• 08.05.2025 – Apotheken-Nachrichten von heute: Gefälschte Rechnungen treffen Apotheken, Infektionen Kliniken, Politik zögert

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Apotheken-Nachrichten von heute: Gefälschte Rechnungen treffen Apotheken, Infektionen Kliniken, Politik zögert

 

Apotheken geraten durch Betrugsmaschen und Keime unter Druck, Reformen lassen weiter auf sich warten.

Ein Blindgänger aus Kriegszeiten bringt den Apothekenbetrieb in Gensingen abrupt zum Stillstand – während anderswo gefälschte Rechnungen ganze Betriebe in finanzielle Schieflage treiben. Was als Einzelfall erscheint, offenbart strukturelle Schwächen: unzureichende Resilienz, fehlende Sicherheitsroutinen, zu wenig digitale Kontrolle. Während mit Gesund.de und Aposoft neue technische Standards gesetzt werden, kämpft die Klinikversorgung mit resistenten Keimen und gefährlichen Arzneimittelwechselwirkungen, die Apotheker in Notaufnahmen oft erst spät aufdecken. Parallel wächst der Druck durch stillere Gefahren: chronische Darmerkrankungen bei jungen Erwachsenen, unbeachtete Risiken in Brausetabletten, ein dramatischer Mangel an Blutplasma. Das System wirkt überfordert – politisch, strukturell, ökonomisch. Was fehlt, ist nicht die Reform, sondern ihre Umsetzung.

 

Blindgänger-Entschärfung legt Apothekenbetrieb lahm
In Gensingen werden Patientenversorgung, Schule und Alltag gleichzeitig gestoppt

Ein unerwarteter Fund hat am Mittwochmorgen das Leben tausender Menschen im rheinland-pfälzischen Nahetal schlagartig verändert. Zwischen Gensingen, Grolsheim und Langenlonsheim wurde im Zuge von Bauarbeiten ein 500 Kilogramm schwerer Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt. Der Fund löste nicht nur einen umfassenden Evakuierungseinsatz aus, sondern führte auch zur sofortigen Schließung mehrerer Einrichtungen, darunter zwei Apotheken und ein medizinisches Versorgungszentrum. Bereits ab sieben Uhr morgens waren sämtliche Zufahrtsstraßen gesperrt, während die Behörden einen Evakuierungsradius von einem Kilometer durchsetzten. Rund 3000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, darunter auch das Personal und die Patienten der Rochus Vital Apotheke und der Herz Apotheke, die sich beide innerhalb der Gefahrenzone befinden.

Während Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutz gemeinsam mit dem Kampfmittelräumdienst die Lage kontrollierten, war die Bevölkerung angewiesen, bis spätestens neun Uhr das Gebiet zu verlassen. Die medizinische Versorgung wurde in dieser Zeit vollständig ausgesetzt. Auch das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Gensingen stellte seinen Betrieb ein. Wie lange die Unterbrechung andauern wird, ließ sich zu diesem Zeitpunkt nicht abschätzen, da die Entschärfung selbst von unvorhersehbaren Faktoren abhängig ist. Erst wenn die Ordnungskräfte das gesamte Gebiet kontrolliert und als menschenleer erklärt haben, kann der gefährliche Sprengkörper entschärft werden. Der Zeitplan sieht diesen Schritt für 14 Uhr vor, doch selbst danach bleibt unklar, wann die betroffenen Einrichtungen ihren Betrieb wieder aufnehmen können.

Neben der medizinischen Versorgung waren auch sämtliche Kindertagesstätten, die Grundschule von Gensingen sowie mehrere Supermärkte gezwungen, ihre Türen zu schließen. Für viele Familien bedeutete dies nicht nur eine abrupte Änderung des Tagesablaufs, sondern auch Unsicherheit über den weiteren Verlauf des Tages. Für Apothekenkundinnen und -kunden mit dringenden Medikamentenbedarfen kam es indes zu erheblichen Problemen.

Die Zwangsschließungen werfen grundsätzliche Fragen zur Resilienz kritischer Infrastrukturen auf. Gerade im Gesundheitsbereich zeigt sich, wie stark lokale Ereignisse wie ein Bombenfund in bestehende Versorgungsstrukturen eingreifen können. Ohne Ausweichmöglichkeiten oder Notfallpläne bleibt die Bevölkerung in einem solchen Moment auf sich gestellt.

Auch wenn der Kampfmittelräumdienst professionell vorbereitet ist, bleibt jede Entschärfung eines Blindgängers ein unkalkulierbares Risiko. Die betroffenen Apotheken und Gesundheitsdienste sehen sich unterdessen mit nicht planbaren Ausfällen und organisatorischen Herausforderungen konfrontiert. Der Vorfall macht deutlich, dass auch Jahrzehnte nach Kriegsende noch immer explosive Altlasten das öffentliche Leben – einschließlich der Gesundheitsversorgung – empfindlich stören können.

Der Fund eines Blindgängers in Gensingen offenbart mit unerbittlicher Klarheit, wie verletzlich selbst grundlegende gesellschaftliche Funktionen sind, wenn äußere Gefahren in bestehende Strukturen einschlagen. Dass zwei Apotheken und ein medizinisches Versorgungszentrum im Rahmen einer Evakuierung ersatzlos geschlossen werden müssen, ist mehr als ein logistisches Problem – es ist ein Warnsignal. In einer Zeit, in der das Gesundheitswesen ohnehin unter Druck steht, zeigt sich einmal mehr, wie wenig Spielraum für Störungen im System verbleibt.

Die Verantwortung für die Sicherheit der Bevölkerung liegt unbestritten bei den Behörden. Doch während Straßen gesperrt und Schulgebäude geräumt werden, tritt die Frage nach dem Schutz der medizinischen Versorgung erschreckend in den Hintergrund. Apotheken und Versorgungszentren gehören zur kritischen Infrastruktur, ihre zeitweilige Schließung ist keine Randnotiz, sondern eine potenzielle Gefahr für vulnerable Gruppen. Alte Menschen, chronisch Kranke und Menschen mit akuten Beschwerden verlieren plötzlich den Zugang zu dringend benötigten Medikamenten oder Beratung.

Dass in solchen Momenten keine funktionierenden Notfallkonzepte greifen, offenbart eine Leerstelle im Katastrophenschutz: Wer übernimmt in solchen Fällen die Versorgung? Wo bleiben mobile Apothekenteams, Interimsstellen oder digitale Notfallkanäle? Der aktuelle Vorfall zeigt, dass nicht nur die Bombe aus dem Boden geholt werden musste – sondern auch ein Problem an die Oberfläche kam, das in normalen Zeiten überdeckt bleibt: die mangelnde Redundanz im Gesundheitswesen auf lokaler Ebene.

Es wäre falsch, den Verantwortlichen vorschnell Versagen zu unterstellen. Doch die Tatsache, dass eine Bombenentschärfung gleichzeitig die Gesundheitsversorgung eines ganzen Ortes zum Erliegen bringt, legt strukturelle Schwächen offen, die längst hätten behoben sein müssen. Die politisch vielfach beschworene Krisenfestigkeit des Gesundheitswesens existiert offenbar nur auf dem Papier.

Die Lektion aus Gensingen ist unbequem, aber notwendig: Der Schutz von Menschenleben endet nicht bei der Evakuierung, sondern beginnt bei der Aufrechterhaltung medizinischer Versorgung – gerade dann, wenn alles andere stillsteht. Es braucht Konzepte, Ressourcen und politische Entschlossenheit, um Apotheken und ärztliche Einrichtungen nicht länger zu den ersten Opfern äußerer Störungen zu machen.

 

Gefälschte Rechnungen gefährden den Betrieb vieler Apotheken

In verschiedenen Regionen sind Apotheken aktuell mit täuschend echt gestalteten Rechnungen konfrontiert, die auf eine angebliche Domainverlängerung verweisen. Die Schreiben imitieren in Gestaltung und Inhalt bekannte Anbieter und suggerieren Dringlichkeit. Viele Betriebe erkennen die Fälschung nicht sofort und leisten Zahlungen, die zu finanziellen Verlusten führen und weiteren Risiken ausgesetzt sind. Die Vorgehensweise der Täter ist gezielt auf Betriebsabläufe abgestimmt, die in Apotheken stark routiniert und durch Zeitdruck geprägt sind. Genau diese Strukturen machen den Betrug besonders wirksam.

Der Betrag der Rechnung liegt meist im Bereich üblicher Dienstleistungen, die Apotheken regelmäßig in Anspruch nehmen. Der Absendername orientiert sich an gängigen Hostingdiensten, während Layout und Sprache den Anschein eines seriösen Geschäftsverkehrs erzeugen. Der Angriff zielt darauf ab, dass Rechnungen in einem automatisierten System ohne Rückfragen abgewickelt werden. Die Täter profitieren davon, dass viele Betriebe keine gesonderten Freigabeprozesse oder Prüfroutinen für digitale Rechnungen etabliert haben. Die Folge ist nicht nur der unmittelbare Verlust des überwiesenen Betrags, sondern häufig auch eine Mehrfachbelastung durch Folgeversuche.

