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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
NEUE ALLGEMEINE GESUNDHEITSZEITUNG FÜR DEUTSCHLAND/ AUSGABE AUGUST 2011
Essen - Nichts
weniger als die Abschaffung der sogenannten "Pick-up-Stellen" fordert
die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland in ihrer
August-Ausgabe. Die Möglichkeit für den Patienten, selbst
verschreibungspflichtige, hoch wirksame Arzneimittel in ausländischen
Versandapotheken zu bestellen und sie in Drogeriemärkten, Tankstellen,
Reinigungen oder Blumenläden abzuholen, wo sie unkontrolliert
"zwischengeparkt" werden, ist nicht nur Arzneimittelexperten ein Dorn im
Auge. Auch viele Politiker haben die Gefahren, die von diesem
ungesicherten Weg der Arzneimittelbeschaffung ausgehen, erkannt. Dennoch
scheint das längst überfällige Verbot nicht in Sicht zu sein. Innen-
und Justizministerium blockieren die Entscheidung aus nicht
nachvollziehbaren Gründen. Der Leitartikel der Ausgabe August greift das
Thema auf und erläutert die Hintergründe.
Die Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland erscheint
monatlich mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren und ist
deutschlandweit kostenlos in Apotheken erhältlich.
„PICK-UP" UND KEIN ENDE?
Für eine gute Lösung muss man kämpfen
Die deutsche Bevölkerung hat im Augenblick nicht viel zu lachen. Kein
richtiger Sommer. Unsere Fußball-Nationalmannschaft der Frauen im
Viertelfinale ausgeschieden. Griechenland im Schuldenchaos. Italien,
Irland, Portugal, Spanien im Fadenkreuz der Spekulanten. Unsicherheit
auf den Finanzmärkten. Die, die es haben und können, tauschen ihre Euros
in Schweizer Franken um. Die Kanzlerin beruhigt die Sparer - so die
Bild-Zeitung. Und macht sie damit noch nervöser?
In Zeiten wie diesen sollte die Politik eigentlich alles tun, um Unsicherheit zu vermeiden. Tut sie das?
An den Finanzmärkten jedenfalls nicht. „Die große Enttäuschung"
überschrieb die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 17. Juli ihren
Artikel über den unsicher und unglücklich agierenden Finanzminister
Wolfgang Schäuble.
Enttäuscht kann man auch sein über andere, die Unsicherheit der
Sicherheit vorziehen. Zum Beispiel über Justizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Frau Leutheusser-Schnarrenberger
weigert sich standhaft, eine wichtige Vereinbarung im Koalitionsvertrag
von 2009 zwischen CDU/CSU und FDP zu erfüllen. Die Vereinbarung hatte
eine Wiederherstellung der höchstmöglichen Sicherheit bei der Abgabe von
Arzneimitteln zum Ziel. Insbesondere die FDP,
Leutheusser-Schnarrenbergers eigene Partei, hatte dies immer vehement
gefordert, als sie noch nicht an der Regierung war.
Erinnern wir uns: Bei der überflüssigen und schädlichen Freigabe des
Versandhandels von Arzneimitteln durch die damalige
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) im Jahre 2004 war der Gedanke
der Arzneimittelsicherheit auf der Strecke geblieben. Denn einmal
freigegeben trieb der Versandhandel von Medikamenten schnell seltsame
Blüten. Dubiose Internetapotheken buhlten um die Gunst der Verbraucher.
Die konnten seriöse nicht von unseriösen Versandapotheken unterscheiden.
Gefälschte Medikamente fanden via Bestellung per Internet ihren Weg zu
deutschen Patienten. Darüber klagte zunehmend der Zoll. Der muss in
immer größerem Umfang Arzneimittelfälschungen aufspüren und
beschlagnahmen. Und schließlich wucherten schon bald „Rezeptsammel- und
Abholstellen" für Medikamente - neudeutsch „Pick-up-Stellen" - in
Drogeriemärkten, Tankstellen, Reinigungen und Blumenläden vor sich hin.
Mit dem vielfach gesicherten und sicheren Weg der Arzneimittelversorgung
über die Apotheke haben diese Pick-up-Stellen nicht das Geringste zu
tun. In Pick-up-Stellen sammelt man die Rezepte von Kunden ein und
schickt sie zu einem Versandhändler. Nach Tagen kommen die Arzneimittel
in der Abholstelle an, nicht selten unvollständig. Und dann lagern dort
selbst hochwirksame, verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne jegliche
gesetzliche Vorschriften und Kontrollen durch die Behörden bis zu ihrer
Abholung.
