• 09.09.2024 – Migration: Heuchelei der CDU/CSU

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Migration: Heuchelei der CDU/CSU

 

Wie politische Rhetorik den Sozialstaat gefährdet und die Gesellschaft spaltet

Die Debatte um Migration in Deutschland spitzt sich zu. Die CDU/CSU fordert eine härtere Linie und warnt vor einer Überforderung des Landes. Kritiker werfen der Union vor, mit ihrer Rhetorik rechtspopulistischen Strömungen Vorschub zu leisten und die Gesellschaft zu spalten. Inwieweit gefährdet diese Politik die Werte des Sozialstaats und welchen Einfluss hat sie auf die öffentliche Meinung?


Die Debatte über Migration hat in den letzten Wochen in Deutschland einen neuen Höhepunkt erreicht. Die CDU/CSU, angeführt von Friedrich Merz und Markus Söder, hat sich lautstark zu Wort gemeldet und eine härtere Linie in der Migrationspolitik gefordert. Diese Forderungen beinhalten eine drastische Begrenzung der Zuwanderung, eine beschleunigte Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern sowie eine stärkere Sicherung der deutschen Außengrenzen. Besonders auffällig dabei ist die aggressive Rhetorik, die sich zunehmend gegen die Ampelkoalition unter Bundeskanzler Olaf Scholz richtet, der vorgeworfen wird, die Kontrolle über die Migrationspolitik verloren zu haben.

Die CDU/CSU behauptet, Deutschland sei angesichts der aktuellen Zuwanderungszahlen überfordert. Diese Argumentation findet sich nicht nur in den öffentlichen Reden von Merz und Söder, sondern auch in den jüngsten Positionspapieren der Union, die darauf abzielen, die Zahl der Asylsuchenden deutlich zu reduzieren. Merz sprach zuletzt davon, dass die Integration nicht mehr zu bewältigen sei, und warf der Bundesregierung vor, „blind gegenüber den Realitäten“ zu sein. Diese Wortwahl erinnert stark an die Rhetorik der Flüchtlingskrise von 2015, als ähnliche Forderungen erhoben wurden, und lässt eine erneute Polarisierung der Gesellschaft befürchten.

Studien zeigen, dass in Teilen der deutschen Bevölkerung – vor allem in ländlichen Regionen und in den neuen Bundesländern – die Skepsis gegenüber Migration zunimmt. Insbesondere die Sorge vor „Überfremdung“ und einer möglichen Überlastung des Sozialsystems nimmt zu. Diese Ängste greift die CDU/CSU nun geschickt auf. Indem sie die Regierung kritisiert, versucht sie, sich als Retter des deutschen Sozialstaats zu inszenieren. Doch diese Strategie birgt Gefahren: Durch die bewusste Zuspitzung des Themas Migration könnte die Union ungewollt rechtspopulistischen Strömungen in die Hände spielen. Die AfD, die seit Jahren ähnliche Themen besetzt, könnte durch diese Debatte weiter an Zustimmung gewinnen.

Während sich die politische Debatte zunehmend zuspitzt, gerät ein wesentlicher Aspekt in den Hintergrund: die langfristigen Auswirkungen der Migration auf Deutschland. Das Land steht vor großen demografischen Herausforderungen. Die deutsche Gesellschaft altert rapide, und der Fachkräftemangel wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Bereits jetzt fehlen in vielen Branchen Arbeitskräfte, und die Zuwanderung könnte diese Lücken schließen. Experten sind sich einig, dass die deutsche Wirtschaft ohne gezielte Migration in erhebliche Schwierigkeiten geraten könnte. Doch statt die Potenziale der Migration zu erkennen und sie für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung zu nutzen, konzentriert sich die politische Diskussion immer stärker auf kurzfristige Ängste und Ressentiments.

Ein weiteres Argument, das von der CDU/CSU immer wieder vorgebracht wird, ist der Schutz der Werte des Sozialstaats. Deutschland sei aufgrund seiner hohen Sozialstandards besonders attraktiv für Zuwanderer, was dazu führe, dass das System überlastet werde, so die Kritiker. Doch diese Argumentation greift zu kurz. Der Sozialstaat lebt von Solidarität und Gerechtigkeit – Werte, die auch auf schutzbedürftige Menschen angewendet werden müssen. Die Grundprinzipien der sozialen Gerechtigkeit sind fest in der deutschen Verfassung verankert und dürfen nicht als Vorwand für eine restriktivere Migrationspolitik missbraucht werden.