Wer eine solche Zahlung geleistet hat, sieht sich schnell mit organisatorischen und rechtlichen Folgeproblemen konfrontiert. Rückbuchungen sind nicht immer möglich, vor allem wenn die Täuschung erst spät erkannt wird. Hinzu kommt die Gefahr, erneut in betrügerische Datenbanken aufgenommen und Ziel künftiger Angriffe zu werden. In einer Branche mit hoher Arbeitsdichte und komplexen Verwaltungspflichten wie dem Apothekenwesen entsteht daraus ein erhebliches strukturelles Risiko. Gerade kleinere Betriebe ohne eigene Buchhaltungsabteilung oder juristische Unterstützung sind besonders anfällig.

Darüber hinaus ergibt sich eine haftungsrechtliche Komponente. Apotheken unterliegen kaufmännischen Sorgfaltspflichten und müssen sämtliche Geschäftsvorgänge nachvollziehbar dokumentieren. Wer eine gefälschte Rechnung begleicht, obwohl keine Leistung bezogen wurde, riskiert die Verletzung dieser Pflichten. Die Aufarbeitung solcher Vorfälle bindet Ressourcen und belastet die betriebliche Stabilität. Hinzu kommt der Reputationsschaden, wenn interne Prozesse offengelegt oder externe Stellen wie Steuerberatung und Bank involviert werden müssen.

Eine branchenspezifische Rechtsschutzversicherung kann in solchen Fällen eine wichtige Rolle spielen. Sie hilft bei der rechtlichen Aufarbeitung und bietet Unterstützung in Auseinandersetzungen mit Zahlungsdienstleistern. Allgemeine Policen decken digitale Täuschung oft nicht ausreichend ab. Der gezielte Aufbau eines rechtlichen Schutzes gegen betrugsbedingte Risiken wird für Apotheken zunehmend zu einer unternehmerischen Notwendigkeit. Parallel dazu müssen interne Abläufe überdacht und technische Schutzmaßnahmen verstärkt werden.

Der aktuelle Fall macht deutlich, dass Apotheken längst nicht nur mit medizinischen Herausforderungen konfrontiert sind. Die Professionalisierung digitaler Täuschungsversuche verändert das betriebliche Risiko und verlangt neue Antworten. Die Einrichtung verlässlicher Prüfschritte, der Verzicht auf automatische Zahlungsprozesse und der Zugang zu juristischem Beistand werden zu zentralen Elementen der Sicherheit im Apothekenbetrieb. Wer sich nicht schützt, bleibt anfällig für systematische Angriffe.

Der gezielte Betrug mit gefälschten Rechnungen offenbart eine strukturelle Schwachstelle im digitalen Alltag vieler Betriebe. Apotheken stehen exemplarisch für eine Berufsgruppe, die zwischen medizinischer Verantwortung, wirtschaftlichem Druck und administrativer Überforderung zerrieben wird. Die Täter nutzen nicht nur technische Lücken, sondern vor allem organisatorische Routinen aus, die auf Effizienz und Vertrauen setzen. Die Betrugsmasche mit Domainrechnungen zeigt, wie leicht sich diese Systeme unterlaufen lassen.

Die politische Dimension liegt in der fehlenden rechtlichen und technischen Infrastruktur für kleine und mittlere Betriebe, um sich gegen digitale Täuschung wirksam zu schützen. Die Aufklärungsquote solcher Taten ist gering, die Ermittlung länderübergreifend kompliziert, und die Prävention wird häufig allein in die Verantwortung der Betriebe verlagert. Dabei wäre es Aufgabe von Staat und Verbänden, Mindeststandards für digitale Sicherheit durchzusetzen und praxisnahe Unterstützung bereitzustellen. Apotheken als Teil der kritischen Infrastruktur sollten nicht nur bei Lieferengpässen, sondern auch beim Schutz vor digitalem Betrug besonders berücksichtigt werden.

Zugleich zeigt der Fall, dass Sicherheitslücken häufig nicht technischer, sondern organisatorischer Natur sind. Betriebe zahlen nicht, weil sie arglos sind, sondern weil unter Zeitdruck agiert wird, Entscheidungen delegiert werden oder Kontrollen fehlen. Diese Schwächen lassen sich durch gute Organisation begrenzen, doch die Verantwortung dafür darf nicht allein auf einzelne Apotheken abgewälzt werden. Es braucht klare Prozesse, verständliche Leitlinien und praktikable Tools, die Betriebe aller Größen nutzen können.

Ein weiterer Aspekt ist die mangelnde Sensibilisierung in der Branche. Während für Datenschutz und Arzneimittelsicherheit hohe Standards gelten, wird die betriebliche Integrität im Zahlungswesen oft vernachlässigt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Der Schutz vor digitalem Betrug muss als Teil der betrieblichen Sorgfaltspflicht verstanden und aktiv umgesetzt werden. Andernfalls droht eine Erosion des Vertrauens in die Geschäftsgrundlagen, die nicht nur Apotheken, sondern die gesamte mittelständische Versorgung trifft.

Am Ende bleibt die Erkenntnis, dass die Bedrohung nicht im Einzelfall liegt, sondern in der Wiederholbarkeit des Musters. Betrüger agieren dort, wo Erfolg wahrscheinlich ist. Wenn Apotheken zur Zielscheibe werden, dann nicht aus Zufall, sondern weil ihre Strukturen systematisch ausgenutzt werden. Die Reaktion darauf muss ebenso systematisch erfolgen. Sicherheit ist keine Zusatzleistung mehr, sondern Teil des betrieblichen Überlebens.

 

Berufsunfähigkeit durch rechtliche Einschränkungen: Wenn Hilfsmittel im Apothekerberuf nicht zulässig sind

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit einem Urteil vom 27. März 2025 ein Grundsatzurteil gefällt, das weit über den konkreten Einzelfall hinaus Relevanz besitzt. Geklagt hatte ein Kapitän, der aufgrund einer beidseitigen Schwerhörigkeit vom Seeärztlichen Dienst für seedienstuntauglich erklärt worden war. Zwar hätte sein Hörvermögen technisch durch Hörgeräte verbessert werden können, jedoch ist das Tragen solcher Hilfsmittel nach der geltenden Maritime-Medizin-Verordnung für Besatzungsmitglieder im Decksdienst ausdrücklich untersagt. Das OLG entschied, dass der Kläger deshalb als berufsunfähig im Sinne seiner Berufsunfähigkeitsversicherung gilt. Die Versicherung wurde zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Rente verurteilt.

Im Zentrum des Urteils steht die Frage, ob Berufsunfähigkeit auch dann vorliegt, wenn ein gesundheitliches Defizit theoretisch durch ein technisches Hilfsmittel kompensierbar wäre, dieses Hilfsmittel aber aus berufsrechtlichen Gründen nicht eingesetzt werden darf. Die beklagte Versicherung hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass keine Berufsunfähigkeit vorliege, da der Hörverlust durch Hörgeräte ausgeglichen werden könne. Die erste Instanz folgte dieser Auffassung, wies die Klage ab und verwies auf die technische Möglichkeit der Kompensation.

Erst in der Berufung vor dem OLG Frankfurt setzte sich der Kläger durch. Die Richter stellten klar, dass die Berufsunfähigkeit nicht allein an die medizinische oder technische Kompensierbarkeit einer körperlichen Beeinträchtigung gebunden sei. Entscheidend sei vielmehr, ob der Versicherte unter Einhaltung aller berufsrechtlichen Anforderungen seinen zuletzt ausgeübten Beruf noch ausüben könne. Da dem Kläger die Ausübung des Kapitänsberufs aufgrund der Seedienstuntauglichkeit und des damit verbundenen Hörgeräteverbots dauerhaft verwehrt sei, sei die Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen erfüllt.

Das Urteil hat über den konkreten Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung für alle reglementierten Berufe, in denen gesetzliche oder behördliche Vorgaben an die körperliche oder geistige Eignung gestellt werden. Besonders betroffen sind Berufsgruppen mit hohem Verantwortungsgrad oder Sicherheitsanforderungen – wie Piloten, Ärzte, Lokführer oder auch Apothekerinnen und Apotheker. In all diesen Tätigkeiten gilt: Die Fähigkeit zur Berufsausübung wird nicht nur medizinisch, sondern auch rechtlich definiert.

Für Apothekenleiter ergeben sich aus dem Urteil bedeutsame Implikationen. Auch sie unterliegen berufsrechtlichen Vorgaben, die eine uneingeschränkte gesundheitliche Eignung voraussetzen. Liegt etwa eine fortgeschrittene Seh- oder Hörbeeinträchtigung, eine neurologische Erkrankung oder eine psychische Störung vor, kann die Fähigkeit zur rechtssicheren Ausübung der pharmazeutischen Verantwortung infrage stehen – selbst dann, wenn technische oder personelle Hilfsmittel grundsätzlich verfügbar sind. In solchen Fällen kann das Risiko bestehen, dass eine faktische Berufsunfähigkeit eintritt, obwohl medizinische Hilfen zur Verfügung stünden.

