• 25.07.2025 – Versorgung verliert Halt, Steuerung verliert Richtung, Apotheken übernehmen Systemlast

    APOTHEKE | Medienspiegel & Presse | Acht Apotheken-Nachrichten im Langbericht: AOK stoppt Direktabrechnung, Apotheken schrumpfen, Shop Apotheke polarisiert.

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Versorgung verliert Halt, Steuerung verliert Richtung, Apotheken übernehmen Systemlast

 

Wie acht Apotheken-Nachrichten die Krise verschränken, strukturelle Schwächen sichtbar machen und betriebliche Führungsarbeit erzwingen

Apotheken-News: Bericht von heute

Acht Apotheken-Nachrichten fügen sich zu einem Krisenbild, das mehr ist als die Summe seiner Teile: Wenn die AOK Nordost die Direktabrechnung von E-Rezepten stoppt, kippt nicht nur ein digitales Verfahren, sondern ein wichtiges Liquiditätsinstrument – mit unmittelbaren Folgen für betriebliche Steuerung, Zahlungsflüsse und wirtschaftliche Resilienz. Gleichzeitig fällt die Apothekenzahl bundesweit auf ein historisches Tief von 16.803 – und ABDA-Präsident Thomas Preis warnt vor dem politischen Stillstand. Währenddessen entsteht in den Betrieben eine stille Gegenstrategie: Eigenregulierung statt Schadensmeldung, präventives Risikomanagement statt Prämienfalle. Doch die öffentliche Wahrnehmung zieht in eine andere Richtung: Günther Jauch wirbt für die Shop Apotheke und spaltet die Debatte, während Patientinnen und Patienten die Notaufnahmen überfluten – auch, weil Apotheken fehlen. Zugleich debattiert die Politik über ein Cannabis-Versandverbot und verunsichert damit schwerkranke Patient:innen ebenso wie abgebende Stellen. Auf struktureller Ebene zieht Takeda sich aus Konstanz zurück und zentralisiert in Berlin – ein Zeichen für die wachsende Disparität in der pharmazeutischen Infrastruktur. Und bei Galantamin reiht sich der nächste Lieferausfall ein. Wer auf Systemschutz hofft, muss bei den Apotheken beginnen – denn dort wird längst Verantwortung getragen, die anderswo nur behauptet wird.


Die Entscheidung der AOK Nordost, die Direktabrechnung von E-Rezepten in Berlin und Brandenburg zu stoppen, markiert eine Zäsur im Spannungsfeld zwischen Apotheken und gesetzlichen Krankenkassen. Was über Jahre hinweg als Meilenstein in Richtung Digitalisierung, Effizienzsteigerung und Liquiditätsverbesserung für Apotheken galt, wird nun zurückgedreht – nicht aus technologischen Gründen, sondern aus Verwaltungsermüdung auf Seiten der Kassen. Der Konflikt ist damit kein technischer, sondern ein struktureller – und vor allem ein politisch ungelöster.

Die Direktabrechnung ermöglichte Apotheken bislang, ausgestellte E-Rezepte direkt mit den Kostenträgern abzurechnen – unabhängig von Sammelprozessen über Apothekenrechenzentren. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe eröffnete dieses Modell wichtige Liquiditätsvorteile: Zahlungen kamen früher, Zwischenfinanzierungen ließen sich besser kalkulieren, das wirtschaftliche Risiko der Vorleistung wurde abgemildert. Doch genau dieser Vorteil auf Apothekenseite bedeutet für die AOK das Gegenteil: erhöhten Bearbeitungsaufwand, unübersichtliche Zahlungsströme, Kontrollaufwand bei Einzelpositionen.

Die Kasse zieht daraus nun die Konsequenz. Ab Juli 2025 ist die Direktabrechnung für Apotheken in Berlin und Brandenburg nicht mehr zulässig. Stattdessen müssen Rezepte wieder gesammelt eingereicht werden – monatlich, bestenfalls in drei Teilblöcken. Was dabei als Entlastung für die Verwaltung verkauft wird, ist aus Sicht der Apotheken eine Degradierung ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit. Liquiditätsmanagement, das sich auf tägliche Zahlungseingänge und flexible Steuerung verließ, muss neu aufgestellt werden. Kurzfristige Ausfälle können nicht mehr kompensiert werden – insbesondere in einer wirtschaftlichen Gesamtlage, in der Zinsen steigen, Margen sinken und die Honorierung unter Druck steht.

