• 24.07.2024 – Traumasensible Geburtshilfe

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GESUNDHEIT | Medienspiegel & Presse |

Traumasensible Geburtshilfe

 

Maßnahmen gegen seelische Narben bei der Geburt

Traumatische Geburtserlebnisse sind keine Seltenheit. Die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) betont die Bedeutung einer traumasensiblen Geburtshilfe, um seelische Narben zu verhindern. Professor Dr. Kerstin Weidner, Direktorin der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik der TU Dresden, erklärt, dass rund 12 Prozent der Frauen nach der Geburt an posttraumatischen Stresssymptomen leiden, fünf Prozent entwickeln sogar eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Diese ist gekennzeichnet durch anhaltendes Bedrohungsempfinden, wiederholtes gedankliches Durchleben des Traumas und das Vermeiden möglicher Trigger-Situationen.


Ein Geburtstrauma kann auch die Mutter-Kind-Beziehung negativ beeinflussen. Betroffene Mütter haben häufig Schwierigkeiten, eine stabile Bindung zu ihrem Kind aufzubauen, und ziehen sich möglicherweise zurück. Dies führt oft zu Selbstvorwürfen und zusätzlicher Belastung. Zu den Symptomen zählen depressive Verstimmungen und ein anhaltendes Gefühl der Bedrohung.

Die DGPM betont die Notwendigkeit einer respektvollen und einfühlsamen Kommunikation seitens des Geburtshilfeteams sowie die Einbindung der werdenden Mutter in Entscheidungen. Transparente Kommunikation aller Behandlungsschritte und die Respektierung von Grenzen sind essenziell, um traumatischen Erlebnissen vorzubeugen. Harte Anweisungen wie „Lassen Sie locker!“ oder „Machen Sie die Beine breit!“ sollten vermieden werden, da sie an Tätersprache erinnern und als unempathisch wahrgenommen werden können.

Frauen, die bereits traumatisierende Geburtserfahrungen oder Gewalt erlebt haben, benötigen eine besonders sensible Betreuung. Individuelle Triggerfaktoren und allgemeine Risikofaktoren sollten bekannt sein, um Frauen mit erhöhtem Risiko frühzeitig zu identifizieren. Professor Weidner empfiehlt, während der Schwangerschaftsvorsorge gezielt nach Vortraumatisierungen zu fragen. Betroffene Frauen sollten ermutigt werden, persönliche Gewalterfahrungen frühzeitig zu thematisieren.

Nach der Geburt sollte die Mutter innerhalb von 72 Stunden in einem empathischen Gespräch gefragt werden, wie sie die Geburt erlebt hat. Ein offenes Gespräch, Psychoedukation und Selbsthilfematerialien können helfen, PTBS oder Depressionen zu verhindern und die Mutter-Kind-Bindung zu stärken. Frauen mit Symptomen oder einem ausgeprägten Risikoprofil sollten frühzeitig an entsprechende Hilfsstellen weitergeleitet werden. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit ist entscheidend, um sicherzustellen, dass Mütter die erste Zeit mit ihrem Kind unbeschwert genießen können.


Kommentar:

Die Geburt eines Kindes sollte ein freudiges Ereignis sein. Doch für viele Frauen wird sie zum traumatischen Erlebnis. Es ist höchste Zeit, dass die traumasensible Geburtshilfe in allen Kreißsälen zur Norm wird. Die Zahlen sind alarmierend: Zwölf Prozent der Frauen leiden nach der Geburt an posttraumatischen Stresssymptomen, und fünf Prozent entwickeln eine PTBS. Diese Frauen kämpfen nicht nur mit ihren eigenen Ängsten und Erinnerungen, sondern auch mit den Auswirkungen auf ihre Beziehung zu ihrem Kind.

Die Ursachen für Geburtstraumata sind vielfältig, doch oft sind es mangelnde Kommunikation und fehlende Empathie seitens des medizinischen Personals, die das Trauma auslösen oder verstärken. Jede Frau verdient es, in dieser Ausnahmesituation respektvoll und einfühlsam behandelt zu werden. Transparenz und das Respektieren von Grenzen sollten keine Ausnahmen, sondern die Regel sein. Die traumasensible Geburtshilfe bietet klare Richtlinien, die sich leicht umsetzen lassen, wenn genügend geschulte Fachkräfte ohne Zeitdruck arbeiten können.

Besonders betroffen sind Frauen, die bereits vor der Geburt traumatisierende Erfahrungen gemacht haben. Sie benötigen eine besonders sensible Betreuung, die auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht. Es ist unerlässlich, diese Frauen frühzeitig zu identifizieren und entsprechend zu unterstützen. Dabei spielt die Kommunikation eine Schlüsselrolle. Offene Gespräche und gezielte Nachfragen während der Schwangerschaftsvorsorge können viel bewirken.

Die Verantwortung liegt bei uns allen – bei den medizinischen Fachkräften, bei den Institutionen, die für Ausbildung und Ressourcen sorgen, und bei der Gesellschaft, die ein Umfeld schafft, in dem jede Frau eine respektvolle und sichere Geburt erleben kann. Die erste Zeit mit einem Neugeborenen sollte von Freude und Liebe geprägt sein, nicht von Angst und Trauma. Es ist an der Zeit, dass wir uns für eine traumasensible Geburtshilfe einsetzen und so dazu beitragen, dass jede Geburt ein positives Erlebnis wird.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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