Für Versicherte bedeutet das Urteil eine Stärkung ihrer Position im Streitfall mit der Berufsunfähigkeitsversicherung. Entscheidend ist nicht, ob eine Einschränkung theoretisch ausgeglichen werden kann, sondern ob dies im beruflichen Alltag – unter Berücksichtigung der geltenden Vorschriften – überhaupt zulässig und praktikabel ist. Die Berufsunfähigkeitsversicherung kann sich nicht allein auf die Existenz technischer Mittel berufen, wenn deren Einsatz im konkreten Beruf rechtlich ausgeschlossen ist.

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Die Versicherung hat die Möglichkeit, mit einer Nichtzulassungsbeschwerde die Revision vor dem Bundesgerichtshof zu erzwingen. Sollte der BGH das Verfahren zur Entscheidung annehmen, könnte sich daraus ein Grundsatzurteil zur Auslegung von Berufsunfähigkeit in reglementierten Berufsfeldern ergeben.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt rückt einen bislang oft vernachlässigten Aspekt der Berufsunfähigkeit ins Zentrum: die rechtliche Zulässigkeit der Berufsausübung trotz technischer Kompensationsmöglichkeiten. Es korrigiert damit eine häufig verkürzte Sichtweise, die Berufsunfähigkeit lediglich auf medizinische Diagnosen und technische Hilfen reduziert. In Wahrheit besteht Berufsunfähigkeit dort, wo die Ausübung des Berufs objektiv nicht mehr möglich oder erlaubt ist – sei es aus gesundheitlichen, sicherheitsbezogenen oder berufsrechtlichen Gründen.

Für viele reglementierte Berufe markiert dieses Urteil eine Zäsur. Insbesondere Apothekerinnen und Apotheker müssen sich bewusst sein, dass ihre Berufsfähigkeit nicht allein durch ihren Gesundheitszustand, sondern auch durch rechtliche Anforderungen begrenzt ist. Wer dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, die gesetzlichen Pflichten einer verantwortlichen Leitung oder Kontrolle in der Apotheke wahrzunehmen, kann faktisch berufsunfähig sein – auch wenn ihm beispielsweise eine Sehhilfe oder eine Software assistierend zur Seite steht.

Diese neue Klarheit hat auch Konsequenzen für den Versicherungsschutz. Berufsunfähigkeitsversicherungen müssen künftig stärker auf berufsbezogene Besonderheiten eingehen und dürfen sich nicht pauschal auf abstrakte Verweisungen oder technische Kompensationsmöglichkeiten stützen. Versicherte sollten wiederum ihre Verträge kritisch prüfen, insbesondere im Hinblick auf Formulierungen zur konkreten Berufsausübung, zu Verweisungsmöglichkeiten und zur Anerkennung rechtlicher Einschränkungen.

Das Urteil stärkt das Prinzip der realitätsnahen Betrachtung: Entscheidend ist nicht, was theoretisch möglich wäre, sondern was im konkreten Beruf erlaubt und zumutbar ist. Berufsunfähigkeit ist damit nicht mehr nur eine Frage der medizinischen Leistungsfähigkeit – sondern auch der rechtlichen Rahmenbedingungen, die einen Beruf definieren. Das ist ein längst überfälliger Perspektivwechsel, der der beruflichen Praxis gerecht wird.

 

Gesund.de und Aposoft treiben Apothekendigitalisierung voran
Mit direkter Systemverknüpfung entstehen nahtlose Abläufe im Kunden- und Kassenbereich

Die Apothekenplattform Gesund.de hat mit der neuen Anbindung des Warenwirtschaftssystems Aposoft einen weiteren Schritt zur nahtlosen Digitalisierung im Apothekenmarkt vollzogen. Bestellungen lassen sich künftig direkt im Kassensystem empfangen und verarbeiten. Damit entfallen manuelle Übertragungsprozesse ebenso wie Medienbrüche zwischen Kundenkommunikation und Warenwirtschaft. Gleichzeitig werden Preise, Verfügbarkeiten und Lieferoptionen in Echtzeit abgebildet, was sowohl für Apothekenmitarbeiter als auch für Kundinnen und Kunden eine deutlich höhere Transparenz schafft.

Die direkte Systemintegration von Aposoft folgt einer strategischen Linie der Plattform, ihren Funktionsumfang über bestehende Marktstandards hinaus auszudehnen. Apotheken erhalten durch diese Verknüpfung nicht nur operative Erleichterung im Bestellprozess, sondern auch die Möglichkeit, digitale Gesundheitsservices einfacher in ihren Alltag einzubinden. Das System greift dabei tief in die bestehende Softwarearchitektur ein, ohne zusätzlichen Aufwand in der Bedienung zu verursachen. Die Apothekenteams bleiben in ihren gewohnten Abläufen, profitieren jedoch von einer technologisch gestützten Prozessoptimierung.

Diese Entwicklung reiht sich ein in den kontinuierlichen Ausbau der Schnittstellenstruktur von Gesund.de. Nach Angaben der Plattform liegt die Marktabdeckung durch bestehende Integrationen bereits bei rund 90 Prozent. Mit der jetzt erfolgten Aposoft-Anbindung vergrößert sich dieser Wert weiter. Zu den bisherigen Partnern zählen unter anderem die ADG-Systeme A3000 und S3000, verschiedene Systeme der NOVENTI-Gruppe, das Pharmatechnik-System IXOS sowie die CGM-Systeme WINAPO ux und WINAPO 64. Die Einbindung von Aposoft markiert damit keine technische Einzelmaßnahme, sondern steht exemplarisch für ein Plattformkonzept, das auf vollständige Systemintegration zielt.

Im Zentrum dieser Strategie steht die Vereinfachung des Apothekenalltags bei gleichzeitigem Ausbau digitaler Kundenservices. Die direkte Anbindung von Aposoft unterstreicht diesen Anspruch, indem sie die Systeme dort zusammenführt, wo die Transaktion tatsächlich stattfindet: am Verkaufspunkt. Das bedeutet nicht nur effizientere Abläufe, sondern auch eine höhere Dienstleistungsqualität, die sich in kürzeren Wartezeiten, präziser Beratung und klaren Lieferprognosen niederschlägt. Die Digitalisierung wird so nicht zur Belastung, sondern zum produktiven Teil des Versorgungsauftrags.

Die jüngste Systemintegration zwischen Gesund.de und Aposoft ist keine Randnotiz technischer Modernisierung, sondern Ausdruck eines tiefgreifenden Strukturwandels im Apothekenmarkt. In einer Branche, die lange zwischen analogem Kundengeschäft und digitalem Anspruch lavierte, beginnen sich nun zentrale Knotenpunkte zu verbinden – und zwar dort, wo es zählt: in der Praxislogik des Kassenbetriebs. Die Einbindung von Aposoft in die digitale Infrastruktur von Gesund.de ist deshalb mehr als nur ein Software-Update. Sie ist ein Signal dafür, dass Plattformökonomie und Warenwirtschaft nicht länger Gegensätze darstellen, sondern integrative Kräfte entwickeln können.

Apotheken stehen vor der Herausforderung, sich in einer durchtechnisierten Gesundheitswelt neu zu positionieren, ohne ihren Versorgungsauftrag zu verlieren. Der politische Druck auf Budgets, die Bürokratisierung der Prozesse und die steigende Erwartungshaltung digital versierter Patientengruppen haben zu einer Überlastung geführt, die nicht allein durch App-Anwendungen aufgefangen werden kann. Notwendig ist eine funktionierende Prozessautomatisierung im Kernsystem. Genau hier setzt die Anbindung von Aposoft an: Sie schafft Echtzeitfähigkeit, senkt Reibungsverluste und erhöht die Datenkonsistenz zwischen Plattform, Personal und Patient.

Gleichzeitig zeigt sich in dieser Entwicklung ein bemerkenswerter Wandel im Selbstverständnis der Plattform Gesund.de. Was einst als App-Anbindung begann, wird zunehmend zur infrastrukturellen Basis vieler Apotheken. Damit verändert sich auch die Machtbalance im Markt. Wer über die Schnittstellen verfügt, definiert zunehmend auch die Prozesse, das Angebot und die Nutzerführung. Dies kann für die Apothekerschaft eine Chance sein – wenn sie die Systeme bewusst steuert und nicht nur passiv übernimmt.

Der politische Aspekt liegt auf der Hand: Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wurde über Jahre hinweg regulatorisch blockiert oder technokratisch verfehlt. Nun entsteht, fernab ministerialer Strategiepapiere, eine neue Realität auf Systemebene – nicht durch Verordnung, sondern durch Integration. Die Verbindung von Aposoft mit Gesund.de ist deshalb auch eine Lektion an die Politik: Wo Digitalpolitik versagt, setzt sich marktorientierte Technikgestaltung durch. Für die Apotheken bedeutet das: Wer jetzt nicht integriert, bleibt außen vor.

