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Steuer & Recht |
Wer mittels Crawler gezielt nach DSGVO-Rechtsverletzungen suchen lässt, kann sich nicht auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts berufen.
Wer per Crawler automatisiert Webseiten auf mögliche Verletzungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durch Google Fonts durchsucht, kann darauf basierend weder Unterlassung noch immateriellen Schadensersatz verlangen, so das Landgericht (LG) München I. In einem solchen Fall seien weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt noch könne man persönlich so verunsichert sein, dass Schmerzensgeld in Betracht komme (Urt. v. 30.03.2023, Az. 4 O 13063/22).
Die vermeintlich lukrative Idee mit den massenhaften Abmahnungen kam dem Berliner Anwalt Kilian Lennard und seinem Mandanten Martin Ismail – dem angeblichen Repräsentanten einer „IG Datenschutz“ – wohl nach einem Urteil desselben LG München I aus 2022. Damals entschied das Gericht, dass die dynamische Einbindung von Google Fonts – einem interaktiven Verzeichnis mit über 1.400 Schriftarten für Webseiten – gegen die DSGVO verstößt. Schließlich werde dabei die IP-Adresse der Webseite-Besuchenden ohne deren Einwilligung an Google in den USA übermittelt. Ein abgemahnter Webseiten-Betreiber sollte deswegen die weitere Einbindung unterlassen und zudem 100 Euro immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO zahlen (Urt. v. 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20).
In der Folge dieses Urteils entwickelte der Mandant – hier der Beklagte – eine Software, die Webseiten daraufhin durchsuchen konnte, ob dort Google Fonts dynamisch eingebunden war. Sodann sollen mit derselben Software Besuche der derart identifizierten Webseiten fingiert und dokumentiert worden sein. Basierend versendete der Anwalt massenhaft „Abmahnungen“ und forderte von Webseiten-Betreibenden eine „Vergleichssumme“ von 170 Euro.
Wie viele Abmahnungen hier letztlich versendet wurden, blieb hier offen. Das LG sprach nach der Beweisaufnahme von mindestens 100.000 – eine Zahl, die selbst das Gericht als zu niedrig erachtete. In einem anderen Verfahren beim AG Ludwigsburg war sogar von 217.540 Anschreiben die Rede. Wie viele Angeschriebene zahlten, war im hiesigen Verfahren ebenfalls nicht klar. Laut Pressemitteilung der Berliner Staatsanwaltschaft zu einem parallelen Strafverfahren gegen den Beklagten und seinen Anwalt u. a. wegen Betrugs ist davon die Rede, dass etwa 2.000 von ihnen gezahlt haben sollen.
Ein Webseiten-Betreiber, der eine solche Abmahnung erhalten hatte, klagte nun gegen Ismail im Wege einer negativen Feststellungsklage – und bekam vollumfänglich Recht. Das LG stellte fest, dass weder ein Anspruch auf Unterlassung noch auf Schmerzensgeld wegen der Einbindung der Google Fonts Schriftarten bestehe.
Es fehle zunächst an den Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs, weil keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ismails vorliege. Schließlich sei er nicht persönlich betroffen gewesen, weil er die Webseite des Abgemahnten nie selbst besucht habe. Vielmehr sei der Besuch der Seite nur durch den Crawler geschehen. Demzufolge habe er persönlich auch keine Verärgerung oder Verunsicherung über die Übertragung seiner IP-Adresse an USA verspüren können, so das Gericht.
Darüber hinaus scheide ein Unterlassungsanspruch auch unter dem Gesichtspunkt der Tatprovokation aus. Der Crawler sollte ja gerade Websites mit dynamischer Fonts-Einbindung finden. Die Übertragung der IP-Adresse in die USA sei zwingende Voraussetzung gewesen, um überhaupt einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Wer sich aber bewusst und gezielt in eine Situation begebe, in der ihm eine Persönlichkeitsrechtsverletzung drohe, um daraus Ansprüche zu begründen, sei nicht schutzbedürftig.
Auch das Argument des Beklagten, es sei ihm darum gegangen, die Internetnutzer zu schützen und auf Datenschutzverstöße aufmerksam zu machen, verfing nicht. Hier sei eindeutig vorrangiges Motiv die Gewinnerzielung gewesen. Es sei darum gegangen, durch Abmahnschreiben über einen Rechtsanwalt eine Drohkulisse aufzubauen, um die Angeschriebenen zur Zahlung zu bewegen. Das zeige sich auch darin, dass man sich nie die Mühe gemacht habe, die Ansprüche weiterzuverfolgen, wenn die Angeschriebenen nicht zahlten. Die wenigen, die direkt zahlten, hätten als Einnahmequelle gereicht.
Auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld nach Art. 82 DSGVO scheide mit ähnlichen Erwägungen aus. Ein Schaden habe hier – unabhängig von der hier bestehenden Rechtsunsicherheit – offensichtlich nicht vorgelegen. Schließlich müsse die betroffene Person zumindest gewisse Gefühle der Verunsicherung verspürt haben – dazu habe es hier aber auf Grund des Einsatzes eines automatisierten Programms nicht kommen können.
Im Übrigen wäre ein Schadensersatzanspruch auch wegen Rechtsmissbrauch, § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen. Es sei nicht Sinn und Zweck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der DSGVO, Personen eine Erwerbsquelle zu verschaffen wegen behaupteter Verletzungen ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Wer einen Verstoß gegen sein Persönlichkeitsrecht gezielt provoziert, um daraus hernach Ansprüche zu begründen, verstoße gegen das Verbot selbstwidersprüchlichen Verhaltens.
Es ist nicht das erste Urteil, in dem u. a. die Rechtsmissbräuchlichkeit der Google-Fonts-Abmahnungen festgestellt wurde. So ähnlich hatten bereits u. a. das Landgericht Baden-Baden (Urt. v. 11.10.2022, Az. 3 O 277/22) und das Amtsgericht Ludwigsburg (Urt. v. 28.02.2023, Az. 8 C 1361/22) entschieden.
Quelle: BRAK
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