Deutschland hat in der Vergangenheit bewiesen, dass es in der Lage ist, große Herausforderungen im Zusammenhang mit Migration zu bewältigen. Die erfolgreiche Integration von Millionen Gastarbeitern in den 1960er und 1970er Jahren sowie die Aufnahme von Geflüchteten während der Balkankriege und der Flüchtlingskrise 2015 sind Beispiele dafür, dass das Land in der Lage ist, solche Situationen zu meistern. Entscheidend ist, dass die Politik einen klaren und langfristigen Plan verfolgt, der sowohl die Integration der Neuankömmlinge fördert als auch den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft stärkt.

 
Kommentar:

Die jüngste Diskussion um Migration in Deutschland wird von der CDU/CSU dominiert – und das auf eine Weise, die man als politisch gefährlich und moralisch fragwürdig bezeichnen muss. Die scharfe Rhetorik der Union, die auf eine vermeintliche Überforderung Deutschlands durch Zuwanderung abzielt, ist nicht nur übertrieben, sondern auch heuchlerisch. Denn dieselben Politiker, die nun lautstark vor den Folgen der Migration warnen, haben in der Vergangenheit selbst kaum Lösungen angeboten und profitierten lange von einem System, das Migration zuließ.

Die Forderungen nach einer Begrenzung der Zuwanderung sind nicht neu. Sie sind seit Jahren Teil des konservativen Diskurses in Deutschland. Neu ist jedoch die Heftigkeit, mit der die CDU/CSU das Thema erneut aufgreift. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und wachsender sozialer Ungleichheit versuchen konservative Parteien, die Ängste der Bevölkerung zu instrumentalisieren. Anstatt konstruktive Vorschläge zur Lösung der drängenden Probleme des Landes zu machen, betreibt die Union politische Panikmache.

Diese Strategie ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch gefährlich. Sie führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft und bestärkt diejenigen, die bereits Vorurteile gegenüber Migranten hegen. Besonders besorgniserregend ist, dass die CDU/CSU durch ihre Rhetorik die Positionen der AfD legitimiert. Indem sie ähnliche Forderungen stellt, läuft sie Gefahr, die rechtspopulistische Partei weiter zu stärken – mit möglicherweise gravierenden Folgen für den politischen Diskurs in Deutschland.

Doch die Heuchelei der Union zeigt sich nicht nur in ihrer Rhetorik, sondern auch in ihrer Argumentation. Die Behauptung, dass Migration den deutschen Sozialstaat gefährdet, entbehrt jeder Grundlage. Im Gegenteil: Ohne Zuwanderung wird Deutschland langfristig vor erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen. Der Fachkräftemangel ist nur ein Beispiel dafür. Die CDU/CSU ignoriert bewusst die Vorteile, die gezielte Migration für die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft haben kann. Stattdessen wird ein Bild gezeichnet, das Ängste schürt und Solidarität untergräbt.

Wenn die CDU/CSU wirklich an den Werten des Sozialstaats interessiert wäre, würde sie sich für eine verantwortungsvolle Migrationspolitik einsetzen, die sowohl den Bedürfnissen der deutschen Gesellschaft als auch den Rechten der Migranten gerecht wird. Doch das scheint nicht das Ziel der Union zu sein. Vielmehr geht es darum, politische Punkte zu sammeln – auf Kosten der Menschen, die am meisten auf Schutz und Solidarität angewiesen sind.

Es ist an der Zeit, dass die politische Debatte in Deutschland wieder zu den eigentlichen Herausforderungen zurückkehrt: Wie kann die Migration so gestaltet werden, dass sie sowohl der Gesellschaft als auch den Zuwanderern zugutekommt? Wie können wir sicherstellen, dass Integration gelingt und der soziale Zusammenhalt gewahrt bleibt? Diese Fragen erfordern durchdachte Antworten – und keine populistische Heuchelei.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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