 

Jede zwanzigste Klinikbehandlung endet mit Infektion
Von MRSA bis Acinetobacter – resistente Erreger fordern Kliniken, Politik und Gesellschaft

Wer in ein europäisches Krankenhaus eingeliefert wird, muss nicht nur auf Heilung hoffen, sondern sich auch einem systemischen Risiko aussetzen: der Gefahr, sich eine Infektion zuzuziehen, die er bei der Aufnahme noch nicht hatte. Diese sogenannten nosokomialen Infektionen treffen jährlich Millionen Menschen, allein in Deutschland bis zu 840.000 Patientinnen und Patienten. Die Erreger sind dabei nicht zufällig – es handelt sich vielfach um resistente oder hochinfektiöse Keime, die in Kliniken nicht kontrolliert, sondern mitunter ungewollt kultiviert werden.

Laut der nationalen Punkt-Prävalenzerhebung (PPS) aus dem Jahr 2022, durchgeführt an über 250 deutschen Akutkrankenhäusern, liegt die Prävalenz nosokomialer Infektionen bei 4,9 Prozent. Auf die Zahl der Krankenhausaufenthalte im Jahr hochgerechnet ergibt sich eine enorme Fallzahl. Besonders häufig treten postoperative Wundinfektionen, Atemwegsinfektionen und Harnwegsinfekte auf – jeweils verursacht durch ein Spektrum typischer Klinikpathogene, die sich über Hände, Geräte und Raumluft verbreiten. Die gravierendsten Folgen drohen allerdings bei Infektionen mit multiresistenten Erregern, gegen die Standardtherapien nicht mehr anschlagen.

Besonders gefährlich ist das Aufkommen von MRSA, VRE und ESBL-bildenden Keimen. Diese Mikroorganismen entziehen sich gängigen Antibiotikatherapien, was den Behandlungsaufwand erhöht, Heilung verzögert und in tausenden Fällen zum Tod führt. So sind Methicillin-resistente Staphylococcus aureus-Bakterien (MRSA) nicht nur für Haut- oder Lungeninfektionen verantwortlich, sondern auch für Blutvergiftungen, die durch keine gängige Behandlung mehr gestoppt werden können. Noch schwieriger zu behandeln sind Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) oder panresistente Stämme von Acinetobacter baumannii, die auf Intensivstationen ganze Infektionsketten auslösen können.

Die Ergebnisse der PPS zeigen zudem, dass in 57 Prozent der dokumentierten Fälle ein Erreger bestimmt wurde. Am häufigsten war es Escherichia coli, gefolgt von Staphylococcus aureus sowie Enterococcus faecalis und faecium. Zwar ist der Großteil dieser Keime nicht multiresistent, doch ihre Umgebung macht sie zu einer Bedrohung: Wo Hygiene versagt, entstehen aus harmlosen Kommensalen tödliche Gefahren. Einfache Maßnahmen wie Händedesinfektion, die Bereitstellung alkoholbasierter Mittel am Patientenbett oder das Tragen von Schutzkleidung könnten laut Einschätzung des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) bis zu 20 Prozent der Infektionen vermeiden.

In der europaweiten Erhebung, die im Mai 2024 veröffentlicht wurde, wurden 4,3 Millionen Fälle nosokomialer Infektionen gezählt – bei jährlich rund 90 Millionen stationären Behandlungen. Besonders beunruhigend: Trotz des pandemiebedingten Fokus auf Hygiene, Isolierung und Desinfektion hat sich die Gesamtlage nicht signifikant verbessert. Vielmehr hat SARS-CoV-2 als zusätzlicher Klinikpathogen den Infektionsdruck weiter erhöht. In Deutschland wurde das Virus 2022 bereits als vierthäufigster Erreger nosokomialer Infektionen identifiziert.

Eine weitere Dimension eröffnet der sorglose Antibiotikaeinsatz in Krankenhäusern. Ein Viertel aller stationären Patienten in Deutschland erhält laut PPS eine antibiotische Therapie – in einem relevanten Anteil der Fälle ohne mikrobiologische Bestätigung. Dabei zählen gerade die häufig eingesetzten Penicilline mit β-Lactamase-Inhibitoren sowie Cephalosporine der zweiten und dritten Generation zu den Wirkstoffgruppen, die bei übermäßiger Anwendung Resistenzen forcieren. Die Erhebung lässt erkennen, dass strukturelle Defizite im Umgang mit Antibiotika ebenso infektionstreibend sind wie mangelhafte Hygienepraktiken.

Ein Blick auf die gefährlichsten Erreger verdeutlicht das Ausmaß der Bedrohung: Clostridioides difficile etwa verursacht lebensbedrohliche Durchfallerkrankungen, besonders nach breitem Antibiotikaeinsatz. Acinetobacter baumannii überlebt auf trockenen Flächen, verursacht Pneumonien und zeigt häufig Panresistenzen. Klebsiella pneumoniae und ESBL-produzierende E.-coli-Stämme gefährden vor allem immungeschwächte Patienten – nicht nur im Krankenhaus, sondern zunehmend auch in Pflegeeinrichtungen und der häuslichen Pflege.

Angesichts dieser Lage spricht das ECDC von einer „erheblichen Herausforderung für die Patientensicherheit in ganz Europa“. Der Appell, Infektionsprävention zu priorisieren und Antibiotikastrategien kritisch zu hinterfragen, ist überfällig. Es reicht nicht, Hygieneposter aufzuhängen oder Betten zu desinfizieren – notwendig ist eine Systemänderung. Dazu gehören mehr Hygienefachpersonal, isolierte Infektionsstationen, gezielte Schulungen sowie eine digitale Echtzeitüberwachung von Keimen und Infektionen.

Deutschland ist damit nicht allein. Doch der europäische Vergleich zeigt: Der Wandel verläuft schleppend. Selbst nach einer globalen Pandemie gelingt es vielen Gesundheitssystemen nicht, grundlegende Strukturreformen durchzusetzen. So bleibt die Krankenhausinfektion in vielen Fällen nicht eine vermeidbare Komplikation – sondern ein systemisch akzeptiertes Risiko mit tödlicher Konsequenz.

Die Tatsache, dass jährlich Hunderttausende Menschen in deutschen Krankenhäusern eine Infektion erwerben, die sie vor ihrer Einlieferung nicht hatten, ist mehr als ein medizinisches Problem. Es ist ein strukturelles und politisches Versagen. Seit Jahren liegen die Zahlen auf einem konstant hohen Niveau, obwohl der Wissensstand über Infektionsverläufe, Übertragungswege und Präventionsmaßnahmen hervorragend dokumentiert ist. Die Erhebungen des ECDC und der nationalen PPS zeigen, dass sowohl die Ursachen als auch die Lösungen bekannt sind – doch die Umsetzung scheitert an Priorität, Organisation und einer ausgeprägten Reformträgheit im System.

In einer Gesellschaft, die mit milliardenschweren Gesundheitsbudgets operiert, wirkt es grotesk, dass Basishygiene wie Händedesinfektion, Schutzkleidung und Einzelzimmerbelegung weiterhin als optionale Maßnahmen behandelt werden. Wenn 20 Prozent der nosokomialen Infektionen durch simple Verhaltensregeln vermeidbar wären, spricht das nicht nur für die Effektivität einfacher Mittel, sondern klagt das Verhalten von Trägern, Leitungspersonal und Kontrollinstanzen direkt an. Der systematische Mangel an Hygienefachkräften, unterfinanzierte Infektionsstationen und ein unkritischer Antibiotikaeinsatz belegen: Die Patientensicherheit wird dem ökonomischen Optimierungsdruck untergeordnet.

Multiresistente Keime wie MRSA, VRE und ESBL sind keine Naturkatastrophen, sondern Ergebnisse menschlichen Fehlverhaltens – sie entstehen, weil antibiotische Therapien inflationär, prophylaktisch oder ohne gesicherte Indikation verabreicht werden. Dass ein Viertel aller Krankenhauspatienten Antibiotika erhält, ohne dass mikrobiologisch gesichert ist, ob dies notwendig ist, untergräbt nicht nur individuelle Therapieerfolge, sondern erzeugt ein epidemiologisches Problem, das sich außerhalb der Klinik weiterverbreitet. Die zunehmende Sichtbarkeit dieser Erreger in Pflegeheimen und im ambulanten Sektor zeigt, dass das Problem nicht mehr auf den stationären Bereich beschränkt ist.

Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie strukturelle Schwächen nicht geheilt, sondern überdeckt hat. Zwar haben viele Krankenhäuser kurzfristig Hygienestandards verschärft, Schutzmaßnahmen eingeführt und Abläufe digitalisiert – doch diese Veränderungen waren vielfach nicht nachhaltig. Die Wiederkehr vermeidbarer Infektionen nach dem Pandemiehöhepunkt offenbart: Es wurde an Symptomen gearbeitet, nicht an Ursachen. Der politische Reflex, Schutzmasken zu verordnen, ohne zugleich in dauerhafte Isolierstationen, automatisierte Desinfektionsroutinen oder flächendeckende Hygieneschulungen zu investieren, bleibt symptomatisch für ein Gesundheitswesen, das auf kurzfristige Evidenz und nicht auf langfristige Resilienz setzt.

Die europäische Perspektive verschärft das Bild. Wenn 4,3 Millionen Patientinnen und Patienten in EU-Krankenhäusern jährlich eine nosokomiale Infektion erleiden, ist das nicht länger ein nationaler Skandal, sondern ein unionsweites Sicherheitsproblem. Die divergierenden Hygienestandards zwischen Mitgliedsstaaten, das Fehlen eines grenzüberschreitenden Frühwarnsystems für resistente Keime und das beharrliche Verfehlen strategischer Zielvorgaben werfen Fragen nach der Handlungsfähigkeit europäischer Gesundheitspolitik auf. Dass die ECDC-Direktorin in ihrer Stellungnahme nicht nur die Dringlichkeit betont, sondern explizit an Regierungen appelliert, ist ein Alarmsignal: Die Fachwelt ist weiter als die Exekutive.

Die Politik reagiert – wenn überhaupt – mit punktuellen Programmen, Modellprojekten oder befristeten Förderungen. Ein nachhaltiges Umsteuern wäre jedoch nur mit gesetzlich verankerten Standards, einer radikalen Umverteilung von Mitteln in Richtung Prävention und einer durchsetzungsstarken Kontrollstruktur möglich. Bis dahin bleibt die nosokomiale Infektion ein systemischer Kollateralschaden – mit tödlichem Ausgang für viele, die eigentlich auf Heilung hofften. In einer modernen Gesellschaft darf Krankheit nicht dort beginnen, wo eigentlich Genesung stattfinden sollte.

 

Apotheker in Notaufnahmen erhöhen die Patientensicherheit
Durch strukturierte Arzneimittelanamnese und Medikationsanalysen identifizieren sie unerwünschte Arzneimittelwirkungen frühzeitig.

In vielen Notaufnahmen sind Patientinnen und Patienten mit unklaren Symptomen auf schnelle, sichere Entscheidungen angewiesen. Doch in etlichen Fällen liegt die Ursache nicht in einem akuten Infekt oder einem organischen Notfall, sondern in einer unerwünschten Arzneimittelwirkung. Besonders ältere Menschen, die mehrere Medikamente parallel einnehmen, sind davon betroffen. Der Informationsstand bei Aufnahme ist häufig lückenhaft, Medikamentenpläne fehlen oder sind veraltet. Gerade in dieser angespannten Versorgungssituation zeigen sich die Stärken der Krankenhausapotheker. Durch strukturierte Arzneimittelanamnesen, die in engem Austausch mit Patienten, Angehörigen und Hausärzten durchgeführt werden, gewinnen sie ein exaktes Bild der aktuellen Medikation. Auf dieser Basis erfolgt eine gezielte Medikationsanalyse, die arzneimittelbedingte Probleme identifiziert, Wechselwirkungen aufdeckt und Anpassungen empfiehlt. Die Ergebnisse dieser Arbeit fließen nahtlos in den stationären Ablauf ein, denn Apotheker übernehmen oft auch die Umstellung auf die im Haus verfügbaren Präparate. Damit tragen sie zur sicheren Übergabe zwischen ambulanter und stationärer Versorgung bei.

Darüber hinaus bringen Apotheker ihre pharmazeutische Expertise in Fortbildungen für Pflegekräfte und Ärzte ein. Sie schulen zur korrekten Applikation, zur Erkennung arzneimittelbedingter Notfälle und zur Anwendung lebensrettender Antidota. Besonders in der dynamischen Umgebung der Notaufnahme helfen standardisierte Verfahren, Medikationsfehler zu vermeiden. Apotheker entwickeln diese Standards mit und passen sie an die konkreten Gegebenheiten vor Ort an. Ihre direkte Anwesenheit stellt sicher, dass sie jederzeit als qualifizierte Ansprechpartner für das medizinische Personal zur Verfügung stehen. So entsteht ein eng vernetztes Zusammenspiel zwischen pharmazeutischem Wissen und klinischem Handeln.

Die Wirkung dieser Einbindung reicht über die reine Fehlervermeidung hinaus. Sie stabilisiert Prozesse, schafft Transparenz und entlastet insbesondere Ärzte in hochkomplexen Situationen. Apotheker sichern nicht nur die Arzneimitteltherapiesicherheit, sondern tragen dazu bei, knappe Ressourcen gezielter einzusetzen. Das Schnittstellenmanagement, das sie zwischen ambulanter Medikation, stationärer Versorgung und klinischer Entscheidung leisten, ist ein Baustein für eine moderne, integrierte Notfallmedizin. In einer Zeit, in der Notaufnahmen zunehmend unter Druck geraten, liefern Apotheker somit einen Beitrag, der zugleich praktisch, strukturell und patientenzentriert ist.

Die Rolle der Krankenhausapotheker ist in den vergangenen Jahren aus dem Schatten der reinen Logistik herausgetreten und hat sich zu einem unentbehrlichen Bestandteil der klinischen Versorgung entwickelt. Ihre Arbeit in der Notaufnahme zeigt exemplarisch, wie pharmazeutische Kompetenz unmittelbare Auswirkungen auf Patientensicherheit und Versorgungsqualität hat. In einem System, das an der Schnittstelle zwischen ambulanter Vorbehandlung, stationärer Akutversorgung und individueller Krankengeschichte operiert, ist es gerade die strukturierte Arzneimittelanamnese, die als Brücke zwischen den Ebenen fungiert. Die Tatsache, dass über die Hälfte der unerwünschten Arzneimittelwirkungen initial unentdeckt bleiben, ist kein Versorgungsfehler einzelner, sondern Ausdruck eines strukturellen Defizits in der Kommunikation. Apotheker, die diese Lücke systematisch schließen, agieren nicht als Dienstleister im Hintergrund, sondern als aktive Sicherheitspartner im Team.

Die Medikationsanalyse ist dabei weit mehr als ein Abgleich von Listen. Sie ist ein dynamischer Prozess, der pharmakologische Expertise, klinische Erfahrung und interdisziplinäre Kommunikation zusammenführt. Wenn auf dieser Basis Entscheidungen getroffen werden, die unmittelbar in die stationäre Versorgung einfließen, entsteht ein hohes Maß an therapeutischer Verbindlichkeit. Diese wirkt sich nicht nur positiv auf die Behandlungsqualität aus, sondern entlastet das gesamte Personal, das sich auf konsistente Medikationsdaten verlassen kann. Der Apotheker wird so zum Motor eines integrativen Versorgungsmodells, das die chronisch überlasteten Notaufnahmen stabilisiert.

Der zweite Aspekt betrifft die Rolle der Apotheker als Fortbildner. In einem Kliniksystem, das von hohem Personalwechsel, knappen Ressourcen und komplexen Notfallsituationen geprägt ist, kann Wissen nicht statisch verwaltet werden. Die kontinuierliche Schulung zu arzneimittelbedingten Notfällen, Antidota oder auch zur korrekten Applikation von Hochrisikoprodukten ist kein Add-on, sondern eine Voraussetzung für Sicherheit. Dass Apotheker diese Aufgabe übernehmen, zeigt, wie sehr sich ihr Berufsbild gewandelt hat. Wer heute in der Klinikpharmazie arbeitet, ist nicht nur Fachkraft, sondern auch Kommunikator, Prozessmanager und Risikopilot.

Nicht zuletzt bringt die ständige Präsenz eines Apothekers in der Notaufnahme einen Mehrwert, der sich nicht in Formeln oder Statistiken fassen lässt: die Verfügbarkeit. In kritischen Situationen, in denen Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen werden müssen, ist es ein unschätzbarer Vorteil, wenn qualifizierte Arzneimittelinformation sofort abrufbar ist. Die Versorgung wird dadurch nicht nur schneller, sondern auch sicherer und zielgerichteter. Die systematische Integration von Apothekerwissen in die klinische Primärversorgung ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für ein resilientes Gesundheitssystem.

 

Retokolitis: Wenn der Dickdarm chronisch entzündet ist
Die unterschätzte Krankheit, die junge Erwachsene besonders betrifft

Retokolitis ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Dickdarms, die durch eine anhaltende Entzündung der Darmschleimhaut gekennzeichnet ist. Die Erkrankung beginnt meist im Enddarm und kann sich kontinuierlich auf den gesamten Dickdarm ausbreiten. Betroffene leiden häufig unter blutigem, schleimigem Durchfall, Bauchschmerzen und einem dringenden Stuhldrang.

