• 19.09.2024 – Apotheken-News: Finanzielle Erleichterung, neue Risiken und politische Mahnungen

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-News: Finanzielle Erleichterung, neue Risiken und politische Mahnungen

 

Dritter AvP-Abschlag, Retaxationen und Lauterbachs Warnung vor dem Versandhandel setzen die Branche unter Druck – Sicherheitsfragen und öffentliche Kritik verschärfen die Situation

Die Apothekenbranche steht vor großen Herausforderungen: Während der dritte Abschlag der AvP-Insolvenz den finanziell angeschlagenen Apotheken etwas Erleichterung verschafft, warnt Gesundheitsminister Karl Lauterbach eindringlich, dass ohne die Unterstützung des Apothekenreformgesetzes der Versandhandel weiter an Einfluss gewinnen könnte. Parallel dazu sorgen Retaxationen nach der Kündigung der Hilfstaxe für neue Belastungen, da Krankenkassen und der Deutsche Apothekerverband unterschiedliche Auffassungen vertreten. Auch die Sicherheit der Apothekerinnen und Apotheker rückt ins Zentrum der Diskussion, nachdem ein Vorfall im Notdienst, bei dem Pfefferspray eingesetzt wurde, die Gefahren im Arbeitsalltag verdeutlicht hat. Zusätzlich gerät die Abda nach Kritik an ihrer Plakatkampagne über Überstunden unter Druck und zieht das entsprechende Motiv zurück.


Die durch die Insolvenz des Abrechnungsdienstleisters AvP betroffenen Apotheken können aufatmen, denn der lang erwartete dritte Abschlag steht kurz bevor. Laut Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos soll die Auszahlung der dritten Tranche planmäßig erfolgen. Die Gelder sollen bereits morgen angewiesen werden und Anfang der kommenden Woche auf den Konten der betroffenen Apotheken eintreffen. Für viele Apotheken bedeutet dies eine wichtige finanzielle Erleichterung nach der langen Wartezeit und den enormen wirtschaftlichen Belastungen durch die Insolvenz. Die AvP-Pleite hatte zahlreiche Apotheken in eine schwierige Lage gebracht, da diese über Wochen und Monate auf Erstattungen für ihre abgerechneten Rezepte warten mussten.

In einem Gespräch mit Apothekerinnen und Apothekern in Berlin richtete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine eindringliche Warnung an die Branche. Er betonte, dass das Apothekenreformgesetz eine wichtige Maßnahme sei, um die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken zu sichern. Doch falls die Apotheken dieses Gesetz nicht mittragen würden, drohe eine weitere Stärkung des Versandhandels. Lauterbach machte deutlich, dass die Apotheken mit ihrer Unterstützung für das Reformgesetz dazu beitragen könnten, den stationären Apotheken eine tragfähige Zukunft zu ermöglichen. Andernfalls könne der Versandhandel, insbesondere aus dem Ausland, weiter an Bedeutung gewinnen und zu einer erheblichen Konkurrenz für die Vor-Ort-Apotheken werden. Diese Aussagen sorgten in der Apothekenbranche für Unruhe, da viele die Entwicklungen des Versandhandels als existenzielle Bedrohung wahrnehmen.

Parallel zu diesen Entwicklungen müssen sich die Apotheken mit neuen Herausforderungen im Bereich der Rezeptur-Retaxationen auseinandersetzen. Nach der Kündigung der Hilfstaxe durch den Deutschen Apothekerverband (DAV) hatten viele Apotheken befürchtet, dass nun vermehrt Retaxationen durch die Krankenkassen erfolgen würden. Diese Befürchtungen haben sich nun bewahrheitet: Mehrere Apotheken berichten von Retaxationen, bei denen die Krankenkassen offenbar eine abweichende Auffassung über die Abrechnungspraxis vertreten als der DAV. Dies führt zu erheblichen Unsicherheiten in den Apotheken, da jede Retaxation mit finanziellen Verlusten verbunden ist. Die Apotheken stehen nun vor der schwierigen Aufgabe, die Abrechnungsmodalitäten genau zu prüfen und sich gegebenenfalls gegen ungerechtfertigte Retaxationen zur Wehr zu setzen.

Eine besonders dramatische Situation ereignete sich kürzlich im Notdienst in einer Apotheke, als ein Kunde gegenüber dem Apotheker Dr. Henning Bohne äußerst aggressiv reagierte. Der Vorfall ereignete sich in der Samstagnacht, als der Kunde offenbar unzufrieden war und verbal ausfällig wurde. Die Situation eskalierte derart, dass Dr. Bohne schließlich gezwungen war, sich selbst zu verteidigen und den aggressiven Kunden mit Pfefferspray abzuwehren. Diese extreme Reaktion hat nicht nur Auswirkungen auf das unmittelbare Arbeitsumfeld von Dr. Bohne, sondern wirft auch Fragen über die Sicherheitslage im Apothekennotdienst auf. Solche Vorfälle sind zwar selten, doch die zunehmende Aggression in der Gesellschaft macht auch vor Apotheken nicht halt, was die Forderung nach besseren Schutzmaßnahmen für Apothekenpersonal im Notdienst verstärkt.

