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GESUNDHEIT | Medienspiegel & Presse |
Weinen wird oft als Zeichen von Schwäche betrachtet, doch neue Erkenntnisse zeigen, dass es zahlreiche positive Effekte auf die physische und psychische Gesundheit hat. Dr. Andreas Jähne, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Rhein-Jura in Baden-Württemberg, erläutert den bedeutenden Unterschied zwischen Tränenfluss und Weinen. Tränenfluss, wie er beispielsweise durch Wind ausgelöst wird, ist ein Reflex und dient als Schutzfunktion für das Auge. Weinen hingegen ist ein Ausdruck eines psychischen Prozesses.
Das Weinen fördert die Freisetzung von Endorphinen, die als natürliche Schmerzmittel wirken, und kann das Immunsystem stärken. Studien zeigen, dass Weinen die Produktion von Immunzellen anregt und den Körper widerstandsfähiger gegen Krankheiten macht. Besonders für die Seele ist Weinen ein Wundermittel: Es ermöglicht das Ausdrücken negativer Emotionen wie Traurigkeit und Frustration auf gesunde Weise, hilft bei der Verarbeitung schmerzhafter Erinnerungen und baut emotionale Spannungen ab. Dr. Jähne betont, dass Weinen ein wichtiger Schritt zur emotionalen Heilung sein kann, da es hilft, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten.
Schon im frühen Kindesalter kommunizieren Menschen hauptsächlich durch Weinen, um Unterstützung oder Trost zu signalisieren. Weinen ist einzigartig menschlich und dient als wichtiges Mittel der sozialen Kommunikation. Es fördert soziale Bindungen durch die Freisetzung von Hormonen wie Oxytocin, das als Bindungshormon bekannt ist.
Stereotype darüber, wer weint und wer nicht, führen dazu, dass viele Menschen ihre Tränen unterdrücken. Frauen zeigen eher ihre Emotionen, während Männer oft stark wirken wollen. Stereotype wie „Heulsuse“ oder „Echte Männer weinen nicht“ sind tief in der Gesellschaft verankert. Weinen wird oft als Zeichen von Schwäche interpretiert, besonders in Konfliktsituationen, so Jähne.
Das ständige Unterdrücken von Tränen kann erhebliche negative Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit haben. Es kann zu physischen Symptomen wie Kopfschmerzen, erhöhtem Blutdruck oder sogar Herzproblemen führen. Auch die mentale Gesundheit leidet, wenn das Zulassen von Tränen unterdrückt wird. Dies kann emotionale Blockaden verursachen und emotionale Probleme verschärfen, was zu Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen führen kann. Wer daran gewöhnt ist, nicht zu weinen, riskiert auch soziale Probleme wie emotionale Kälte, Verlust an Empathie und geringem Mitgefühl.
In bestimmten Situationen, besonders im beruflichen Umfeld, sollte man Tränen jedoch kontrollieren, um die eigene Glaubwürdigkeit und Autorität nicht infrage zu stellen. Beispielsweise könnte es irritierend wirken, wenn ein Staatsoberhaupt öffentlich über ein Tierfoto weint. Auch in zwischenmenschlichen Beziehungen kann Weinen unterschiedlich aufgenommen werden und Missverständnisse hervorrufen, wenn es als manipulative Taktik oder emotionale Überforderung interpretiert wird.
Dr. Jähne rät, sich bewusst zu machen, was man fühlt, und diese Gefühle zu akzeptieren, anstatt sie zu verdrängen. Das Zulassen von Gefühlen ist ein gesunder und natürlicher Teil des Lebens. Eine sichere und private Umgebung kann hilfreich sein, um sich zu öffnen und die Tränen fließen zu lassen. Emotionale Auslöser wie traurige Musik oder emotionale Filme können genutzt werden, um Tränen zu lockern. Tiefes und bewusstes Atmen kann helfen, den Körper zu entspannen und emotionalen Stress abzubauen. Professionelle Unterstützung durch eine Therapie kann ebenfalls wertvoll sein, um emotionale Blockaden zu erkennen und zu lösen.
Es ist an der Zeit, das Weinen neu zu bewerten und seine heilende Wirkung auf unsere Gesundheit anzuerkennen. In einer Gesellschaft, die oft emotionale Stärke mit dem Unterdrücken von Tränen gleichsetzt, müssen wir unsere Perspektive ändern. Weinen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein kraftvoller Ausdruck von Menschlichkeit und ein wichtiger Weg zur Heilung. Es fördert nicht nur soziale Bindungen und hilft bei der Verarbeitung von Traumata, sondern stärkt auch unser Immunsystem. Indem wir lernen, unsere Tränen zu akzeptieren und zuzulassen, öffnen wir uns für eine tiefere emotionale Gesundheit und stärken unsere Resilienz. Lassen wir die Tränen fließen und erkennen die heilende Kraft des Weinens an.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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