Brisant ist vor allem, dass diese Entscheidung nicht im Dialog mit den Apothekenverbänden erfolgte, sondern einseitig durch die Krankenkasse. Die Reaktion folgte prompt: Vertreter der Apothekerschaft warnten vor einem „digitalen Rückbau“, einem „Systembruch wider die Versorgungslogik“ und einer „Gefährdung betrieblicher Stabilität“. Die Tatsache, dass eine einzige regionale AOK über ein technisches Verfahren mit bundesweiter Bedeutung entscheidet, offenbart dabei ein weiteres Problem: die föderale Fragmentierung im GKV-System. Während auf Bundesebene politische Verantwortung für Digitalisierung beschworen wird, entscheiden Landesverbände faktisch über deren Nutzbarkeit.

Hinzu kommt, dass diese Entscheidung in einem Moment fällt, in dem Apotheken durch Lieferengpässe, Fachkräftemangel und Bürokratielasten ohnehin unter Dauerdruck stehen. Die Möglichkeit, über die Direktabrechnung wenigstens einen Teil ihrer Steuerungsautonomie zu erhalten, war für viele eine betriebswirtschaftliche Überlebenslinie. Dass diese nun gekappt wird, ohne flankierende Maßnahmen – etwa durch Liquiditätsfonds oder temporäre Ausgleichsmodelle –, verschärft die strukturelle Schieflage zusätzlich.

Doch die AOK-Entscheidung ist mehr als nur eine Einzelmaßnahme. Sie verweist auf ein tieferliegendes Strukturproblem: Die gesundheitspolitische Strategie ist nicht abgestimmt. Während das Bundesgesundheitsministerium digitale Prozesse und E-Rezept-Pflicht vorantreibt, kippen regionale Kassen exakt jene Verfahren, die diese Transformation ermöglichen sollten. Die Richtungsdifferenz zwischen Bundesvision und Kassenrealität macht die Apotheken zum Spielball eines Steuerungskonflikts, der ihnen keine Sicherheit bietet – sondern nur Instabilität.

In der Praxis bedeutet das: Apotheken müssen ihre Zahlungsflüsse umstellen, auf neue Liquiditätsmodelle setzen und sich auf eine höhere administrative Belastung einstellen. Was als Entlastung gedacht war, wird zur neuen Belastung – eine Umkehrung, die im Kontext der Reformversäumnisse kaum noch überrascht. Umso wichtiger wird es nun, das Thema auf Bundesebene neu zu verhandeln. Denn die Direktabrechnung ist kein Privileg, sondern Teil eines betriebswirtschaftlich notwendigen Gesamtkonzepts. Wird sie gestrichen, ohne Alternativen zu bieten, handelt der Staat fahrlässig – nicht nur gegenüber Apotheken, sondern auch gegenüber der Versorgungssicherheit in Regionen, die auf jeden einzelnen Betrieb angewiesen sind.

Die Debatte um die Direktabrechnung wird damit zur Debatte über Systemarchitektur und politische Prioritätensetzung. Und sie zeigt: Digitalisierung allein reicht nicht – ohne Systemverantwortung wird sie zum Rückschritt. Was fehlt, ist ein einheitlicher, tragfähiger Rahmen für die Abrechnung im Zeitalter des E-Rezepts. Solange dieser nicht existiert, bleibt jede technische Innovation ein Provisorium auf Abruf.

Die Mitte des Jahres 2025 markiert einen weiteren Kipppunkt in der Strukturkrise des Apothekenwesens: Nur noch 16.803 öffentliche Apotheken sind bundesweit registriert – ein erneuter Rückgang im Vergleich zum Jahresbeginn und der bislang tiefste Stand seit der Wiedervereinigung. Die Zahl allein ist dramatisch genug. Doch ihre Bedeutung erschließt sich erst in der historischen Perspektive: Noch vor 15 Jahren lag die Apothekenzahl über der 21.000er-Marke. Seither wurde mehr als jede vierte Apotheke geschlossen – und der Abwärtstrend hält an.

