• 22.12.2025 – Preisanker bei dm-med, Versandwettbewerb verschärft sich, Apotheken geraten in Dauerdruck

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Preisanker bei dm-med, Versandwettbewerb verschärft sich, Apotheken geraten in Dauerdruck

 

Der Start von dm-med setzt Shop-Apotheke-Preise als Referenz, verschiebt Erwartungen an Dauerpreise und macht OTC-Margen zum Stresspunkt für Betriebe.

Stand: Montag, 22. Dezember 2025, um 12:12 Uhr

Apotheken-News: Bericht von heute

dm-med startet mit dem Versprechen eines vertrauten Einkaufserlebnisses, aber der Markteintritt sendet vor allem ein Preissignal: Eine breite Analyse des Startsortiments liegt häufig unter dem Niveau der Shop Apotheke, während ein Dauerpreis-Prinzip die Erwartung stabiler Unterbietung für mindestens vier Monate verfestigt. Damit wird nicht nur ein neuer Anbieter sichtbar, sondern ein neuer Referenzrahmen für OTC-Warenkörbe gesetzt, der über die App-Integration und die Kombibestellung aus dem Drogeriealltag heraus skaliert. Für Apothekenbetriebe liegt die Schärfe nicht in der Existenz eines weiteren Versenders, sondern in der Mechanik: Preis wird zum Anker, Vergleich wird zur Gewohnheit, und Beratung wird zur unsichtbaren Leistung, die im Checkout nicht vorkommt. Gleichzeitig entsteht ein zweiter Druckpunkt, weil die Versandlogik mit Mindestbestellwerten und Bündelkäufen arbeitet und damit die Nachfrage gezielt in Pakete zieht, die im stationären Alltag anders entstehen. Das Gesamtbild ist deshalb kein kurzfristiges Rabattgeplänkel, sondern die Frage, ob der Markt sich über Dauerpreis und Vergleich so umcodiert, dass Vertrauen, Marge und Versorgungspflicht in derselben Bewegung gegeneinander laufen.

 

Der Start von dm-med ist als Marktsignal stärker als ein einzelner Preisvergleich, weil er nicht als klassische Schnäppchenaktion inszeniert wird, sondern als Normalzustand. Das Unternehmen spricht über Gesundheitsbegleitung, App-Komfort und Alltagseinbettung, während die Preissetzung zugleich demonstriert, dass der Einstieg nicht über Nische, sondern über breite Vergleichbarkeit gesucht wird. Für Apothekenbetriebe ist das der kritische Punkt: Wer den ersten Kontakt über „günstiger als der bekannte Versender“ gewinnt, prägt die Erwartung an den gesamten OTC-Kauf. Diese Erwartung wandert anschließend in jede Offizinfrage hinein, ohne dass sie ausgesprochen werden muss, weil sie im Kopf bereits als Normalpreis gespeichert ist. In dieser Logik ist Preisdruck nicht nur ein wirtschaftlicher Effekt, sondern ein Kommunikationsproblem, weil er die Leistung, die nicht im Warenkorb steht, aus dem Bewusstsein drückt. Der Markt kippt dann nicht durch eine große Entscheidung, sondern durch die stille Gewöhnung an den Vergleich.

Ein zentraler Hebel ist das Dauerpreis-Prinzip, das den zeitlichen Horizont verändert. Wer mindestens vier Monate Preisstabilität verspricht, baut nicht nur Vertrauen in den eigenen Shop, sondern ersetzt auch das bisherige Muster kurzfristiger Aktionen durch ein dauerhaftes Referenzgefühl. Für Apotheken ist das heikel, weil der eigene Preis in vielen OTC-Segmenten weniger eine Marge, sondern bereits ein Balanceakt zwischen Personalkosten, Lagerbindung und Beratungszeit ist. Wenn Dauerpreis und Vergleich zugleich dominieren, entsteht die Erwartung, dass Beratung und Verfügbarkeit „mitlaufen“, ohne bezahlt zu werden. In der Offizin führt das zu einer Verschiebung: Das Gespräch wird länger, die Zahlungsbereitschaft wird kürzer, und der Blick auf Alternativen wird härter. Besonders spürbar wird das dort, wo Kundschaft OTC als Warenkorb versteht und den Preis mit einem Klick als objektive Wahrheit wahrnimmt. Der Unterschied zwischen einem Preis und einem Versorgungsangebot verschwindet dann aus dem Alltag.

Die Mechanik wird noch stärker, wenn der Versand in eine bestehende Drogerie-Logik eingebettet wird. Kombibestellung, App-Routine und ein vertrautes Interface erzeugen eine Kaufumgebung, in der OTC nicht als „Apotheke“, sondern als Bestandteil des normalen Einkaufs erscheint. Das ist psychologisch wirksam, weil es die Entscheidung entemotionalisiert: Es geht nicht mehr um Beratung, sondern um Bequemlichkeit, Vergleich und Paket. Für Apothekenbetriebe entsteht dadurch eine neue Konkurrenzform, die nicht nur über Sortiment, sondern über Alltagsintegration arbeitet. Der Preis ist dabei der Türöffner, die Integration ist die Verstetigung. Das ist der Grund, warum ein einzelnes günstiges Produkt nicht das eigentliche Thema ist, sondern die Kombination aus Preisanker und Routine. Wenn Routine einmal sitzt, wird die Offizinfrage nicht „wo bekomme ich Hilfe“, sondern „warum ist es hier teurer“.

