkeiten einen potenziellen Rettungsanker, um drohende Insolvenzen abzuwenden. Durch die rechtzeitige Verkehrswertermittlung einer Apotheke können zudem fundierte Entscheidungen getroffen werden. Eine solche Wertermittlung ist besonders relevant, wenn es um den Verkauf, die Vermietung oder betriebliche Strategien geht. Dabei spielen neben der Lage und dem baulichen Zustand auch betriebliche Kennzahlen und gesetzliche Vorgaben eine entscheidende Rolle, um den Marktwert realistisch zu bestimmen.

Ein weiteres Thema, das Apothekenbetreiber beschäftigt, sind neue Pflichten im Bereich der Transparenz. Ab dem 30. September 2024 tritt eine Regelung in Kraft, nach der Finanzämter umfassenden Einblick in Auslandskonten und Depots deutscher Steuerpflichtiger erhalten. Im Rahmen des automatischen Informationsaustauschs werden 111 Staaten Daten über Kapitalerträge, Kontosalden und Depotbestände an die deutschen Steuerbehörden übermitteln, was eine Erhöhung der globalen Transparenz und eine Bekämpfung von Steuerhinterziehung zum Ziel hat.

Im Bereich der Digitalisierung setzt das Unternehmen Noventi, das als bedeutender Akteur im Gesundheitsdienstleistungssektor gilt, auf eine Doppelstrategie. Ursprünglich investierte Noventi in das Gemeinschaftsprojekt Gesund.de, welches Apotheken in Deutschland eine Plattform zur digitalen Kommunikation mit Patienten bietet. Noventi integriert nun seine eigene Lösung CardLink in die aFon-App und vollzieht damit einen strategischen Wandel, der die Kommunikation und den digitalen Bestellprozess weiter optimieren soll.

Unterdessen regt sich Kritik an der Bundespolitik in Bezug auf die Apothekenbranche. Apothekerin Marietheres Reher-Gremme aus Dülmen kritisierte jüngst scharf das Bundesgesundheitsministerium. In einem offenen Schreiben warf sie Thomas Müller, einem Abteilungsleiter im Ministerium, Ignoranz und Arroganz vor, nachdem dieser die Apotheken als unflexibel und rückständig bezeichnete. Diese Aussagen sorgten für Empörung in der Branche, da sie den herausfordernden Alltag der Apotheker nicht widerspiegeln.

Auf politischer Ebene sorgt in Hessen die neu gegründete Liste 7 für Aufsehen, die unter der Leitung von Dr. Schamim Eckert einen Wechsel in der Berufspolitik fordert. Die Kandidaten der Liste kritisieren die bisherige Vertretung der Apotheker als unzureichend und sehen die Apothekerschaft in eine Rolle gedrängt, die sie im Gesundheitssystem zu Heilberuflern zweiter Klasse degradiere.

Auch auf dem Pharmamarkt gibt es bedeutende Entwicklungen. Der Insulinhersteller Novo Nordisk hat angekündigt, bis Ende 2026 mehrere seiner klassischen Insuline vom Markt zu nehmen. Dies betrifft unter anderem Levemir und verschiedene Humaninsuline, die durch moderne Therapieansätze ersetzt werden sollen. Diese Entscheidung wird im Rahmen einer globalen Strategie getroffen, die darauf abzielt, den Einsatz moderner Behandlungsmethoden zu fördern.

Trotz gesetzlicher Initiativen zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln zeigen Umfragen, dass die erhoffte Verbesserung ausbleibt. Der Verband Pro Generika kritisierte, dass besonders Antibiotika und Krebsmedikamente weiterhin von Engpässen betroffen seien, was die Versorgungssicherheit massiv beeinträchtigt. Der Verband fordert daher Nachbesserungen am Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz, da die bisherigen Maßnahmen keine spürbare Entlastung gebracht hätten.

Zudem gibt es Bedenken hinsichtlich der Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA), die ab 2025 schrittweise in Deutschland eingeführt werden soll. Ärzte und Patientenvertreter kritisieren die unausgereifte Technologie und warnen vor möglichen technischen und organisatorischen Problemen, die die Umsetzung behindern könnten.

Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wurde kürzlich beschlossen, dass die Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) zur Pflichtleistung für Risikogruppen wird. Diese betrifft insbesondere ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen. Die Entscheidung fiel durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, der die Impfung in die Schutzimpfungs-Richtlinie aufgenommen hat.

Derzeit steigen auch die Fälle von Mykoplasmen-Lungenentzündungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Experten warnen vor einer Ausbreitung dieser bakteriellen Infektionen, die insbesondere durch die Art Mycoplasma pneumoniae verursacht werden. Diese Erkrankungen rücken mit Beginn der Erkältungssaison verstärkt in den Fokus, da sie schwerwiegende Atemwegsinfektionen auslösen können.