Die Entwicklung ist nicht linear, sondern strukturell beschleunigt. Die Ursachen sind vielschichtig: steigende Betriebskosten bei gleichbleibender oder sinkender Vergütung, wachsender bürokratischer Aufwand, Personalknappheit, Lieferengpässe, Retaxationsrisiken – und eine politische Reformagenda, die bislang weitgehend folgenlos geblieben ist. Zwar enthält der Koalitionsvertrag konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung des Apothekenwesens, darunter die Stärkung pharmazeutischer Dienstleistungen, flexiblere Versorgungsmodelle und die Förderung von Landapotheken. Doch im operativen Alltag kommt davon nichts an.

ABDA-Präsident Thomas Preis fand zuletzt ungewohnt deutliche Worte. Er warnt davor, dass weitere Verzögerungen bei der Umsetzung der versprochenen Reformen das Apothekensterben nicht nur beschleunigen, sondern in eine Versorgungskrise überführen könnten. Seine Prognose: Wenn der aktuelle Trend anhält, wird es in fünf Jahren keine flächendeckende Versorgung mehr geben – insbesondere im ländlichen Raum. Die bestehenden Apotheken stoßen bereits heute an die Belastungsgrenzen. Überstunden, Doppelschichten, Dienstplanverdichtungen – viele Inhaber:innen stemmen den Betrieb nur noch durch Selbstausbeutung.

Hinzu kommt ein zentrales Versorgungsproblem: Apotheken sind nicht beliebig ersetzbar. Sie erfüllen nicht nur eine Distributionsfunktion, sondern auch eine beratende, absichernde, dokumentierende und überprüfende Rolle. Fällt ein Standort weg, bedeutet das nicht nur längere Wege für Patientinnen und Patienten – es bedeutet auch einen Kontrollverlust im Gesundheitssystem. Wechselwirkungen, Therapietreue, Medikationssicherheit – all das ist im digitalen Raum nicht im gleichen Maße gewährleistet wie im persönlichen Gespräch mit pharmazeutischem Fachpersonal.

Die strukturelle Schließungswelle hat längst auch die Städte erreicht. Selbst in Ballungsräumen geraten wirtschaftlich schwächere Betriebe ins Wanken. Mietsteigerungen, Personalengpässe und zunehmender Konkurrenzdruck durch Versandapotheken lassen viele Standorte unrentabel werden. Die Folge ist eine Versorgungskonzentration: Nur noch große Apotheken mit Filialstruktur oder spezieller Nischenfokussierung können sich halten. Die wohnortnahe Versorgung wird damit zu einem Privileg – nicht zu einem Standard.

Und die Politik? Sie bleibt weitgehend reaktiv. Zwar werden neue Honorarmodelle diskutiert, etwa eine differenzierte Vergütung für Nacht- und Notdienste oder die Einführung einer Grundsicherungsprämie für Landapotheken. Doch konkrete Beschlüsse fehlen. Die Arbeitsgruppe im Bundesgesundheitsministerium, die sich mit der nachhaltigen Finanzierung des Apothekenwesens befassen sollte, tagte zuletzt vor über acht Monaten – ohne greifbares Ergebnis.

Preis fordert daher einen Strategiewechsel: Weg von der Symbolpolitik, hin zur Umsetzungsagenda. Dazu gehört eine verbindliche Finanzierungszusage für pharmazeutische Dienstleistungen, eine strukturelle Entlastung bei Nachweispflichten, eine Verbindlichkeit in der Personalweiterbildung sowie eine Rechtsgrundlage für kooperative Versorgungsmodelle mit Arztpraxen. All das liegt seit Monaten in Entwürfen vor – doch der politische Wille zur Umsetzung scheint zu fehlen.

Für viele Inhaber:innen ist die Lage nicht nur betriebswirtschaftlich, sondern emotional belastend. Apotheken, die seit Jahrzehnten geführt werden, stehen vor der Aufgabe, ihre Türen zu schließen – nicht wegen Fehlverhaltens oder Inkompetenz, sondern wegen systemischer Überforderung. Besonders hart trifft es Nachfolgebetriebe, bei denen ein Generationswechsel ansteht. Immer mehr junge Pharmazeut:innen entscheiden sich gegen die Selbstständigkeit – aus Angst vor Haftung, vor bürokratischer Überforderung, vor wirtschaftlicher Unsicherheit.

