• 11.09.2024 – Anstieg der Suizide

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Anstieg der Suizide

 

Ältere besonders betroffen

Die Zahl der Suizide in Deutschland ist im Jahr 2023 leicht gestiegen, besonders stark betroffen sind ältere Menschen. Trotz eines generellen Rückgangs in jüngeren Altersgruppen zeigt sich, dass die Suizidprävention bei Senioren nicht ausreichend greift. Experten fordern, das Thema weiter zu enttabuisieren und frühzeitig Unterstützung anzubieten.


Die Zahl der Suizide in Deutschland ist im Jahr 2023 leicht angestiegen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, nahmen sich rund 10.300 Menschen das Leben, was einem Anstieg von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, als etwa 10.100 Suizidfälle verzeichnet wurden. Diese Entwicklung setzt den Trend eines leichten, aber kontinuierlichen Anstiegs fort, der bereits seit dem historischen Tiefstand im Jahr 2019 beobachtet wird. Damals gab es rund 9.000 Suizide, der niedrigste Wert seit Beginn der statistischen Erhebungen. Der Anstieg im Vergleich zu 2019 beträgt mittlerweile 14 Prozent, was auf gesellschaftliche, psychologische und demografische Veränderungen zurückgeführt wird.

Trotz dieses Anstiegs bleibt die Zahl der Suizide deutlich unter den Werten früherer Jahrzehnte. Im Jahr 1980 beispielsweise nahmen sich noch 18.500 Menschen in Deutschland das Leben. Seitdem hat sich die Zahl der Suizide um 44 Prozent verringert, was als Erfolg der langfristig implementierten Präventionsmaßnahmen gewertet wird. Diese Erfolge dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es insbesondere in bestimmten Altersgruppen nach wie vor gravierende Probleme gibt.

Besonders auffällig ist der Anstieg der Suizide bei älteren Menschen. Die Zahl der Suizide in der Altersgruppe der über 85-Jährigen hat sich seit 2003 mehr als verdoppelt. Während im Jahr 2003 noch etwa 600 Menschen in dieser Altersgruppe durch Suizid starben, waren es 2023 knapp 1.300 Fälle. Mit einer Suizidrate von 41,6 pro 100.000 Einwohner ist diese Altersgruppe besonders stark betroffen, verglichen mit dem Durchschnitt aller Altersgruppen, der 2023 bei 12,2 lag. Diese Zahlen machen deutlich, dass ältere Menschen vermehrt unter psychischen Belastungen und Vereinsamung leiden, was Experten als besorgniserregend ansehen. Der Anstieg der Suizidfälle in dieser Altersgruppe wird zwar teilweise durch den demografischen Wandel erklärt, doch reicht diese Begründung allein nicht aus.

In jüngeren Altersgruppen zeigt sich hingegen ein gegenteiliger Trend. Die Zahl der Suizide bei Menschen unter 25 Jahren ist rückläufig. Während 2003 noch über 700 junge Menschen durch Suizid starben, waren es 2023 weniger als 500. Bei den 35- bis 44-Jährigen hat sich die Zahl der Suizide seit 2003 sogar halbiert. Besonders besorgniserregend bleibt jedoch, dass Suizid in der Altersgruppe der 10- bis unter 25-Jährigen nach wie vor die häufigste Todesursache darstellt – noch vor Verkehrsunfällen und Krebs. 18 Prozent aller Todesfälle in dieser Altersgruppe sind auf Suizid zurückzuführen.

Ein weiteres signifikantes Merkmal der Suizidstatistik ist der nach wie vor bestehende Unterschied zwischen den Geschlechtern. Im Jahr 2023 waren rund 73 Prozent der Suizidopfer Männer, was einem langjährigen Trend entspricht. Dieses Ungleichgewicht hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kaum verändert. Dennoch ist die Zahl der Suizide bei Frauen in den letzten Jahren leicht gestiegen, was von Experten als bedenklich gewertet wird.

