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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Hochpreisige Arzneimittel bringen viele Apotheken in Deutschland an ihre wirtschaftlichen Grenzen. Steigende Kosten, lange Vorfinanzierungszeiten und unsichere Erstattungsprozesse setzen die Branche zunehmend unter Druck. Während einige Apotheken beginnen, die Belieferung solcher Medikamente zu verweigern, fordern Experten umfassende Reformen, um den Apothekenmarkt langfristig zu stabilisieren. Doch welche Lösungen sind wirklich zukunftsfähig?
Hochpreisige Arzneimittel, oft als „Hochpreiser“ bezeichnet, sorgen seit Jahren für zunehmende Unruhe unter den deutschen Apotheken. Diese Medikamente, die in vielen Fällen lebenswichtige Behandlungen für chronische oder seltene Erkrankungen ermöglichen, haben aufgrund ihrer enormen Kosten das Potenzial, das wirtschaftliche Gleichgewicht vieler Apotheken erheblich zu belasten. Besonders bedrohlich wirkt die anstehende Kürzung des prozentualen Aufschlags, die im Raum steht und für viele Apothekenbetreiber zu einem echten finanziellen Risiko werden könnte. Die Kürzung des Aufschlags um bis zu ein Drittel könnte die Gewinnspannen, die bereits jetzt oft gering sind, weiter verringern.
Apotheken stehen hier vor einem Dilemma: Während einige von ihnen bereits damit begonnen haben, die Belieferung solcher Präparate abzulehnen oder Kunden an andere Anbieter zu verweisen, sehen sich andere gezwungen, trotz aller Risiken weiterhin hochpreisige Arzneimittel zu vertreiben. Die Ablehnung kann langfristig zum Verlust treuer Kunden führen, da vor allem schwerkranke Patienten, die auf diese speziellen Präparate angewiesen sind, oft auf eine zuverlässige Apotheke als Partner zählen müssen. Gleichzeitig bedeutet das Festhalten an der Belieferung auch, dass Apotheken erhebliche Vorfinanzierungszeiten in Kauf nehmen müssen, die teilweise bis zu sechs Wochen betragen. In dieser Zeit bleibt die Apotheke auf den Kosten sitzen und muss zusätzlich Zinsen für die Vorfinanzierung aufbringen, wenn sie nicht über ausreichend Eigenkapital verfügt.
Die wirtschaftliche Belastung wird durch das Risiko verstärkt, dass Krankenkassen die Kosten nicht rechtzeitig oder nur teilweise erstatten. Diese Unwägbarkeiten führen dazu, dass viele Apotheker betriebswirtschaftlich kaum kalkulieren können, ob sich die Belieferung von Hochpreispräparaten tatsächlich lohnt. Für Apotheken, die auf Kredite angewiesen sind, können die anfallenden Zinsen die ohnehin schmalen Margen weiter belasten und in Extremfällen zu Verlusten führen. Andererseits gibt es Apotheken, die durch kluges Finanzmanagement, wie die Wahl der richtigen Großhandelsabbuchungen oder den Einsatz von Eigenkapital, dennoch in der Lage sind, mit Hochpreispräparaten Gewinne zu erzielen.
Ein immer wieder diskutierter Lösungsansatz ist die Einführung eines zusätzlichen prozentualen Aufschlags von 5 % auf hochpreisige Arzneimittel, um die finanziellen Risiken für Apotheken abzufedern. Der gesamte Rx-Fertigarzneimittelmarkt in Deutschland umfasst ein Einkaufsvolumen von rund 45 Milliarden Euro, wovon etwa 18 Milliarden Euro auf Hochpreispräparate entfallen. Ein zusätzlicher Aufschlag von 5 % würde den Apotheken schätzungsweise 900 Millionen Euro mehr an Rohertrag einbringen, was durchschnittlich rund 53.000 Euro pro Apotheke ausmachen würde. Die Mehrkosten für die Krankenkassen, inklusive Mehrwertsteuer, würden sich auf etwa 1,07 Milliarden Euro belaufen. Damit könnten Apotheken besser auf die Preisentwicklung dieser teuren Präparate reagieren, deren Kosten in den letzten Jahren erheblich gestiegen sind.
Doch nicht alle Experten halten diese Lösung für zielführend. Sie argumentieren, dass eine grundlegende Reform des Abrechnungssystems, das die Risiken für Apotheken nachhaltig senken könnte, dringend notwendig ist. Ein modernes, digitalisiertes Abrechnungssystem, das sich stärker an den Prozessen des Onlinehandels orientiert, könnte helfen, die Risiken der langen Vorfinanzierung zu minimieren. Technologisch wäre es bereits heute möglich, den Verkauf so zu gestalten, dass eine automatisierte Prüfung der Abgabebestimmungen und eine sofortige Zahlung durch den Kunden bei Abgabe der Arzneimittel erfolgen. Ein solches System könnte die finanzielle Belastung der Apotheken drastisch reduzieren, da es die Kapitalbindung erheblich senken würde.