Dabei wäre gerade jetzt eine neue Gründungswelle notwendig. Doch dazu braucht es nicht nur Förderprogramme, sondern eine grundlegende Neubewertung des Apothekenberufs: als Gesundheitsakteur, als Unternehmer, als Verantwortungsträger im System. Preis bringt es auf den Punkt: „Wenn wir nicht bald handeln, bleibt vom Modell der wohnortnahen, unabhängigen Apotheke nur noch die Erinnerung.“

In einer Zeit, in der wirtschaftlicher Druck, politische Ungewissheit und strukturelle Lücken das Apothekenwesen durchdringen, rückt ein Thema ins Zentrum, das lange als Nebensache galt: das betriebliche Risikomanagement. Gemeint ist nicht nur die Auswahl der richtigen Versicherungspolicen – sondern ein ganzheitliches Verständnis dafür, wie Schäden vermieden, geregelt und intern kontrolliert werden können, um Prämien zu senken und die wirtschaftliche Eigenständigkeit zu sichern. Immer mehr Apotheken begreifen: Wer professionell mit Risiken umgeht, braucht nicht nur Versicherungsschutz – sondern Führungskompetenz.

Die klassische Reaktion auf Schäden im Apothekenbetrieb war lange reflexhaft: Schaden melden, Kostenerstattung abwarten, fertig. Doch dieses Verhalten hat Konsequenzen – denn Versicherer bewerten ihre Kundschaft nicht nur nach der Schadenshöhe, sondern auch nach der Schadenfrequenz. Viele kleine Meldungen führen zu einer negativen Risikoeinstufung – mit spürbaren Folgen: steigende Prämien, eingeschränkte Vertragsangebote, höhere Selbstbeteiligung. Das Resultat: Apotheken zahlen Jahr für Jahr mehr – nicht wegen eines großen Schadens, sondern wegen einer Vielzahl kleiner, oft vermeidbarer Vorfälle.

Die Reaktion darauf beginnt leise – und strategisch. Immer mehr Inhaberinnen und Inhaber entscheiden sich, Bagatellschäden bis zu einer bestimmten Höhe (etwa 500 €, teilweise sogar bis 1.000 €) nicht mehr zu melden. Stattdessen werden diese intern reguliert – aus laufenden Einnahmen oder über definierte Rücklagen. Begleitet wird diese neue Risikokultur durch präventive Maßnahmen: Schulung des Personals im Umgang mit technischen Geräten, systematische Wartung sensibler Infrastruktur wie Kühlschränke oder Alarmanlagen, klare Verantwortungszuweisung für Sicherheit und Dokumentation.

Besonders hervorzuheben ist, dass dieser Wandel nicht nur wirtschaftlich motiviert ist – sondern auch kulturell. Apotheken beginnen, sich als eigenverantwortliche Einheiten zu verstehen, die Risiken nicht einfach „wegversichern“, sondern steuern. Das verlangt jedoch eine neue Führungsqualität: Wer Prävention ernst nimmt, muss Prozesse analysieren, Fehlerursachen identifizieren, Strukturen hinterfragen. Die Inhaberrolle wird damit komplexer – aber auch selbstbestimmter.

Dazu kommt ein weiterer Faktor: Versicherungsunternehmen beginnen, auf diesen Wandel zu reagieren. Einige Anbieter belohnen schadensarme Betriebe mit Bonusmodellen, Beitragsrückerstattungen oder stabilen Prämien über mehrere Jahre hinweg. Andere entwickeln digitale Risikoprofile, die individuelles Verhalten der Apotheke abbilden – vergleichbar mit Telematik-Tarifen in der Kfz-Versicherung. Wer selten meldet, professionell dokumentiert und nachvollziehbare Präventionsstrategien vorweisen kann, wird als bevorzugter Vertragspartner eingestuft. Die Versicherung wird zum Dialogpartner auf Augenhöhe – nicht zum reinen Kostenträger.

Die Bedeutung dieses Wandels zeigt sich besonders in Krisensituationen. Wenn Apotheken beispielsweise mit einem Einbruch, einem Wasserschaden oder einem EDV-Ausfall konfrontiert sind, entscheidet nicht nur die Versicherung über den Verlauf – sondern die innere Struktur der Apotheke. Gibt es ein Notfallhandbuch? Sind Abläufe dokumentiert? Kennt das Personal seine Zuständigkeiten? Ist ein digitaler Backup-Plan vorhanden? Je mehr diese Fragen mit „Ja“ beantwortet werden können, desto geringer fällt der wirtschaftliche Schaden aus – und desto schneller erfolgt die Rückkehr zum Normalbetrieb.