Letztere Entwicklung hatten selbst die kritischsten Experten nicht
erwartet. Wie schrieb noch die Bundesregierung in ihrem „Magazin für
Soziales, Familie und Bildung" im Januar 2008? „... hierzulande (können)
Patientinnen und Patienten Medikamente im Internet bestellen und nach
Hause liefern lassen." Nach Hause, wohlgemerkt, nicht in den
Blumenladen. Das wollte niemand.
Und so wurde man sich in den Koalitionsverhandlungen auf beiden Seiten schnell einig.
„Wir werden die Auswüchse beim Versandhandel bekämpfen, indem wir die
Abgabe von Arzneimitteln in den sogenannten Pick-up-Stellen verbieten."
So steht es wörtlich auf Seite 87 im Koalitionsvertrag vom 26. Oktober
2009.
Zuständig für das Verbot der Pick-up-Stellen ist das
Gesundheitsministerium. Der damalige Gesundheitsminister Dr. Philipp
Rösler (FDP) nahm daher im März 2010 das geplante Verbot in ein
„Eckpunktepapier" auf. Das legte er dem Kabinett vor. Ende April 2010
stimmte das Kabinett zu. Von Einwänden war nichts zu hören. Einen
entsprechenden Passus, die Pick-up-Stellen zu verbieten, brachte Rösler
dann in den Entwurf des „Arzneimittelneuordnungsgesetzes" (AMNOG) ein.
Den schickte er zur Abstimmung an die anderen Ministerien.
Doch jetzt kam „Sperrfeuer" aus dem Innenministerium und aus dem
Justizministerium. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
(FDP) lehnte das geplante Verbot der Pick-up-Stellen rundweg ab. Es
verstoße gegen die „Berufsfreiheit". Unter Berufsfreiheit verstand sie
die Freiheit der wenigen Versandapotheken, an welchen exotischen Orten
auch immer Rezeptsammel- und Arzneimittelabholstellen einzurichten. Das
Justizministerium hatte zwar schon einige Male verfassungsrechtliche
Bedenken dieser Art gegen ein Verbot der Pick-up-Stellen geäußert, doch
geschah das noch unter einer SPD-Ministerin.
Die Gefahr, dass eine gesetzliche Regelung gegen das Grundgesetz
verstößt, ist so gering nicht. Ehemalige Gesundheitsminister und
-ministerinnen hatten wenig Probleme mit dem Durchpeitschen von
Gesetzen, die aus ihrer Sicht politisch notwendig, verfassungsrechtlich
jedoch möglicherweise bedenklich waren. Allerdings gab es einen
entscheidenden Unterschied: Entweder hatten die „Verfassungsministerien"
- Innen- und Justizressort - ihre Bedenken nur zaghaft formuliert oder
die Gesundheitsminister waren politisch in einer stärkeren Position.
Rösler warf schnell das Handtuch - zu schnell? Im Juni 2010 bedauerte
ein Sprecher des Gesundheitsministeriums gegenüber dem Branchendienst
„APOTHEKE ADHOC", dass es im Rahmen der Ressortabstimmung zu keiner
Einigung gekommen sei. Damit sei das Pick-up-Verbot endgültig gestorben.
Seltsam war in diesem Zusammenhang die Begründung: Innen- und
Justizministerium hätten in der Abholung von Arzneimitteln in
Drogeriemärkten keine Gefahr für die sichere Arzneimittelversorgung
erkennen können. Wie das? Was die Experten des
Bundesgesundheitsministeriums, zuständig für eine sichere und gesicherte
Arzneimittelversorgung, geprüft, erkannt und gesetzestechnisch
formuliert hatten, durften die anderen beiden Ministerien -
offensichtlich abgestimmt - einfach vom Tisch wischen? Auf diese
Ohrfeige für die Juristen des Gesundheitsministeriums hätte man eine
harte argumentative Reaktion erwartet - doch die blieb aus.