In einer weiteren aktuellen Entwicklung hat die Abda entschieden, ein umstrittenes Motiv aus ihrer Plakatkampagne zu entfernen. Die Plakate hatten unter anderem darauf hingewiesen, dass Apothekerinnen und Apotheker in den letzten Jahren rund 5 Millionen Überstunden geleistet haben. Diese Zahl sollte die Bedeutung und die hohe Arbeitsbelastung der Apotheken in der Gesundheitsversorgung verdeutlichen. Allerdings stieß das Plakatmotiv auf gemischte Reaktionen, sowohl in der Branche selbst als auch in der Öffentlichkeit. Viele empfanden die Betonung der Überstunden als unglücklich gewählt, da sie weniger eine positive Werbung für die Arbeit der Apotheken darstellte, sondern vielmehr den Eindruck einer überlasteten Branche erweckte. Die Abda reagierte daraufhin und entschied, das entsprechende Motiv aus der Kampagne zu entfernen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die weitere Öffentlichkeitsarbeit der Abda in dieser Angelegenheit gestalten wird.


Kommentar:

Die aktuelle Lage der Apothekenbranche zeigt, wie tiefgreifend die Herausforderungen für die Vor-Ort-Apotheken sind und wie entscheidend es ist, dass sowohl Politik als auch Apotheker Verantwortung übernehmen. Die Insolvenz von AvP hat dabei nur die Spitze des Eisbergs sichtbar gemacht. Viele Apotheken kämpfen bereits seit Jahren mit einer immer größeren finanziellen Belastung, die durch Bürokratie, Retaxationen und einen zunehmend wachsenden Versandhandel weiter verstärkt wird. Dass nun der dritte Abschlag ausgezahlt wird, verschafft den betroffenen Apotheken eine dringend benötigte Atempause, doch die strukturellen Probleme bleiben bestehen.

Karl Lauterbachs eindringliche Warnung an die Apothekerschaft ist daher keine Übertreibung, sondern eine klare Mahnung: Die Apotheken müssen sich entscheiden, ob sie ihre Zukunft aktiv mitgestalten oder die Marktanteile weiter dem Versandhandel überlassen wollen. Das Reformgesetz bietet ihnen zwar keine Wunderlösung, aber es ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Der Versandhandel, vor allem aus dem Ausland, stellt eine reale Bedrohung für den stationären Apothekenmarkt dar, und die Politik allein kann diese Entwicklung nicht stoppen, wenn nicht auch die Apotheken selbst bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und sich den neuen Herausforderungen zu stellen.

Die aktuellen Retaxationen nach der Kündigung der Hilfstaxe verdeutlichen zudem, dass Apotheken ständig zwischen den Fronten von Krankenkassen und Verbänden stehen. Die Krankenkassen sind offensichtlich bereit, jeden Spielraum zu nutzen, um Kosten zu sparen, und dabei werden die Apotheken einmal mehr zum Spielball. Es braucht eine klare Linie und einen stärkeren Schutz der Apotheken, damit diese nicht aufgrund bürokratischer Streitigkeiten finanziell untergehen.

Der Vorfall im Notdienst von Dr. Bohne zeigt zudem, dass es längst nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um ganz reale Sicherheitsfragen geht. Aggressionen im Apothekenalltag sind ein Thema, das bisher zu wenig Beachtung fand. Die zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft macht auch vor Apotheken nicht halt. Es ist dringend notwendig, dass Apothekenpersonal besser geschützt wird, insbesondere im Notdienst. Die Einführung klarer Sicherheitskonzepte und möglicherweise der Ausbau von Notrufsystemen könnten hier Abhilfe schaffen.

Schließlich zeigt der Rückzug der Abda in Bezug auf die Überstunden-Plakatkampagne, dass Sensibilität in der öffentlichen Darstellung unerlässlich ist. Während die 5 Millionen Überstunden unzweifelhaft die immense Belastung der Apotheken dokumentieren, wird dies in der Öffentlichkeit oft als Zeichen von Überforderung interpretiert. Die Apotheken brauchen jedoch eine Kampagne, die nicht nur auf ihre Probleme hinweist, sondern auch auf ihre unersetzliche Rolle im Gesundheitssystem. Sie sind ein wichtiger Pfeiler der Versorgung und sollten dies auch selbstbewusst nach außen kommunizieren.

Letztlich ist klar: Die Apotheken stehen an einem Scheideweg. Es braucht politische Unterstützung, aber auch ein entschlossenes Handeln der Apothekerinnen und Apotheker selbst, um den Wandel zu meistern. Die Zeit, die Zukunft des Apothekenwesens zu sichern, ist jetzt.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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