Auch im Bereich der Haftpflichtversicherungen zeigt sich die neue Haltung. Apotheken, die in der Beratung aktiv sind – etwa im Rahmen pharmazeutischer Dienstleistungen, Medikationsanalysen oder Impfungen –, tragen ein erhöhtes Risiko. Doch dieses Risiko ist steuerbar: durch qualitätsgesicherte Dokumentation, regelmäßige Fortbildungen, strukturierte Aufklärungsgespräche. Einige Inhaber:innen entwickeln sogar eigene SOPs (Standard Operating Procedures), um Beratungssicherheit zu schaffen – und rechtlich wie wirtschaftlich auf der sicheren Seite zu stehen.

Dieser Wandel im Risikobewusstsein verändert das Selbstverständnis der Apothekenleitung. Sie agiert nicht mehr reaktiv, sondern präventiv. Sie versichert nicht bloß – sie gestaltet. Diese Entwicklung ist besonders relevant angesichts der wachsenden Unsicherheit im Gesundheitswesen. Während gesetzliche Rahmenbedingungen schwanken, Preise steigen und politische Debatten keine Richtung erkennen lassen, entsteht auf Apothekenseite eine neue Form von Steuerung: durch Struktur, durch Antizipation, durch Kontrolle.

Langfristig wird sich dieses neue Risikomanagement auch auf andere Bereiche ausweiten – etwa auf Cybersicherheit, Produkthaftung oder betriebliche Altersvorsorge. Apotheken, die heute beginnen, intern Strukturen aufzubauen, werden morgen unabhängiger agieren – und übermorgen als resiliente Kerne einer Versorgung stehen, die nicht von politischen Zusagen lebt, sondern von betrieblicher Intelligenz.

Die eigentliche Botschaft dieses Trends ist einfach: Wer Risiken führen kann, muss sie nicht fürchten. Und wer Prävention als Führungsaufgabe versteht, wandelt Unsicherheit in Stärke. In einem System, das politisch schwankt und wirtschaftlich herausfordert, ist genau das der entscheidende Unterschied zwischen Überleben und Rückzug.

Es sind nicht nur ökonomische oder technische Bruchlinien, die das Apothekensystem unter Druck setzen – es ist zunehmend auch die mediale und gesellschaftspolitische Realität, die zur Belastungsprobe für die Glaubwürdigkeit der Vor-Ort-Apotheken wird. Beispielhaft verdichtet sich dies in gleich drei aktuellen Debatten: der polarisierenden Werbekampagne der Shop Apotheke mit Günther Jauch, der systematischen Überfüllung der Notaufnahmen in Berlin sowie dem Streit um das Medizinal-Cannabis-Gesetz (MedCanG), das mit der geplanten Versandverbotserweiterung neue Zielkonflikte entfacht.

Beginnen wir bei der medialen Front: Mit der Entscheidung, Günther Jauch – eines der prominentesten und glaubwürdigsten TV-Gesichter Deutschlands – als Werbefigur für die Shop Apotheke zu gewinnen, hat der Versandhändler nicht nur einen Marketingcoup gelandet, sondern eine tiefgreifende kulturelle Verschiebung angestoßen. Viele Apothekenteams fühlen sich verraten. Jauch, der in der öffentlichen Wahrnehmung für Seriosität, Aufklärung und Bürgernähe steht, transportiert in der aktuellen Kampagne implizit eine Botschaft, die schwer wiegt: Die Zukunft liegt im Onlinehandel, nicht in der Vor-Ort-Apotheke.

Der Widerstand ließ nicht lange auf sich warten. Inhaber:innen, Ärzt:innen und Patient:innen meldeten sich zu Wort. Der ehemalige Notarzt Dr. Heinz Giering brachte es auf den Punkt: „Die Apotheke ist mehr als eine Ausgabestelle – sie ist ein Pfeiler der Volksgesundheit.“ Die Kampagne ignoriere, dass Beratung, Sicherheitsprüfung und Interaktion durch digitale Schnittstellen nicht im selben Maß ersetzt werden können. Auch Patientenschützer warnen: Eine rein ökonomische Betrachtung der Arzneimittelversorgung untergräbt die vertrauensbasierte Gesundheitsstruktur.