War die unendliche Geschichte um ein Verbot der „Pick-up-Stellen" damit
zu Ende? Mitnichten. Während Rösler sich offensichtlich nicht gegen die
Bedenken der Justizministerin stemmen wollte oder konnte, ließen die
Bundesländer nicht locker: Anfang September 2010 plädierte der
Gesundheitsausschuss des Bundesrates dafür, das Pick-up-Verbot erneut
auf die Tagesordnung zu setzen. Ende September 2010 folgte auch der
Bundesrat diesem Beschluss und forderte die Bundesregierung zum Handeln
auf. Reaktion gleich Null. Im Juni 2011 schließlich verabschiedeten die
Gesundheitsminister aller Bundesländer einstimmig einen Antrag, die
Bundesregierung möge den Bezug von Arzneimitteln über Pick-up-Stellen
unmöglich machen und damit endlich die entsprechende
Koalitionsvereinbarung umsetzen.
Das macht nachdenklich. Auch die Bundesländer beschäftigen gute
Verfassungsjuristen. Offensichtlich ist man auf Länderseite nicht
überzeugt, dass ein Pick-up-Verbot unbedingt verfassungsfeindlich ist.
Oder ist es vorstellbar, dass sich Gesundheitsausschuss, Bundesrat und
Gesundheitsminister der Länder Scheindiskussionen liefern und
Abstimmungsergebnisse für die Galerie produzieren? Alles nur Show? Nein,
man meint es ernst. Man will ein Verbot der Pick-up-Stellen. Doch das
Justizministerium bewegt sich keinen Millimeter.
Leutheusser-Schnarrenberger gegen den Rest der Welt?
So muss es denn andere Erklärungen für die erstarrte Situation geben.
Zwei Gründe fallen dazu ein. Zum einen sind Machtspiele zwischen den
Ministerien denkbar. Leutheusser-Schnarrenberger gegen Rösler - und
jetzt Bahr. Das wäre fatal. Fatal, weil es eine notwendige Entscheidung
blockiert. Doch zum anderen ist auch denkbar, dass bei allen Beteiligten
inzwischen dieser letzte politische Wille fehlt, das Verbot der
Pick-up-Stellen durchzusetzen. Fürchtet man den Aufschrei der großen
Drogerieketten?
Bevor es womöglich zu noch abstruseren Lösungen kommt, wie der
generellen Freigabe von Rezeptsammelstellen an jeder Straßenecke,
sollten die drei beteiligten Ministerien in sich gehen und endlich die
Vereinbarungen des Koalitionsvertrages ohne Wenn und Aber umsetzen. Dazu
bedarf es einer Güterabwägung. „Berufsfreiheit" ist die Freiheit des
einzelnen, ein Gewerbe zu betreiben. „Arzneimittelsicherheit" hingegen
geht alle Menschen an. Was ist wohl das höhere Gut?
Abgesehen davon - manchmal muss man in der Politik auch etwas wagen. Und kämpfen.
Der neue Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) ist ein Kämpfer. Und er
hat den Koalitionspartner an seiner Seite. Wie drückte es der
gesundheitspolitische Sprecher der CDU, Jens Spahn, in einem Interview
gegenüber der „Berliner Zeitung" am 4. August 2010 aus? „Lieber
scheitere ich vor dem Verfassungsgericht, als dass es heißt, wir hätten
es nicht ernsthaft versucht."
SCHWARZER PETER
Ein Kommentar der Redaktion
Schwarzer Peter ist ein beliebtes Kartenspiel. Besonders für Kinder. Man
versucht, den „Schwarzen Peter" schnell und unbemerkt weiterzugeben.
Wer ihn als letzter hat, der verliert und kriegt eine schwarze Nase.
Die DAZ (Deutsche Apothekerzeitung) hatte zu ihrem 150-jährigen Jubiläum
am 1. Juli 2011 Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) eingeladen. Im
Podiumsgespräch hat der Minister gesagt, er sei bereit, das
„Pick-up"-Problem zu lösen. Allerdings sollten die Apotheker Vorschläge
machen, wie man das angehen könne.
Kriegen die Apotheker jetzt eine schwarze Nase?
Karikatur zum Download auf www.neue-allgemeine.de
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Neue Allgemeine Gesundheitszeitung für Deutschland
Heinrich-Strunk-Straße 77
45143 Essen
Telefon: 0201/802-0
Email: redaktion@neue-allgemeine.de
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