• 21.09.2024 – Glosse: Lauterbachs Versand-Deal vor dem Kollaps

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Glosse: Lauterbachs Versand-Deal vor dem Kollaps

 

Wie der Plan mit den Versandapotheken schneller ins Wanken gerät als erwartet

Karl Lauterbach setzt auf Versandapotheken, wenn die Vor-Ort-Apotheken sich weiterhin querstellen. Exklusive Verträge, weniger Bürokratie – klingt nach einer Win-win-Situation, oder? Doch schon nach einer Woche zeigt sich: Die neue Lösung kommt an ihre Grenzen, während die alten Probleme wieder in den Fokus rücken. Ein vermeintlicher Polit-Deal mit großen Haken.


Karl Lauterbach hat kürzlich erneut die Apothekenlandschaft in Deutschland aufgerüttelt, als er klarstellte, dass die Apothekerschaft besser daran täte, ihre Forderungen zurückzuschrauben. Sollte das nicht geschehen, so drohte der Gesundheitsminister an, nach neuen Partnern zu suchen. An diesem Punkt treten die Versender auf den Plan und bieten sich nur allzu gerne als alternative Lösung an. Wenn sich die stationären Apotheken querstellen, warum dann nicht den Versandapotheken die Verantwortung übergeben, das Gesundheitssystem am Laufen zu halten?

Statt sich in endlosen Diskussionen mit der Apothekenvertretung zu verstricken, die immer wieder die gleichen Forderungen stellt, scheint der Austausch mit den CEOs von DocMorris und Redcare wesentlich produktiver zu verlaufen. Die Differenzen zwischen den Versandapotheken und dem Bundesgesundheitsministerium sind offenbar gering. Themen, die die stationären Apotheken zur Verzweiflung treiben, scheinen den Versendern nur ein müdes Lächeln zu entlocken. Lieferengpässe, die übermäßige Belastung der Apotheken durch Bürokratie und Telepharmazie oder die Margendiskussionen? All das scheint für die CEOs der Versandapotheken keine große Rolle zu spielen.

Besonders bei der PTA-Problematik, die im Fokus der Apothekenlandschaft steht, herrscht bei den Versendern völlige Gelassenheit. Die Frage der Honorierung von Kassenrezepten, die für die stationären Apotheken von existenzieller Bedeutung ist, scheint den Versandapotheken kaum der Rede wert zu sein. Wichtig ist nur, dass die Rezepte hinter der holländischen Grenze landen – und das tun sie auch. Heimliche Boni oder verdeckte Rabatte? All das fällt für die Versender weg, was den bürokratischen Aufwand deutlich reduziert.

Auch das Thema Telepharmazie scheint für die Versender keine Herausforderung darzustellen. Im Gegenteil: Sie unterstützen die Digitalisierung und Telemedizin mit offenen Armen, ganz egal, ob in ländlichen Regionen oder Ballungszentren. Für sie ist es schlichtweg eine weitere Möglichkeit, ihre Reichweite zu vergrößern und ihre Dienstleistungen weiter auszubauen. Was für die stationären Apotheken eine Herausforderung darstellt, sehen die Versender als Chance.

Sollten sich die Vor-Ort-Apotheken weiterhin wie "bockige Kinder" gegen die Pläne des Gesundheitsministers stellen, droht ein Szenario, das für viele wie ein Albtraum klingen mag: Exklusive Verträge zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und den Versandapotheken. Künftig könnten Rezepte direkt aus den Arztpraxen nach Holland verschickt werden, ohne dass stationäre Apotheken dazwischengeschaltet werden. Und sollten Einwände kommen, dass Teile der Bevölkerung nicht technikaffin genug seien, um die digitale Umstellung zu bewältigen – das spielt laut Lauterbach keine Rolle. Die Daten seien ohnehin vorhanden, sie müssten nur effizient genutzt werden.

Die beiden großen Versandapotheken teilen sich das Sortiment auf, um ihre Lagerhaltung zu optimieren. Individuelle Rezepturen und Notdienste könnten gesetzlich gestrichen werden, da diese angeblich ohnehin hauptsächlich für triviale Anliegen wie Schwangerschaftstests und Nasensprays missbraucht würden. Wer ernsthaft krank ist, soll künftig direkt ins Notfallzentrum gehen, so die pragmatische Lösung. Die Krankenkassen freuen sich ebenfalls: Sie sparen Kosten und müssen nur noch mit zwei großen Anbietern verhandeln, anstatt sich mit über 13.000 Apotheken auseinandersetzen zu müssen.

Doch die vermeintlich perfekte Lösung birgt ihre eigenen Tücken. Die Einführung von Kontrollen an den Grenzen bringt das Versandmodell ins Wanken. LKW stauen sich auf den Autobahnen, Pakete bleiben tagelang liegen und die kranken Menschen mit Abholscheinen stehen in langen Schlangen vor den Paketshops und Lottoläden. Auch die Videosprechstunden sind plötzlich von technischen Problemen geplagt. Minutenlang sieht man nur eingefrorene Bilder, während die Patienten verzweifelt auf Antworten warten.

Nach nur einer Woche wird klar, dass das ambitionierte Projekt gescheitert ist. Doch Lauterbach will das natürlich nicht zugeben. Er spricht von punktuellen Engpässen und Problemen, die seine Vorgänger zu verantworten hätten. Dennoch beginnen einige im Bundesgesundheitsministerium zu überlegen, ob das Modell der Vor-Ort-Apotheken vielleicht doch nicht so schlecht war. Echte Menschen, die in echten Apotheken vor Ort arbeiten – das könnte vielleicht die Lösung sein, auf die man längst hätte kommen können.

Es ist eine bittere Ironie: Nachdem die Apothekenlandschaft durch zahlreiche Reformpläne in Aufruhr versetzt wurde, wird nun vielleicht doch erkannt, dass das alte System gar nicht so schlecht funktioniert hat. Aber bis diese Erkenntnis reift, müssen die Apotheken weiterkämpfen – gegen Lieferengpässe, überbordende Bürokratie und ein Ministerium, das sie offenbar lieber gestern als heute durch die Versandapotheken ersetzen möchte.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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