Die genaue Ursache der Retokolitis ist bislang nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass eine Fehlregulation des Immunsystems in Kombination mit genetischen Faktoren und Umweltfaktoren eine Rolle spielt. Die Erkrankung tritt häufig im jungen Erwachsenenalter auf, kann jedoch Menschen jeden Alters betreffen.

Die Diagnose erfolgt in der Regel durch eine Kombination aus Anamnese, körperlicher Untersuchung, Bluttests und einer Darmspiegelung. Dabei können entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut festgestellt und Gewebeproben entnommen werden.

Die Behandlung der Retokolitis zielt darauf ab, die Entzündung zu kontrollieren, Symptome zu lindern und Komplikationen zu verhindern. Dazu werden entzündungshemmende Medikamente wie Aminosalicylate, Kortikosteroide und Immunsuppressiva eingesetzt. In schweren Fällen kann eine chirurgische Entfernung des Dickdarms erforderlich sein.

Neben der medikamentösen Therapie spielt auch die Lebensstiländerung eine wichtige Rolle. Eine ausgewogene Ernährung, Stressmanagement und regelmäßige ärztliche Kontrollen können dazu beitragen, Krankheitsschübe zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern.

Retokolitis ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die eine umfassende medizinische Betreuung erfordert. Durch frühzeitige Diagnose und individuell angepasste Therapie können viele Patienten jedoch ein weitgehend normales Leben führen.

Retokolitis stellt nicht nur eine medizinische Herausforderung dar, sondern wirft auch gesellschaftliche Fragen auf. Die chronische Natur der Erkrankung erfordert eine langfristige Betreuung und stellt das Gesundheitssystem vor organisatorische und finanzielle Herausforderungen.

Die steigende Prävalenz von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie der Retokolitis in den letzten Jahrzehnten deutet auf Veränderungen in Umweltfaktoren, Ernährung und Lebensstil hin. Diese Entwicklung erfordert eine verstärkte Forschung, um präventive Maßnahmen zu identifizieren und die Ursachen besser zu verstehen.

Zudem ist die gesellschaftliche Wahrnehmung von Erkrankungen des Verdauungstrakts oft von Tabus geprägt. Dies führt dazu, dass Betroffene ihre Symptome aus Scham verschweigen und medizinische Hilfe zu spät in Anspruch nehmen. Eine offene Aufklärung und Enttabuisierung sind daher essenziell, um die Früherkennung zu verbessern und die Lebensqualität der Patienten zu erhöhen.

Die Integration von Patienten in Entscheidungsprozesse und die Förderung von Selbsthilfegruppen können dazu beitragen, das Bewusstsein für die Erkrankung zu schärfen und Betroffenen eine stärkere Stimme zu geben. Nur durch ein gemeinsames Engagement von Medizin, Politik und Gesellschaft kann die Versorgung von Menschen mit Retokolitis nachhaltig verbessert werden.

 

Wenn Automaten Medikamente stellen, steigt die Qualität der Versorgung
Unit Dose spart Zeit, senkt Kosten und erhöht die Sicherheit – mit breiter Akzeptanz bei Patienten und Pflege

Die Arzneimitteltherapie ist eine zentrale und häufige Maßnahme im klinischen Alltag. Zugleich gilt sie als besonders fehleranfällig – mit Risiken für Patienten, Pflegekräfte und das gesamte Versorgungssystem. Um die Sicherheit zu erhöhen und die Abläufe auf den Stationen effizienter zu gestalten, setzen einige Krankenhäuser inzwischen auf sogenannte Unit-Dose-Systeme. Diese vollautomatischen Verpackungs- und Abgabeeinheiten übernehmen das patientenindividuelle Verblistern fester Arzneiformen wie Tabletten und Kapseln und verlagern die Verantwortung für das Stellen der Medikation von der Pflege auf die Klinikapotheke. Im Helios Klinikum Erfurt ist ein solches System seit mehr als fünf Jahren im Einsatz und hat die internen Versorgungsprozesse tiefgreifend verändert.

Kern der neuen Struktur ist die pharmazeutische Kontrolle innerhalb der Krankenhausapotheke. Dort arbeiten Apotheker und pharmazeutisch-technische Assistenten Hand in Hand, um alle ärztlich verordneten Medikamente nach strengen Kriterien zu prüfen und automatisiert in patientenbezogene Blistertüten zu verpacken. Etwa 64 Prozent aller Verordnungen betreffen feste orale Darreichungsformen, die sich für das Unit-Dose-Verfahren eignen. Diese werden direkt aus der zentralen Apotheke an die Stationen geliefert, wodurch sich das manuelle Stellen durch Pflegekräfte nahezu vollständig erübrigt. Die Zeitersparnis auf Station ist erheblich: Der tägliche Aufwand pro Patient sinkt von durchschnittlich 8,5 auf 4,3 Minuten – ein Rückgang um nahezu fünfzig Prozent.

Neben der erheblichen Entlastung der Pflegekräfte, die ihre gewonnene Zeit verstärkt für patientennahe Tätigkeiten einsetzen können, bringt das System weitere Vorteile. Die Vorratshaltung auf Stationen kann deutlich reduziert werden, wodurch sowohl Verwechslungen als auch Arzneimittelverfälle minimiert werden. Die Übersichtlichkeit steigt, der wirtschaftliche Ressourceneinsatz sinkt. Auch aus Sicht der Hygiene und Patientensicherheit ergeben sich erhebliche Verbesserungen. Die Blistertüten sind eindeutig beschriftet, was Verwechslungen durch ähnlich klingende Präparate oder unleserliche Handschriften wirksam verhindert. Zusätzlich werden alle Verordnungen vor der maschinellen Umsetzung pharmazeutisch kontrolliert. Dabei liegt der Fokus auf Über- und Unterdosierungen, möglichen Wechselwirkungen, Doppelverordnungen sowie der Berücksichtigung aktueller Laborparameter wie Nierenfunktion oder Elektrolytstatus.

Ein besonders relevanter Aspekt ist die Akzeptanz der Pflegekräfte. Entgegen gelegentlicher Vorbehalte sehen viele das Unit-Dose-Modell nicht als Eingriff in ihre fachliche Kompetenz, sondern als Unterstützung ihrer eigentlichen Aufgaben. Die klinische Arzneimittelgabe wird dadurch sicherer, strukturierter und entlastet von administrativen Lasten. Auch von Seiten der Patienten wird die neue Versorgungsform überwiegend positiv bewertet. In einer internen Erhebung des Helios Klinikums Erfurt äußerten sich zahlreiche Befragte zufrieden mit der transparenten Darstellung der Medikamente und dem Wissen, dass ihre Arzneitherapie durch Apotheker geprüft und nicht händisch auf Station zusammengestellt wird.

Die Implementierung eines Unit-Dose-Systems ist kein bloßer technischer Fortschritt, sondern ein Paradigmenwechsel in der Medikationslogistik. Sie hebt die Arzneimittelversorgung auf ein neues Niveau der Prozesssicherheit und Professionalität. Wo früher Pflegekräfte unter hohem Zeitdruck manuell stellten, arbeiten heute Apotheker kontrolliert, systematisch und mit direkter Rückkopplung auf die Arzneimitteldatenbank. Die automatisierte Verblisterung trägt dazu bei, Medikationsfehler systematisch zu reduzieren, Ressourcen effizienter einzusetzen und die Patientensicherheit dauerhaft zu verbessern. In Erfurt ist dieser Wandel längst Alltag geworden – mit messbarem Erfolg.

Die Einführung von Unit-Dose-Systemen in der klinischen Arzneimittelversorgung markiert nicht nur eine technologische Neuerung, sondern offenbart grundlegende strukturelle Defizite des bisherigen Modells. Über Jahre hinweg wurde das Risiko potenzieller Medikationsfehler durch manuelle Prozesse, unklare Verantwortlichkeiten und eine oft überforderte Pflege stillschweigend in Kauf genommen. Dass Pflegekräfte regelmäßig unter Zeitdruck, mit wechselnder Stationsbesetzung und unzureichender Systemunterstützung komplexe Arzneimittelverordnungen umsetzen mussten, ist weniger Ausdruck professioneller Sorgfalt als vielmehr ein systemisch erzeugtes Risiko. Die Reaktion darauf ist keine Schuldzuweisung, sondern eine überfällige Umverteilung von Verantwortung.

Was am Helios Klinikum Erfurt exemplarisch umgesetzt wurde, ist Ausdruck eines längst überfälligen Perspektivwechsels: Arzneimitteltherapie ist kein administrativer Nebenaspekt, sondern ein hochsensibler Prozess, der fachliche Kontrolle, strukturierte Abläufe und technische Unterstützung verlangt. Unit-Dose-Systeme führen nicht zur Entprofessionalisierung der Pflege, sondern entlasten sie gezielt in Bereichen, in denen die Fehleranfälligkeit hoch und die personelle Ausstattung oft unzureichend ist. Der Zugewinn liegt in der Rückbesinnung auf Kernaufgaben – nicht in der technischen Verdrängung menschlicher Kompetenz.