Die öffentliche Wahrnehmung spaltet sich: Während viele Nutzer:innen von der Bequemlichkeit des Versandmodells überzeugt sind, steigt gleichzeitig die Verunsicherung über Fälschungsskandale, Verzögerungen bei temperaturempfindlichen Medikamenten und das Fehlen persönlicher Rücksprachemöglichkeiten. Die Jauch-Kampagne wird so zum Brennglas eines tieferliegenden Zielkonflikts – Effizienz versus Nähe, Schnelligkeit versus Sicherheit, Preisvorteil versus Gesundheitskultur.

Parallel zur Imagefront verschärft sich die Lage in den Berliner Notaufnahmen. Laut der Berliner Krankenhausgesellschaft sind viele Patientinnen und Patienten, die sich dort einfinden, keine medizinischen Notfälle. Die Notaufnahme wird zunehmend als „Ersatzversorgung“ für fehlende Angebote im ambulanten Bereich genutzt – und Apotheken spielen in dieser Lücke eine nicht unwichtige Rolle. Wo Notfallapotheken fehlen oder Öffnungszeiten unübersichtlich sind, suchen Menschen Hilfe dort, wo sie erreichbar scheint – in der Rettungsstelle.

Die Gründe sind vielschichtig: unbesetzte Hausarztpraxen, Überlastung durch Bürokratie, unklare Vertretungssituationen – und eben auch die Reduktion erreichbarer Apotheken. Einfache Gesundheitsfragen – ob ein Hautausschlag behandlungsbedürftig ist, ob eine Salbe mit anderen Medikamenten interagiert, ob ein fiebriges Kind nachts versorgt werden kann – landen zunehmend in der Notaufnahme. Das ist weder effizient noch systemgerecht – und es bindet Ressourcen, die für echte Notfälle fehlen. Apotheken könnten hier Entlastung schaffen, wenn man sie ließe: durch Notdienstförderung, durch digitale Erreichbarkeit, durch rechtliche Klarstellung ihrer beratenden Kompetenz.

Und dann ist da noch der Cannabis-Streit. Die geplante Änderung des Medizinal-Cannabis-Gesetzes sieht unter anderem vor, den Versand von Blüten zu verbieten und die Verschreibungspflicht stärker an den persönlichen Arztkontakt zu koppeln. Ziel sei, so das Gesundheitsministerium, die Missbrauchsgefahr einzudämmen und die ärztliche Kontrolle zu stärken. Kritiker sehen das anders: Für viele schwerkranke Patient:innen, etwa mit chronischen Schmerzsyndromen, stellt der Versandweg eine lebenspraktische Erleichterung dar – besonders wenn Mobilität eingeschränkt oder ärztliche Versorgungslücken vorhanden sind.

Dr. Sven Dreyer, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, hält dagegen: Freizeitkonsum sei kein medizinisches Anliegen, Schwerkranke hätten ohnehin engen Kontakt zur Praxis. Doch was aus ärztlicher Sicht plausibel erscheint, wirkt aus Patientensicht wie ein Rückschritt. Wiederholte Wege in die Praxis, physische Abholung, Wartezeiten – all das bedeutet Belastung. Apotheken vor Ort geraten dadurch erneut zwischen die Fronten: Sie sollen abgeben, aber ohne Klarheit über rechtliche Spielräume, Versorgungspflichten und Vergütungsgrundlagen.

Auch hier zeigt sich: Die politische Steuerung bleibt reaktiv statt systemisch. Statt Versorgungslücken zu schließen, schafft man neue Hürden. Statt die Rolle der Apotheken zu klären, werden sie in regulatorischen Grauzonen gehalten. Statt klare Perspektiven zu schaffen, erzeugt man Unsicherheit – bei Patient:innen, bei Ärzt:innen, bei Apotheken.

Diese drei Debatten – Jauch-Werbung, Notaufnahmebelastung, Cannabisgesetz – stehen exemplarisch für die Schieflage zwischen medialer Wirkung, politischer Reaktion und versorgungspraktischer Realität. Apotheken sind dabei keine Zuschauer, sondern betroffene Akteure – ohne den Rückhalt, der nötig wäre, um diese Rolle zu gestalten. Was fehlt, ist eine koordinierte Strukturpolitik. Was bleibt, ist Symbolpolitik.