Ein weiteres Problem stellt die Lagerhaltung von hochpreisigen Medikamenten dar. Viele Apotheken halten diese teuren Präparate auf Vorrat, um Kunden schnell bedienen zu können. Dies verursacht zusätzliche Kosten, die durch den bisherigen prozentualen Aufschlag oft nicht gedeckt werden können. Bei einem monatlichen Lagerkostensatz von 1,5 % pro Monat und einem Aufschlag von nur 3 % decken die Einnahmen die Kosten für maximal zwei Monate ab. Ein Aufschlag von 2 % würde dagegen nur noch für etwa 40 Tage ausreichen, was zu erheblichen wirtschaftlichen Engpässen führen könnte, wenn die Präparate nicht schnell verkauft werden.
Das bestehende Abrechnungssystem hat sich angesichts der steigenden Kosten und Risiken als veraltet erwiesen. Niedrige prozentuale Aufschläge sind nur dann vertretbar, wenn keinerlei Erstattungsrisiken mehr bestehen. Hochpreispräparate dürfen jedoch nicht dazu führen, dass Patienten, die auf diese Medikamente angewiesen sind, zu einer „persona non grata“ für Apotheken werden. Denn gerade diese Patienten könnten in Zukunft eine wichtige Rolle für das wirtschaftliche Überleben vieler Apotheken spielen. Der Versandhandel, der bereits mit den Hufen scharrt, um sich diesen Markt zu sichern, bietet eine ernstzunehmende Konkurrenz. Apotheken müssen daher dringend neue Wege finden, um den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden und ihre Rolle im Gesundheitssystem zu behaupten.
Die anhaltende Diskussion um hochpreisige Arzneimittel und deren Auswirkungen auf Apotheken zeigt deutlich, dass das derzeitige System nicht mehr den Anforderungen des Marktes gerecht wird. Es ist unübersehbar, dass die Apothekenbranche mit strukturellen Problemen kämpft, die weit über die Frage des prozentualen Aufschlags hinausgehen. Die geplante Kürzung des Aufschlags um ein Drittel mag aus Sicht der Krankenkassen sinnvoll erscheinen, doch sie verkennt die tiefgreifenden Herausforderungen, mit denen Apotheken tagtäglich konfrontiert sind.
Die Forderung nach einem zusätzlichen Aufschlag von 5 % auf hochpreisige Präparate ist zwar nachvollziehbar, greift jedoch zu kurz. Sie bekämpft lediglich die Symptome, nicht aber die Ursachen der wirtschaftlichen Misere. Die wahre Herausforderung liegt in den langen Vorfinanzierungszeiten, den unsicheren Erstattungsprozessen und den erheblichen Risiken, die mit der Belieferung teurer Präparate einhergehen. Apotheken, die auf Kredite angewiesen sind, stehen hier vor einem kaum zu bewältigenden finanziellen Risiko. Eine einfache Erhöhung der Aufschläge wird diese Probleme nicht lösen.
Es bedarf einer grundsätzlichen Reform des Abrechnungssystems, das die Apotheken in die Lage versetzt, wirtschaftlich nachhaltig zu arbeiten. Der Weg hin zu einer digitalisierten Abwicklung, bei der die Zahlung sofort bei Abgabe erfolgt und die Risiken der Vorfinanzierung minimiert werden, ist längst überfällig. In Zeiten, in denen der Onlinehandel in vielen Bereichen des Lebens bereits Standards gesetzt hat, ist es unverständlich, warum Apotheken weiterhin auf ein antiquiertes System angewiesen sind.
Die Apotheken selbst tragen jedoch auch Verantwortung. Sie müssen aktiv nach Lösungen suchen und sich nicht darauf verlassen, dass die Politik ihre Probleme löst. Die Digitalisierung bietet enorme Potenziale, die Apotheken nutzen müssen, um ihre wirtschaftliche Zukunft zu sichern. Wer jetzt nicht handelt, riskiert, den Anschluss zu verlieren.
Hochpreisige Arzneimittel bieten trotz aller Risiken auch große Chancen. Die Betreuung von Hochkostenpatienten könnte für viele Apotheken eine existenzsichernde Einnahmequelle darstellen. Doch dazu müssen die Apotheken bereit sein, sich den Herausforderungen zu stellen und neue Wege zu gehen. Der Versandhandel wartet bereits darauf, diese lukrativen Märkte zu erschließen. Ein entschlossenes Handeln ist daher dringend erforderlich, um die Apothekerschaft zukunftsfähig zu machen und gleichzeitig eine flächendeckende Versorgung der Patienten sicherzustellen.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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