Gleichzeitig offenbart sich in der erfolgreichen Integration solcher Systeme ein bemerkenswerter Wandel im Selbstverständnis der Krankenhausapotheken. Wo früher Dispensation im Hintergrund stattfand, wird heute aktiv in die Therapieplanung eingegriffen. Die Blistertüte ist nicht nur Verpackung, sondern ein Symbol für Transparenz, Rückverfolgbarkeit und pharmazeutische Verantwortung. Dass Patienten diese Veränderung positiv bewerten, unterstreicht den Wunsch nach nachvollziehbarer und fehlerfreier Medikation – ein Bedürfnis, das zu lange ignoriert wurde.

Die Herausforderungen der Zukunft liegen nicht in der Technik, sondern in ihrer systemweiten Implementierung. Noch immer fehlt es vielerorts an Investitionsbereitschaft, interdisziplinärem Vertrauen und organisatorischem Willen. Die hohe Fehlerquote bei Medikationen ist kein Einzelfall, sondern strukturelles Problem. Der Blisterautomat allein ist keine Lösung – wohl aber ein Baustein für ein intelligenteres und sichereres Gesundheitssystem. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur ökonomische Verluste, sondern vor allem die Sicherheit der Patienten.

 

Blutplasmaprodukte werden knapp, Risiken für Therapien steigen Untertitel
Neue Behandlungsmethoden und alternde Gesellschaft treiben Nachfrage, doch Spenden stagnieren

Blutplasma ist ein lebenswichtiger Rohstoff, dessen Nachfrage in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Besonders Immunglobuline, zentral bei der Behandlung schwerer und seltener Erkrankungen, verzeichnen einen dramatischen Verbrauchszuwachs. Laut einer aktuellen Stellungnahme mehrerer Industrie- und Patientenverbände wuchs der Bedarf an Immunglobulinen zwischen 2013 und 2023 um rund 120 Prozent. Gleichzeitig stieg die in Deutschland gewonnene Plasmamenge im selben Zeitraum lediglich um vier Prozent. Diese Diskrepanz ist Ausdruck eines strukturellen Problems, das nicht nur die nationale, sondern auch die europäische Versorgungssicherheit gefährdet.

In einem gemeinsam verfassten Positionspapier schlagen der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI), die Plasma Protein Therapeutics Association Deutschland (PPTA) sowie der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) weitreichende Maßnahmen vor. Ihr Anliegen: Das Blutplasma-Ökosystem in Deutschland und Europa grundlegend zu stabilisieren. Denn die Versorgung mit Plasmaprodukten ist nicht nur längst grenzüberschreitend, sie ist zunehmend von Importen aus Drittstaaten abhängig – insbesondere aus den USA. Geopolitische Spannungen und gestörte Lieferketten setzen dieses fragile Gleichgewicht zusätzlich unter Druck.

Die Verbände verweisen auf die Unersetzlichkeit von Blutplasma: Es kann nicht synthetisch hergestellt werden und ist Grundlage für Therapien, für die es keine Alternativen gibt. Besonders aufwendig ist etwa die Behandlung von Patienten mit Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, für die bis zu 900 Plasmaspenden pro Jahr erforderlich sind. Zugleich ist die Bereitschaft zur Spende seit Jahren stagnierend, während der medizinische Fortschritt und der demografische Wandel die Nachfrage weiter ankurbeln. Eine direkte Folge: Engpässe, die nicht mehr nur punktuell auftreten, sondern strukturelle Züge annehmen.

Das Papier formuliert eine Vielzahl konkreter Forderungen. Neben regulatorischen Anpassungen – etwa der Streichung der bisherigen Datumsgrenze für die Befreiung von Immunglobulinpräparaten vom Preismoratorium – plädieren die Autoren für eine bessere Spenderinformation, für Motivationskampagnen und für eine umfassende Reform der Parallelimport-Förderung. Auch soll die "aut-idem"-Substitution in Apotheken für Blutplasmaprodukte verboten werden, um individuelle Therapiesicherheit zu gewährleisten.

Darüber hinaus fordert das Positionspapier eine europäische Strategie zur Reduzierung der Importabhängigkeit, gestützt auf die Ausweitung von Spenden innerhalb der EU. Das deutsche Modell, das auf eine koordinierte Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteure setzt, wird als Vorbild genannt. Voraussetzung dafür sei eine pragmatische Umsetzung der neuen EU-SoHO-Verordnung, die Sicherheits- und Qualitätsstandards bewahren soll, ohne die Zentren mit Bürokratie zu überlasten.

Ohne politische und gesellschaftliche Reaktion droht der Mangel an Blutplasma zur dauerhaften Bedrohung für Patienten zu werden. Die Forderungen aus Industrie und Patientenorganisationen zeichnen das Bild einer angespannten Lage, die strukturelle Antworten verlangt. Die Frage, wie Europa seine Rohstoffversorgung im Gesundheitswesen sichern will, wird damit zur zentralen Herausforderung der kommenden Jahre.

Die Warnung vor einem drohenden Engpass an Blutplasma ist mehr als ein medizinisches Alarmsignal. Sie legt ein systemisches Versagen offen, das sich durch politische Trägheit, regulatorische Untätigkeit und eine über Jahre vernachlässigte Spenderkultur aufgebaut hat. Dass der Bedarf an Blutplasmaprodukten, insbesondere an Immunglobulinen, kontinuierlich steigt, war absehbar. Dennoch wurde die strukturelle Anpassung der Versorgungskapazitäten weder national noch europäisch entschlossen vorangetrieben. Stattdessen wurde die Importabhängigkeit stillschweigend hingenommen.

Dabei hätte es längst eines politischen Strategiewechsels bedurft, um sowohl die Spendenbereitschaft als auch die Verarbeitungsstrukturen nachhaltig zu stärken. Die Forderung nach der Abschaffung der Parallelimportförderung und dem Verzicht auf die aut-idem-Substitution für Blutplasmaprodukte sind dabei keine technischen Details, sondern Ausdruck eines fundamentalen Paradigmenwechsels: Der Schutz der Patientensicherheit soll über wirtschaftlichen Erwägungen stehen. Die Industrie kann hier nur Impulse setzen – die Verantwortung für deren Umsetzung liegt bei der Politik.

Hinzu kommt, dass die SoHO-Verordnung als regulatorisches Vehikel zwar Sicherheitsstandards definieren soll, aber in ihrer praktischen Umsetzung Gefahr läuft, die Spendezentren mit Bürokratie zu blockieren. Eine unbürokratische, aber wirkungsvolle Regulierung ist möglich – wenn der politische Wille vorhanden ist. Deutschland könnte mit seinem dezentralen, kooperativen Modell zur Plasmasammlung eine Führungsrolle übernehmen. Doch ohne verbindliche politische Entscheidungen wird auch diese Chance ungenutzt bleiben.

Die Zeit der Appelle ist vorbei. Was es jetzt braucht, sind gezielte gesetzliche Anpassungen, finanzielle Anreize für Spender und eine europapolitische Koordination, die nicht auf Drittstaaten setzt, sondern auf eigene Strukturen. Die Versorgung mit Blutplasma darf nicht dem Zufall überlassen werden. Sie ist Teil der strategischen Gesundheitsvorsorge Europas.

 

Bluthochdruck und Brausetabletten: Ein unterschätztes Risiko
Natriumangaben fehlen oft und täuschen Verbraucher über Gesundheitsgefahr

In vielen Haushalten gehören sie längst zur täglichen Routine: Brausetabletten zur Nahrungsergänzung versprechen Vitamine, Mineralstoffe oder Elektrolyte in praktischer, sprudelnder Form. Doch ausgerechnet diese scheinbar harmlose Darreichungsform stellt für eine große Bevölkerungsgruppe ein Gesundheitsrisiko dar. Menschen mit Bluthochdruck könnten durch den Konsum solcher Brausetabletten unbemerkt ihre Natriumzufuhr in gefährlichem Maß erhöhen, ohne darüber ausreichend informiert zu sein. Denn der sprudelnde Effekt basiert in der Regel auf Natriumhydrogencarbonat – einer Substanz, die den Salzgehalt maßgeblich beeinflusst. Das Problem: Auf Nahrungsergänzungsmitteln ist die Angabe des Salz- oder Natriumgehalts bislang nicht verpflichtend, obwohl gerade salzsensitive Personen auf solche Informationen angewiesen wären.

