Für Sie gelesen
Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Der Ethikrat stellt
darin den Sachstand und die ausschlaggebenden Argumente von Befürwortern
und Gegnern einer Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID)
umfassend dar.
Vor dem Hintergrund aktueller technischer und rechtlicher Entwicklungen
beschreibt der Ethikrat die derzeitige Praxis und die neuen
Möglichkeiten der genetischen Diagnostik an Embryonen. Er geht auf die
unterschiedlichen Positionen und Argumente zum Status und Schutz des
Embryos ein und diskutiert die wichtigsten sozialethischen Aspekte.
Ausgehend von diesen Überlegungen entwickeln die Ratsmitglieder zwei
alternative Vorschläge zu einer gesetzlichen Regelung der PID.
Eine Gruppe von 13 Mitgliedern des Deutschen Ethikrates hält die PID
unter bestimmten Einschränkungen für ethisch gerechtfertigt, weil die
PID einen Weg eröffnet, einen rechtmäßigen Schwangerschaftsabbruch nach
Pränataldiagnostik gemäß medizinischer Indikation zu vermeiden, und auch
Paaren eine Chance auf Hilfe bietet, die aus genetischen Gründen
wiederholte Fehl- oder Totgeburten erlebt haben. In beiden Fällen
sprechen gewichtige Gründe des Gesundheitsschutzes der Frau für die
Zulassung der PID.
Voraussetzung für die Durchführung der PID ist ein hohes medizinisches Risiko. Dieses liegt vor,
a) wenn bei den Eltern nachweislich eine erbliche Anlage vorhanden ist,
die bei Vererbung auf das Kind zu einer schweren Krankheit oder
Behinderung führen würde und im Falle ihrer Feststellung durch pränatale
Diagnostik wegen einer Gefährdung der körperlichen oder seelischen
Gesundheit der betreffenden Frau Anlass für eine medizinische Indikation
zum Schwangerschaftsabbruch wäre,
b) wenn bei den Eltern nachweislich ein hohes Risiko vorhanden ist, eine
Chromosomenstörung oder anderweitige Mutation zu vererben, die eine
extra-uterine Lebensfähigkeit des Embryos ausschließt oder
c) wenn bei den Eltern nach wiederholten Fehlgeburten oder vergeblichen
Behandlungsversuchen der assistierten Reproduktion nach eingehender
medizinischer Abklärung ein hohes Risiko für Reifungsstörungen der
Keimzellen gegeben ist, sodass ein Großteil der entstehenden Embryonen
extra-uterin nicht lebensfähig ist.
Unzulässig und gesetzlich zu verbieten ist die Durchführung der PID nach Ansicht dieser Ratsmitglieder hingegen
a) zur Feststellung des Geschlechts eines Embryos, es sei denn, diese
hat das Ziel, die Geburt eines Kindes mit einer folgenschweren,
geschlechtsgebunden vererbten genetischen Anomalie zu vermeiden,
b) wenn sie mit dem Ziel der Auswahl eines Embryos für die Spende von
Zellen, Geweben, oder Organen für einen anderen Menschen erfolgen soll,
c) wenn sie ohne eine der oben angeführten Indikationen etwa zur
Vermeidung eines allein wegen des Alters der Frau vermuteten Risikos von
Chromosomenstörungen beim Embryo erfolgen soll und
d) bei spätmanifestierenden Krankheiten.
Die Befürworter einer begrenzten Zulassung der PID empfehlen, dass der
Gesetzgeber diese Kriterien festlegt, jedoch keinen Katalog einzelner
Krankheiten oder Behinderungen aufstellt, bei denen eine PID infrage
kommt.
