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APOTHEKE | Systemblick |
Stand: Donnerstag, 18. Dezember 2025, um 17:15 Uhr
Apotheken-News: Kommentar von heute
Kommentar von Seyfettin Günder zu den aktuellen Apotheken-Nachrichten über Apothekenreform, Honorarstillstand, GKV-Sparen und das Privileg-Narrativ
Es ist eine dieser Verschiebungen, die man am Wort erkennt, bevor man sie an den Zahlen spürt. Sobald im System das Etikett „privilegiert“ auf eine Berufsgruppe geklebt wird, beginnt eine Debatte nicht mehr über Funktion, sondern über Zumutbarkeit. Und Zumutbarkeit ist im Gesundheitswesen selten eine sachliche Kategorie. Sie ist das Einfallstor für die Idee, dass Stabilisierung schon verdächtig ist, wenn sie Geld kostet, und dass Stillstand irgendwie gerecht sein müsse, weil er niemandem sichtbar etwas wegnimmt. Genau an diesem Punkt wird die Nullrunde politisch nicht nur zu einem Versäumnis, sondern zu einem Stilmittel: Sie erzeugt die stille Erwartung, dass Versorgung ohne spürbare Aufwüchse auszukommen hat, selbst dann, wenn Aufgaben, Pflichten und Haftungsflächen wachsen.
Die Apothekenreform hat das Kabinett passiert, die Phase der Gespräche ist abgeschlossen, und doch wirkt die Lage nicht wie Abschluss, sondern wie Startschuss für die eigentliche Auseinandersetzung. Denn jetzt entscheidet sich, welches Narrativ die parlamentarische Strecke prägt. Die Kernforderung der Apothekerschaft – ein Honorarsignal nach langer Starre – fehlt im Entwurf. Gleichzeitig wird eine spätere Behandlung in Aussicht gestellt, eingebettet in eine noch zu definierende GKV-Finanzreform. Das klingt wie ein Kompromiss, ist aber in der betrieblichen Wirklichkeit erst einmal eine Verschiebung. Verschiebung heißt nicht Pause. Verschiebung heißt: Kosten laufen weiter, Personalfragen bleiben akut, Investitionen werden auf Sicht gefahren, und die Bereitschaft, zusätzliche Verantwortung zu übernehmen, wird zur Mutprobe.
In dieser Lücke setzt die Kassenlogik an, und sie ist nicht per se illegitim. Kassen müssen Beiträge schützen, sie müssen Ausgaben begründen, sie müssen Prioritäten setzen. Problematisch wird es dort, wo aus Priorität ein moralisches Raster wird, das Infrastruktur behandelt wie eine beliebige Leistung. Die Apotheke ist keine austauschbare Einzelleistung, die man nach Belieben auf- und abregeln kann, ohne Folgekosten auszulösen. Sie ist Teil eines Netzes, das nur dann zuverlässig bleibt, wenn es Redundanz, Personal und betriebliche Sicherheitsmargen hat. Eine Nullrunde mag auf dem Papier nach Sparsamkeit aussehen. In der Fläche wird sie zur Verdichtung von Risiken: weniger Zeit im Betrieb, mehr Druck auf Prozesse, weniger Puffer für Engpässe, mehr Abhängigkeit von Einzelpersonen, mehr Ausfallanfälligkeit.