Die Vielfalt der aktuellen Themen unterstreicht die Herausforderungen und Entwicklungen, mit denen Apotheker, Patienten und Gesundheitsdienstleister gleichermaßen konfrontiert sind. Von wirtschaftlichen Schwierigkeiten und neuen steuerlichen Verpflichtungen bis hin zu technologischen Umbrüchen und medizinischen Herausforderungen bleibt der Druck auf die Akteure im Gesundheitswesen hoch.


Kommentar:

Die aktuellen Entwicklungen in der Apothekenbranche offenbaren die tiefgreifenden strukturellen Herausforderungen, denen Apotheker in Deutschland gegenüberstehen. Angesichts der dramatisch gestiegenen Betriebskosten und sinkenden Margen ist es kein Wunder, dass viele Apotheken zunehmend in wirtschaftliche Schieflage geraten. Das StaRUG bietet zwar einen rettenden Anker, doch wird die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme professioneller Unterstützung oft viel zu spät erkannt. Die Frage bleibt: Wann wird die Politik endlich wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Apothekenlandschaft langfristig zu stabilisieren und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten?

Gleichzeitig wird das Thema der Transparenz immer brisanter. Die erweiterten Berichtspflichten für Auslandskonten sind ein weiteres Beispiel dafür, wie der Staat versucht, Steuerhinterziehung zu bekämpfen, ohne die administrativen Belastungen der Apothekenbetreiber zu berücksichtigen. Die zunehmenden bürokratischen Hürden lassen viele Apotheker berechtigterweise fragen, wie viel Zeit und Ressourcen sie künftig noch für ihre eigentliche Aufgabe, die Gesundheitsversorgung, übrig haben.

Die digitale Transformation ist zweifellos ein wichtiger Schritt in die Zukunft, wie das Beispiel Noventi zeigt, doch darf die Digitalisierung nicht auf Kosten der individuellen Patientenbetreuung und des Fachwissens gehen, das eine persönliche Beratung in der Apotheke auszeichnet. Apotheken sind mehr als reine Abgabestellen für Medikamente – sie sind integraler Bestandteil des Gesundheitssystems. Es ist daher unverständlich, wie Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums die Branche als rückständig abtun können. Diese realitätsferne Einschätzung verkennt die tatsächlichen Herausforderungen, denen sich Apotheken im Alltag stellen müssen.

Auch im Pharmamarkt sehen wir, dass altbewährte Therapien zunehmend durch moderne Behandlungsansätze ersetzt werden. Novo Nordisk mag den Schritt zur Ablösung älterer Insuline als Fortschritt verkaufen, doch sollte dieser Wandel immer auch im Kontext der tatsächlichen Versorgungsbedarfe der Patienten betrachtet werden. Denn auch die modernsten Therapien sind nur dann von Wert, wenn sie in ausreichender Menge und für alle zugänglich zur Verfügung stehen.

Das anhaltende Problem der Arzneimittel-Lieferengpässe zeigt, dass gesetzliche Initiativen wie das ALBVVG bisher weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Pro Generika weist zurecht darauf hin, dass die Versorgungslage in Bereichen wie Antibiotika und Krebsmedikamenten weiterhin prekär ist. Es braucht dringend eine ehrliche Diskussion über die tatsächlichen Ursachen dieser Engpässe – und zwar über den rein gesetzlichen Rahmen hinaus.

Angesichts der zunehmenden Mykoplasmen-Infektionen und der bevorstehenden Einführung der elektronischen Patientenakte steht die Gesundheitsbranche vor weiteren Herausforderungen. Die Einführung der ePA sollte eine Erleichterung im Versorgungsalltag bringen, doch viele Fachleute warnen zu Recht vor technischen Hürden und einer mangelnden Praxistauglichkeit. Wenn wir aus der Digitalisierung einen wirklichen Fortschritt machen wollen, müssen Systeme wie die ePA umfassend getestet und ausgereift sein, bevor sie flächendeckend eingesetzt werden.

Der Gesundheitssektor ist ein komplexes Gefüge, das sich ständig weiterentwickelt. Aber es ist klar, dass kurzfristige Lösungen und unausgereifte Technologien keine Antwort auf die tief verwurzelten Probleme bieten. Was es jetzt braucht, sind langfristige politische und wirtschaftliche Strategien, die die Bedürfnisse der Apotheken und ihrer Patienten ernst nehmen, anstatt sie durch zusätzliche bürokratische Hürden und mangelnden Rückhalt weiter zu belasten.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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