Sie schlagen außerdem bundeseinheitlich festzulegende Verfahrensregeln
für die Durchführung der PID vor. Die Indikationsstellung soll nach
Feststellung des genetischen Risikos und Beratung durch einen
Human-genetiker, nach ärztlicher Beratung durch einen
Reproduktionsmediziner und nach psychosozialer Beratung durch eine nach
Schwangerschaftskonfliktgesetz anerkannte Beratungsstelle gemeinsam
durch die an der Beratung beteiligten Experten sowie einen Vertreter der
IVF-Kommission der Landesärztekammer erfolgen.
Die Befürworter dieses Konzepts wollen mit der begrenzten Zulassung der
PID einen Wertungswiderspruch zum bestehenden gesetzlichen Schutzkonzept
während der Schwangerschaft vermeiden.
Eine Gruppe von elf Mitgliedern des Ethikrates vertritt die Auffassung,
dass die Durchführung der Präimplantationsdiagnostik ethisch nicht
gerechtfertigt ist und verboten werden sollte,
- weil der in vitro gezeugte Embryo aufgrund seiner künstlichen
Erzeugung einer besonderen Verantwortung unterliegt, die es verbietet,
ihn zu erzeugen, um ihn im Falle unerwünschter Eigenschaften zu
verwerfen,
- weil der selektive Blick auf die durch gezieltes menschliches Handeln
erzeugten Embryonen und die Bereitschaft zu ihrer eventuellen Verwerfung
die PID grundlegend von der Situation des Schwangerschaftsabbruchs
aufgrund medizinischer Indikation nach Pränataldiagnostik unterscheidet,
- weil mit der PID eine embryopathische Indikation wieder eingeführt
würde, also die Erlaubnis, menschliches Leben aufgrund unerwünschter
Eigenschaften zu verwerfen, die aus der Schwangerschaftskonfliktregelung
ausdrücklich gestrichen wurde,
- weil gravierende Folgen für den Embryonenschutz absehbar sind,
insbesondere indem eine hohe Anzahl von "überzähligen" Embryonen
entstehen würde, von denen niemand weiß, wie mit ihnen umzugehen wäre,
- weil eine Begrenzung auf wenige Fallgruppen oder schwere Erkrankungen
nicht einzuhalten ist, vielmehr eine Ausweitung der Indikationen und
Anlässe für die Anwendung der PID absehbar ist, wie dies auch in anderen
Staaten, die die PID zugelassen haben, bereits erfolgt ist,
- weil die technische Entwicklung chipgestützter Diagnosetechniken einen
breiteren Einsatz der PID für die gleichzeitige Diagnostik einer
Vielzahl von genetischen Abweichungen oder Krankheitsveranlagungen in
absehbarer Zeit wahrscheinlich macht,
- weil sich der Druck auf genetisch belastete Eltern, die sich keiner
PID unterziehen wollen, und auf Menschen mit Behinderung, insbesondere
mit genetisch bedingten Behinderungen, erhöhen könnte und dies
Bemühungen um Integration und Inklusion zuwiderlaufen würde.
Nach Auffassung der Unterzeichner dieses Votums müssen die Sorgen und
Wünsche von genetisch belasteten Paaren ernst genommen werden. Eine
Einführung der PID rechtfertigen sie aber nicht. Vielmehr ist eine
bessere Beratung und Unterstützung betroffener Paare oder Familien
sicherzustellen; ebenso ist zu prüfen, ob ihre Belastung durch den
Einsatz anderer Verfahren gemildert werden kann.
In einem Sondervotum spricht sich ein Ratsmitglied dafür aus, die PID
zur Identifikation von entwicklungsfähigen Embryonen zu erlauben und
dafür eine verbindliche Indikationsliste zu erstellen.
Die Stellungnahme ist unter http://www.ethikrat.org abrufbar.
Kontakt
Ulrike Florian
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutscher Ethikrat
Jägerstrasse 22/23
D-10117 Berlin
Tel.: +49 +30 203 70-246
Fax: +49 +30 203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
http://www.ethikrat.org
Weitere Informationen: http://www.aporisk.de/nachrichten
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