Die gesundheitspolitische Diskussion konzentriert sich oft auf Fragen der Finanzierung, Personalgewinnung oder digitalen Transformation. Doch eine der zentralen Einflussgrößen auf die Versorgung der Bevölkerung wird kaum beachtet – die physische Standortverlagerung pharmazeutischer Infrastruktur. Ein aktuelles Beispiel ist die Entscheidung des japanischen Pharmakonzerns Takeda, seinen deutschen Hauptsitz von Konstanz nach Berlin zu verlegen. Die Begründung: Synergien, Nähe zur Politik, Zugang zu Fachkräften. Doch was unternehmerisch nachvollziehbar erscheint, hat weitreichende Folgen – auch für Apotheken.

Denn der Rückzug großer Unternehmen aus der Fläche hin zu urbanen Zentren verändert langfristig das ökonomische und logistische Gefüge des Versorgungssystems. Wo früher Ansprechpartner vor Ort waren, entstehen Lücken. Lieferwege verlängern sich, Zwischenhändler gewinnen an Einfluss, Informationsflüsse werden komplexer. Für Apotheken bedeutet das: Sie sind stärker auf externe Systeme angewiesen, müssen Reaktionszeiten einkalkulieren und verlieren die Möglichkeit zur direkten Rückkopplung mit Produzenten. Infrastruktur – das wird an Takeda deutlich – ist nicht nur Frage des Kapitals, sondern der Versorgungsethik.

Diese strukturelle Verlagerung trifft auf eine zweite Realität: dramatische Lieferengpässe bei zentralen Wirkstoffen. Ein besonders eindrückliches Beispiel ist Galantamin, ein Acetylcholinesterasehemmer, der bei Alzheimer-Erkrankungen eingesetzt wird. Seit Monaten verzeichnet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hier massive Lieferschwierigkeiten. Praktisch alle Hersteller sind betroffen, zahlreiche Stärken sind gar nicht oder nur sporadisch verfügbar. Für Betroffene ist das eine therapeutische Katastrophe – für Apotheken ein logistischer Albtraum.

Denn Demenzmedikamente sind nicht einfach substituierbar. Die Umstellung bedeutet Dosierungsanpassung, Arztkontakt, Verunsicherung. Angehörige sind häufig überfordert, Ärzt:innen müssen erklären, Apotheken suchen stundenlang nach alternativen Bezugsquellen – und sehen sich dabei mit einem doppelten Erwartungsdruck konfrontiert: schnell helfen, aber auch korrekt abgeben. Die Sichtbarkeit dieses Problems ist gering – aber seine Relevanz ist systemisch.

Das Lieferproblem bei Galantamin ist kein Einzelfall. Die strukturellen Ursachen sind bekannt: Konsolidierung der Wirkstoffproduktion in wenigen Ländern, geringe Lagerhaltung, fehlende staatliche Koordination. Doch die politischen Antworten bleiben zögerlich. Ein zentrales Versorgungsregister? Fehlanzeige. Verpflichtende Bevorratung? Nur diskutiert. Transparenzpflichten für Hersteller? Uneinheitlich geregelt. Die Leidtragenden sind wieder einmal die letzten Glieder in der Kette: Apotheken.

Für sie bedeutet die Verlagerung nach Berlin oder die Produktionsdrosselung in Fernost nicht nur mehr Aufwand, sondern auch eine neue Art von Verantwortung: Sie müssen erklären, beruhigen, notfalls improvisieren – und das unter Bedingungen, die sie weder beeinflussen noch verursachen. Das Vertrauen der Patient:innen wird dabei immer wieder auf die Probe gestellt. Wer Galantamin nicht liefern kann, steht nicht nur als „nicht lieferfähig“ da – sondern wird mitunter als „nicht hilfreich“ wahrgenommen. Dabei fehlt es nicht am Willen, sondern an Ressourcen.

Hinzu kommt, dass auch die alternative Beschaffung – etwa über Importe – durch bürokratische Hürden, Preisvorgaben und Retaxrisiken erschwert wird. Was möglich wäre, ist oft nicht praktikabel. Und was praktikabel scheint, ist nicht refinanzierbar. Die Folge: Apotheken leisten strukturelle Arbeit – ohne strukturellen Rückhalt.