Das „privilegiert“-Framing wirkt dabei wie ein Hebel, der die Debatte vom Sachkern wegzieht. Es stellt nicht die Frage, was Versorgung kostet, sondern wem man das Kostentragen „gönnt“. Und „gönnen“ ist ein gefährliches Wort in einem System, das auf Vertrauen angewiesen ist. Wer Apotheken in eine Sonderrollen-Ecke stellt, erzeugt ein Gegenbild: andere Akteure als vermeintlich „normal“ und deshalb automatisch benachteiligt. So entsteht eine Verteilungserzählung, bevor überhaupt über Versorgungsziele gesprochen wird. Am Ende steht dann nicht die Frage, wie man flächendeckend Arzneimittelversorgung, Beratung und neue Aufgaben organisiert, sondern die Frage, wer sich angeblich aus Sparanstrengungen herauswindet. Die Gefahr ist nicht, dass einzelne Kassen warnen. Die Gefahr ist, dass das Muster verfängt und zur Standardformel wird.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher ist diese Logik tückisch, weil sie kurzfristig plausibel klingt. Wer Beiträge zahlt, will, dass sorgfältig gewirtschaftet wird. Wer selbst sparen muss, erwartet das auch vom System. Aber Versorgung ist kein Produkt, das man einfach billiger einkaufen kann, ohne dass sich Eigenschaften verändern. Wenn die Apothekenstruktur ausdünnt, ist die erste sichtbare Folge nicht die Rechnung, sondern der Weg. Der zweite Effekt ist Zeit: Wartezeiten, Rückfragen, Umwege, Nachlieferungen. Der dritte Effekt ist Unsicherheit: weniger Beratung im richtigen Moment, mehr Eigensteuerung in Situationen, in denen Menschen gerade keine Eigensteuerung wollen, weil Krankheit Aufmerksamkeit frisst. Das sind keine abstrakten Folgekosten. Es sind Alltagseffekte, die sich im Kopf festsetzen, lange bevor sie als Budgetposten auftauchen.
Die politische Erwartungshaltung verschärft diesen Widerspruch. Einerseits sollen Apotheken mehr übernehmen, mehr steuern, mehr Prävention, mehr Prozessqualität, mehr Verantwortungsanteile im Versorgungspfad. Andererseits wird die Basissicherung als potenzielles Privileg gerahmt, sobald sie Geld kostet. Das ist eine stille Aufgabenverschiebung ohne stabilen Unterbau. Wer neue Leistungen will, muss akzeptieren, dass Verantwortung nicht aus Luft besteht, sondern aus Zeit, Qualifikation, Dokumentation, IT, und der Fähigkeit, Fehler zu verhindern, bevor sie entstehen. Eine Nullrunde trifft deshalb nicht nur den Gewinn. Sie trifft die Möglichkeit, Verantwortung verlässlich zu organisieren. Und wenn Verantwortung nicht verlässlich organisiert wird, zahlt am Ende nicht die Berufsgruppe, sondern das System – in Form von Reibung, Fehlsteuerung und dem schleichenden Verlust an Vertrauen.
Man kann das auch als Ordnungsfrage lesen. Das Gesundheitswesen ist ohnehin in einer Phase, in der viele Akteure gleichzeitig Legitimation suchen: Kliniken über Fallzahlen, Praxen über Budgets, Kassen über Beitragssätze, Politik über Reformpakete. In dieser Konkurrenz wird Sprache zur Waffe. „Privileg“ ist eine solche Waffe, weil sie nicht beweisen muss, sie muss nur markieren. Sie markiert eine Gruppe als Ausnahme und macht sie damit zum leichten Ziel, wenn Sparpakete geschnürt werden. Der Diskurs verschiebt sich dann von der Frage nach Versorgungssicherheit zu einer Frage nach Gleichbehandlung, die so tut, als seien alle Strukturen gleich. Das ist bequem. Aber es ist nicht wahr.
Für Apothekenbetriebe bedeutet dieses Muster vor allem eines: Planbarkeit wird zum Engpassfaktor. Wenn die Erwartung entsteht, dass schon die Diskussion über ein Honorarplus eine Zumutung für das System sei, wird jede Perspektive auf Stabilisierung politisch riskanter. Dann wird selbst ein moderater Schritt schnell zum Symbol. Und Symbole werden in Haushaltslogik nicht gerechnet, sie werden bekämpft. Genau deshalb ist die Nullrunde nicht einfach ein „noch nicht“, sondern ein Signal an die Debatte: Wer jetzt Stabilität fordert, muss sich rechtfertigen, und wer Stabilität verweigert, kann sich als Hüter der Beitragsmoral inszenieren.