Eine aktuelle Untersuchung von 72 verschiedenen Brausetablettenprodukten legt nahe, dass die Kennzeichnungspraxis bei Nahrungsergänzungsmitteln eklatante Lücken aufweist. Während apothekenpflichtige Präparate klare Deklarationspflichten erfüllen müssen, bleibt dies bei frei verkäuflichen Ergänzungsmitteln oft dem Hersteller überlassen. Die Folge: Fast die Hälfte der getesteten Produkte verzichtete vollständig auf eine quantitative Angabe des enthaltenen Salzes pro Tagesdosis. Dabei können sich die Werte erheblich unterscheiden – die Spannweite der deklarieren Salzgehalte reichte von 0,17 bis 1,46 Gramm pro Tagesdosis. Letzteres entspricht nahezu einem Viertel der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Tageshöchstmenge von 5 Gramm.

In einem Marktumfeld, in dem Gesundheitsbewusstsein als Verkaufsargument dient, wird die fehlende Transparenz zur systemischen Schwäche. Die Verbraucher nehmen über Brausetabletten mitunter erhebliche Salzmengen auf, ohne es zu wissen oder zu schmecken. Denn die Süßstoffe und Aromazusätze maskieren den salzigen Beigeschmack vollständig. Der gesundheitspolitische Aspekt wiegt dabei schwer: Millionen Menschen in Deutschland leiden an Bluthochdruck, viele davon ohne es zu wissen. Für sie kann jede unbemerkte Natriumzufuhr zu einem weiteren Risikofaktor werden – mit potenziell fatalen Langzeitfolgen.

Die Forderungen nach einer verpflichtenden Deklaration des Salzgehalts auf Nahrungsergänzungsmitteln sind deshalb mehr als nachvollziehbar. Es geht nicht um Panikmache, sondern um nachvollziehbare Risikoaufklärung. Während Apothekenpräparate mit klaren Warnhinweisen ausgestattet sind, genießen Nahrungsergänzungsmittel in Brauseform bisher eine regulatorische Grauzone. Das könnte sich als Versäumnis erweisen, insbesondere dann, wenn die Präparate außerhalb der fachlichen Beratung konsumiert werden. Hier ist das Apothekenpersonal gefragt: Es kann aufklären, Alternativen aufzeigen und gezielt beraten – etwa zum Umstieg auf Kapseln oder Pulver, die keinen relevanten Natriumgehalt enthalten.

Gleichzeitig offenbart der Fall die strukturellen Defizite eines Marktes, in dem gesundheitsbezogene Produkte ohne einheitliche Regelung vertrieben werden. Die Grenzen zwischen Arzneimittel, Nahrungsergänzung und Lifestyle-Produkt verschwimmen immer mehr, was einer differenzierten Risikobewertung entgegensteht. Insofern ist die Diskussion über Brausetabletten mehr als eine isolierte Verbraucherschutzfrage – sie ist Ausdruck eines größeren Problems: der fehlenden Systematik bei der Regulierung gesundheitsnaher Produkte. Es ist höchste Zeit, diese Lücke zu schließen – bevor sie sich weiter zu einem gesundheitspolitischen Risiko auswächst.

 

Reformdruck trifft auf Amtsantritt: Warken zwischen Systemkrise und Strukturhunger
Zwischen Apothekenfinanzierung, Generikaengpässen und GKV-Defizit droht ein unregierbarer Spagat

Mit dem Amtsantritt von Nina Warken als neue Bundesgesundheitsministerin sind die Erwartungen an einen politischen Kurswechsel groß. Krankenkassen, Verbände und Krankenhausvertreter überschlagen sich mit Forderungen und Mahnungen. Was als Chance auf einen neuen Stil in der gesundheitspolitischen Kommunikation beginnt, könnte sich rasch als Frontlinie für alte Konflikte entpuppen. Im Zentrum steht die Frage, ob die strukturellen Krisen des Systems mit der neuen Ministerin entschlossener angegangen werden oder ob politische Realitäten erneut zur Verschleppung drängen.

Die Krankenkassen machen keinen Hehl daraus, dass sie von Warken eine klare Priorisierung erwarten. Die Ausgabenentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung gilt als nicht mehr tragfähig. Ein sofortiges Ausgabenmoratorium wird gefordert, flankiert von der Forderung nach einer Trennung versicherungsfremder Leistungen, die künftig aus Steuermitteln und nicht mehr aus Beiträgen finanziert werden sollen. Die im Koalitionsvertrag verankerte Erhöhung des Apothekenhonorars stößt dabei auf entschiedene Ablehnung. Die Kassen stellen in Frage, ob damit die Versorgung wirklich verbessert werde, oder ob es sich um politisch motivierte Klientelpflege handelt, für die es keinen finanziellen Spielraum mehr gebe.

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht in der neuen Ministerin die letzte Hoffnung auf einen echten Kurswechsel. DKG-Chef Gerald Gaß formuliert vorsichtig optimistisch, dass nun ein "neuer Ton" Einzug halten könne. Damit ist weniger die rhetorische Fassade als vielmehr ein echter Dialog gemeint, nachdem die Krankenhausreform unter dem bisherigen Ministerium vor allem durch Nichtbeteiligung und fehlende Praxisnähe aufgefallen war. Die Kritik an der sogenannten Vorhaltefinanzierung ist deutlich: Das System sei in der jetzigen Form unpraktikabel, der Umbau drohe an Detailversessenheit und Bürokratielast zu scheitern.

Währenddessen drängt auch die Generikabranche auf ein rasches Umdenken. Pro Generika spricht von einer "neuen Phase" der Gesundheitspolitik unter Warken. Die Versorgung mit generischen Arzneimitteln sei inzwischen systemrelevant, werde aber durch eine zunehmende Abhängigkeit von asiatischen Herstellern und chronische Lieferengpässe bedroht. Geopolitische Risiken, insbesondere in Bezug auf China, hätten diese Abhängigkeit zuletzt zusätzlich verschärft. Hier müsse eine ressortübergreifende Strategie greifen, die nicht nur gesundheitspolitisch, sondern auch wirtschafts-, sicherheits- und umweltpolitisch gedacht werde.

Die Erwartungen an Warken sind damit aufgeladen und widersprüchlich zugleich. Kürzungen, Strukturreformen, Entbürokratisierung und gleichzeitige Leistungsverbesserungen lassen sich kaum parallel realisieren. Der Ruf nach Turbo-Kommissionen und Sofortzahlungen für Transformationsprozesse in Kliniken zeugt vom wachsenden Unmut gegenüber politischen Verschleppungen. Die neue Ministerin muss schnell beweisen, dass sie mehr ist als ein personeller Neuanfang. Denn die Zeit für Symbolpolitik ist vorbei.

Der Einstieg von Nina Warken in das Bundesgesundheitsministerium ist mehr als ein bloßer Wechsel an der Spitze. Er ist der Lackmustest für die Handlungsfähigkeit eines politischen Systems, das in der Gesundheitsversorgung zunehmend an seine Grenzen stößt. Die Krankenkassen fordern eine klare Prioritätensetzung, doch hinter ihrer Forderung nach einem Ausgabenmoratorium verbirgt sich vor allem eines: die Abrechnung mit einer Politik, die zu lange zwischen Versorgungsrealität und Budgetdisziplin laviert hat. Die Kritik an der Apothekenhonorierung ist in diesem Zusammenhang kein Einzelfall, sondern Ausdruck einer wachsenden Skepsis gegenüber wohlfeilen Koalitionszugeständnissen ohne echte Gegenfinanzierung.

Gleichzeitig zeigt die Krankenhauslandschaft, wie weit die Kluft zwischen Gesetzgebung und Praxis mittlerweile reicht. Die Vorhaltefinanzierung, ein zentraler Baustein der Krankenhausreform, wurde in den Augen vieler Akteure ohne Rücksicht auf Realitäten konstruiert. Die neue Ministerin muss nun beweisen, dass sie nicht nur kommunizieren, sondern auch konstruieren kann: ein System, das mit weniger Bürokratie, aber mehr Zielgenauigkeit arbeitet.

Besonders deutlich wird der Handlungsdruck im Bereich der Arzneimittelversorgung. Die Abhängigkeit von China, die durch die Pandemie offengelegt und durch geopolitische Verschiebungen verschärft wurde, ist kein abstraktes Risiko, sondern eine konkrete Bedrohung für die Versorgungssicherheit. Wenn Pro Generika fordert, Gesundheitspolitik nicht länger isoliert zu betrachten, dann ist das mehr als ein Branchenappell. Es ist ein Weckruf an eine Politik, die sich zu lange in sektoralen Zuständigkeiten verschanzt hat.

Doch zwischen all diesen Forderungen bleibt eine Leerstelle: die Frage nach dem politischen Willen zur Priorisierung. Warken tritt ein Amt an, das durch begrenzte Ressourcen, widersprüchliche Erwartungen und strukturelle Altlasten geprägt ist. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, es allen recht zu machen, sondern das Machbare konsequent vom Wünschbaren zu trennen. Ob ihr das gelingt, wird weniger an ihren Worten als an der Klarheit ihrer Entscheidungen zu messen sein. Denn der neue Ton, den viele erwarten, darf nicht in neuer Unverbindlichkeit verhallen.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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