Der Welttag der Suizidprävention, der jedes Jahr am 10. September begangen wird, ruft dazu auf, mehr Aufmerksamkeit auf die Problematik der Suizide zu lenken und Menschen in Krisensituationen frühzeitig Hilfe anzubieten. Experten betonen, dass offenes Reden über Suizidgedanken ein entscheidender Schritt zur Prävention sei. Hilfe für Betroffene gibt es beispielsweise durch die Telefonseelsorge, die anonym und rund um die Uhr erreichbar ist. Darüber hinaus stehen auch Hausärzte, Psychotherapeuten und psychiatrische Kliniken als Anlaufstellen zur Verfügung. Es ist entscheidend, dass Betroffene frühzeitig Unterstützung suchen und sich nicht scheuen, über ihre Verzweiflung zu sprechen.

Die Prävention von Suiziden bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es gilt, das Thema weiter zu enttabuisieren, um Menschen in Krisen frühzeitig zu erreichen und ihnen Wege aus ihrer verzweifelten Situation aufzuzeigen.


Kommentar:

Der erneute Anstieg der Suizide in Deutschland, insbesondere in der Altersgruppe der über 85-Jährigen, ist ein alarmierendes Signal und ein deutlicher Hinweis darauf, dass bestehende Präventionsmaßnahmen nicht alle Bevölkerungsgruppen gleich gut erreichen. Die Zahlen verdeutlichen eine schmerzliche Realität: Während jüngere und mittelalte Menschen offenbar von Präventionsprogrammen profitieren, fühlen sich ältere Menschen häufig allein gelassen. Dies ist besorgniserregend, denn gerade ältere Menschen, die oftmals mit Einsamkeit, gesundheitlichen Einschränkungen und einem Gefühl des Verlustes konfrontiert sind, benötigen dringend Unterstützung.

Es ist ein gesellschaftlicher Missstand, dass in einer Zeit, in der das Thema psychische Gesundheit zunehmend in den Fokus rückt, ältere Menschen nach wie vor zu oft in ihrer Not übersehen werden. Die Verdopplung der Suizide in der Altersgruppe der über 85-Jährigen innerhalb von 20 Jahren zeigt, dass wir hier versagt haben. Es bedarf dringend spezifischer Präventionsprogramme, die sich gezielt an diese besonders vulnerable Gruppe richten. Neben psychotherapeutischer Hilfe muss auch die gesellschaftliche Integration und das Gefühl der Wertschätzung für ältere Menschen verbessert werden.

Ein weiteres drängendes Problem ist das nach wie vor bestehende Geschlechterungleichgewicht bei den Suiziden. Der Umstand, dass fast drei Viertel aller Suizidopfer Männer sind, wirft die Frage auf, ob Präventionsmaßnahmen und Unterstützungsangebote ausreichend auf die Bedürfnisse von Männern zugeschnitten sind. Psychische Belastungen bei Männern, die häufig im Stillen ertragen werden, verdienen größere gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Es gilt, die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, weiter zu senken und ein offenes Gesprächsklima zu schaffen.

Trotz aller Fortschritte in der Suizidprävention darf nicht übersehen werden, dass Suizid nach wie vor ein Tabuthema ist. Diese Tabuisierung verhindert oftmals, dass Menschen frühzeitig Hilfe suchen. Anstatt das Thema zu vermeiden, müssen wir als Gesellschaft lernen, offen darüber zu sprechen – nicht nur am Welttag der Suizidprävention, sondern das ganze Jahr über. Suizide sind vermeidbar, wenn wir frühzeitig handeln, Unterstützung anbieten und das Schweigen brechen.

Die zentrale Botschaft muss lauten: Es gibt immer eine Alternative. Jeder Mensch hat das Recht auf Unterstützung, und es liegt an uns, diese Hilfsangebote zugänglich zu machen. Nur so können wir verhindern, dass Verzweiflung in den Tod führt.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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