Die Pointe ist, dass diese Inszenierung am Ende teuer werden kann. Nicht im Sinne eines plakativen „alles bricht zusammen“, sondern im Sinne der typischen Systemkosten: kleine Ausfälle, die sich häufen; Übergaben, die scheitern; Nachwuchs, der nicht nachrückt; Standorte, die ausfallen und damit Last auf die verbleibenden Betriebe schieben; Notdienste, die schwerer zu besetzen sind; Fehlerkosten, die steigen, weil Zeitfenster schrumpfen. Das sind Kosten, die nicht sofort in einer Zeile auftauchen, aber sie sind real. Und sie sind genau die Art Kosten, die sich schlecht steuern lassen, wenn man sie einmal erzeugt hat.
Wer die Apothekenfrage heute als Privilegfrage rahmt, verengt die politische Handlungsfähigkeit. Denn wenn später doch ein Honorarplus kommt, wirkt es dann nicht wie Korrektur, sondern wie Zugeständnis. Und Zugeständnisse laden zu Gegenforderungen ein, zu Kompensation, zu Kürzungen an anderer Stelle. Genau so entsteht ein Reformmodus, der nicht nach Zielbild steuert, sondern nach Konfliktbewirtschaftung. In der Fläche kommt davon nur an, dass nichts sicher ist, außer der nächste Prüfpunkt.
Es braucht deshalb eine andere Ordnung der Debatte. Nicht als Parteinahme, sondern als Klarstellung: Apothekenfinanzierung ist keine Sonderbehandlung, sondern eine Infrastrukturentscheidung. Infrastruktur entscheidet man nicht nach Sympathie, sondern nach Wirkung. Wenn das Netz stabil ist, profitieren alle: Kassen, weil Folgekosten sinken; Politik, weil Reformen überhaupt umsetzbar werden; Patientinnen und Patienten, weil Versorgung im Alltag verlässlich bleibt. Wenn das Netz instabil wird, verliert jeder ein Stück Steuerungsfähigkeit, und am Ende wird Sparen zum Nachfinanzieren.
So gesehen ist der gefährlichste Teil an der aktuellen Kassenlogik nicht die Warnung, sondern die Verführungskraft ihrer Moral. Beiträge schützen ist ein starkes Motiv. Aber Beiträge schützt man nicht dadurch, dass man Infrastruktur auf Verschleiß fährt. Beiträge schützt man dadurch, dass man die teuersten Fehler vermeidet: Ausdünnung, Reibung, unnötige Arztkontakte aus Unsicherheit, Medikationsprobleme aus fehlender Beratung, Versorgungslücken, die später mit Sonderprogrammen und Ersatzstrukturen geflickt werden müssen. Wer das ernst nimmt, erkennt: Die Nullrunde ist nicht billig. Sie ist nur leise.
An dieser Stelle fügt sich das Bild.
Ein Reformpapier kann Ordnung versprechen, doch Ordnung entsteht erst, wenn Alltag wieder planbar wird. Zwischen Beitragsmoral und Versorgungsrealität liegt ein schmaler Grat, auf dem Worte plötzlich mehr bewegen als Zahlen. Wenn „privilegiert“ zum Stempel wird, kippt der Blick von Funktion zu Vorwurf. Dann wird Stabilisierung zur Rechtfertigung, obwohl sie die Voraussetzung für jede zusätzliche Verantwortung ist. Genau in dieser Verdichtung entscheidet sich, ob Reform ein Fundament bekommt oder nur eine neue Schicht Druck.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt. Eine Nullrunde wirkt wie Sparsamkeit, bis sie als Strukturverschleiß sichtbar wird. Das Privileg-Narrativ ist deshalb gefährlich, weil es eine Infrastrukturfrage in eine Neiddebatte verwandelt. Wer Versorgung stabilisieren will, muss sie als Netz verstehen, nicht als beliebige Ausgabenzeile. Und wer Beiträge schützen will, muss die leisen Folgekosten verhindern, bevor sie zur teuren Reparatur werden. Wenn diese Ordnung nicht gelingt, wird jede spätere Korrektur nicht als Lösung gelesen, sondern als Zugeständnis mit neuen Gegenrechnungen.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@mysecur.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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