Diese Entwicklungen fügen sich in ein größeres Bild: Die Verdrängung dezentraler Infrastruktur, der Rückzug aus der Fläche, die Verkettung von Marktlogik und Versorgungslast – sie erzeugen ein System, in dem die Verantwortlichkeit immer weiter nach unten delegiert wird. Während sich Hersteller neu positionieren, Behörden abstimmen und Ministerien beraten, stehen die Apotheken im Kreuzfeuer der Erwartung. Und sie können kaum anders, als zu funktionieren – bis zur Erschöpfung.

Doch genau darin liegt auch eine Erkenntnis: Wenn Apotheken diese Last tragen, dann nicht aus betrieblichem Kalkül, sondern aus einem tief verankerten Selbstverständnis für ihre Rolle im System. Sie sind nicht nur Verteilstellen, sondern Stabilitätsanker. Sie sorgen dafür, dass ein Alzheimerpatient seine Medikation bekommt, auch wenn das Lager leer ist. Sie erklären, beruhigen, überbrücken – während andere debattieren. Und sie tun das in einer Infrastruktur, die zunehmend gegen sie arbeitet.

Es ist daher höchste Zeit, diesen Einsatz nicht nur rhetorisch zu würdigen, sondern strukturell zu sichern. Infrastrukturpolitik darf nicht nur Flughäfen und Funkmasten meinen – sie muss auch Apotheker:innen, Lieferketten und Wirkstofflager umfassen. Nur wenn Versorgung wieder als strategisches Gut verstanden wird, kann das System seine Resilienz zurückgewinnen. Apotheken zeigen, wie das geht – Tag für Tag, Rezept für Rezept.

Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will – sondern eine Wirkung, die bleibt, wenn das Verstehen längst vorbei ist. Was nicht gesagt wurde, wirkt trotzdem. Nicht für alle. Nur für jene, die hören, was zwischen den Sätzen spricht.

Systemverantwortung beginnt am untersten Punkt – und Apotheken tragen sie zuerst

Der Verlauf dieses Langberichts zeigt mehr als nur acht Einzelthemen – er zeigt das Systemversagen als Muster: Immer wenn politische Führung fehlt, springen Apotheken ein. Sie regulieren sich, stabilisieren Strukturen, sichern Versorgung, federn Vertrauensverluste ab – und das in einem Klima wachsender Erwartungen und schwindender Ressourcen. Die AOK Nordost zieht sich aus der Direktabrechnung zurück und offenbart dabei die Belastbarkeit von Apotheken unter Liquiditätsdruck. Die Zahl 16.803 markiert nicht bloß einen statistischen Schwund, sondern eine politische Wegmarke: Wer hier nicht handelt, fördert Unterversorgung aktiv.

Doch genau in dieser Lücke entsteht eine neue Form von Steuerung: Die Apotheken organisieren Risiken neu, entwickeln internes Schadenmanagement, trainieren Eigenverantwortung. Während politische Maßnahmen stagnieren, transformieren sie sich zu resilienten Systemzellen. Und auch im öffentlichen Diskurs zeigen sich die Frontlinien: Eine Jauch-Kampagne reicht aus, um die Vertrauensfrage aufzuwerfen. Gleichzeitig fangen Apotheken Patienten auf, wo Notaufnahmen versagen – weil Grundversorgung fehlt.

Selbst Gesetzesdebatten wie das Cannabis-Verbot im Versand oder infrastrukturelle Standortentscheidungen wie bei Takeda werden zu Signalen, wie wenig Systempolitik als Einheit denkt. Wenn Alzheimer-Medikamente wie Galantamin ausfallen, ist es wieder die Apotheke, die sich verantwortet – für Lieferketten, für Betreuung, für Sicherheit.

Diese Deutung endet nicht in Kritik. Sie ist Aufforderung. Apotheken sind nicht mehr nur Bestandteile eines Systems – sie sind Systemarchitektur. Wer sie nicht schützt, demontiert Versorgung. Wer sie stärkt, baut Zukunft. Nicht über Zuschriften oder Ehrenpreise – sondern über Strukturen. Nicht morgen. Jetzt.

 

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