Die eigentliche Zuspitzung liegt im Vertrauen: Nicht im moralischen Sinn, sondern als Erwartungsmanagement gegenüber Versorgung. Wenn Marktteilnehmer den Preis als Hauptbotschaft senden, wird Versorgung zur Nebenbotschaft, obwohl sie im Ernstfall die Hauptleistung bleibt. Diese Schieflage trifft Apotheken doppelt, weil sie zugleich den Auftrag zur sicheren Abgabe, zur Beratung und zur Präsenz tragen, während der Wettbewerb in OTC-Segmenten die Erlöse ausdünnt, die diese Struktur mittragen. Hier entsteht das Risiko einer Selbstunterbietungsspirale, nicht als Schlagwort, sondern als betriebliche Realität: Wer reagiert, reagiert oft über Preis, und wer über Preis reagiert, verliert Reserven für Personal, Prozessqualität und Verlässlichkeit. Der Markt kann das eine Weile kaschieren, weil einzelne Produkte als Lockpunkte funktionieren. Langfristig wird es sichtbar, wenn Öffnungszeiten, Personalbindung und Beratungsqualität unter Druck geraten. Dann wird nicht „der Markt“ schwächer, sondern die Versorgung.

Es ist deshalb plausibel, einen Sonderbericht nicht als Empörung, sondern als Strukturlesart zu bauen: dm-med tritt mit einem Preisanker gegen einen etablierten Versender an, und beide kommunizieren damit indirekt, dass OTC vor allem über Unterbietung entschieden werde. Das ist für Apothekenbetriebe nicht nur Wettbewerb, sondern eine Veränderung der kulturellen Erzählung rund um Arzneimittel im Alltag. Arzneimittel werden dann so behandelt, als seien sie im Kern Konsumgüter mit einem optimalen Preis, und Beratung wird zur optionalen Zusatzleistung, die man nur noch in Ausnahmefällen „braucht“. Wer so denkt, wird Beratung nicht mehr vorab suchen, sondern erst im Problemfall. Die Offizin wird dadurch stärker zum Reparaturort, während der Alltagseinkauf abwandert. Genau an dieser Stelle wird das Bild riskant: Versorgung lebt von Routine in die richtige Richtung, nicht von Reparatur im Rückstau.

Der Druck auf Betriebe ist am Ende nicht nur ein Preisproblem, sondern ein Organisationsproblem. Wer weniger Deckungsbeitrag aus OTC erzielt, muss entweder mehr Menge bewegen oder stärker auf andere Erlösquellen setzen, die wiederum Zeit, Qualifikation und stabile Abläufe verlangen. In einem Umfeld, in dem Personal knapp ist und Prozesse ohnehin unter Reform- und Dokumentationsdruck stehen, kann ein zusätzlicher Preiskampf die Reservezone treffen, die den Betrieb stabil hält. Der Sonderbericht kann deshalb sauber trennen: Hier geht es nicht um die Frage, ob Wettbewerb erlaubt ist, sondern um die Frage, welche Marktlogik auf Dauer die Versorgungsidee aushöhlt. Wenn Dauerpreis und Vergleich die erste Botschaft werden, muss die Branche klären, wie sie die zweite Botschaft – Verantwortung, Beratung, Verfügbarkeit – wieder sichtbar macht, ohne in einen Kampf einzusteigen, den sie strukturell nicht gewinnen kann. Das ist die eigentliche Zuspitzung: Nicht der einzelne Anbieter, sondern die Richtung, in die der Markt den Alltag schiebt.

An dieser Stelle fügt sich das Bild.

Ein Preisanker wirkt wie ein stiller Vertrag: Er sagt, was künftig als normal gelten soll, noch bevor jemand darüber diskutiert. Wenn Dauerpreis und App-Routine diesen Vertrag absichern, wird Vergleich zur Gewohnheit und Gewohnheit zur Erwartung. Dann steht die Offizin nicht nur im Wettbewerb, sondern im Beweiszwang, warum Versorgung mehr ist als ein Warenkorb. Und genau dort beginnt der Konflikt, weil die Mehrleistung sichtbar werden muss, während der Preis die Bühne besetzt.

Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Ein Markt kann sich über Monate selbst erzählen, dass Preis die ganze Wahrheit sei, und merkt erst später, was er dabei aus dem Blick gedrückt hat. Wer Arzneimittel in Dauerpreis gießt, gießt zugleich die Erwartung, dass Beratung, Haftung und Verfügbarkeit gratis mitfließen. Das ist nicht automatisch das Ende, aber es ist der Moment, in dem sich entscheidet, ob Versorgung als Leistung verstanden wird oder als Nebengeräusch im Checkout. Und wenn die Branche darauf nur mit Unterbietung antwortet, verliert sie nicht nur Marge, sondern den Raum, in dem Qualität überhaupt möglich bleibt.

Journalistischer Kurzhinweis: Themenprioritäten und Bewertung orientieren sich an fachlichen Maßstäben und dokumentierten Prüfwegen, nicht an Vertriebs- oder Verkaufszielen. Der Blick richtet sich auf Marktmechanik und Betriebsfolgen, nicht auf Markenrhetorik oder kurzfristige Empörung.

 

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