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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Steuer & Recht
Der
für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat
hat am 30.07.2013 dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage
vorgelegt, ob und gegebenenfalls inwieweit und unter welchen
Voraussetzungen ein Schadenersatzanspruch, der auf die Erstattung von
zusätzlichen Reisekosten gerichtet ist, die durch die Annullierung eines
gebuchten Flugs entstehen, auf den Anspruch auf eine pauschalierte
Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Buchst. a
der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) anzurechnen
ist.
Der Kläger des Verfahrens X ZR 111/12 buchte für sich und
seine Familie bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen für den 27. März
2010 einen Flug von Berlin-Schönefeld nach Mailand-Malpensa, dessen
Start für 6:35 Uhr vorgesehen war. Bei der Ankunft am Flughafen erfuhren
die drei Reisenden, dass die Beklagte den gebuchten Flug annulliert
hatte, und buchten bei einem anderen Luftverkehrsunternehmen einen
Ersatzflug nach Bergamo. Da die Reisenden ein an demselben Tag um 16 Uhr
in Genua ablegendes Kreuzfahrtschiff erreichen wollten, dies mit dem
Ersatzflug jedoch nicht möglich war, fuhren sie von Bergamo über Mailand
und Rom nach Civitavecchia, wo sie übernachteten und am nächsten Tag
das planmäßig dort anlegende Kreuzfahrtschiff bestiegen. Der Kläger hat
die Kosten für den Ersatzflug, den Weitertransport nach Civitavecchia,
Übernachtung und Verpflegung sowie eine Ausgleichszahlung nach der
Fluggastrechteverordnung geltend gemacht. Die Beklagte hat die Pflicht
zur Erstattung der entstandenen Kosten, die den Ausgleichsanspruch
überstiegen, anerkannt und sich wegen des Ausgleichsanspruchs auf Art.
12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung berufen.
Die Klägerin des
Verfahrens X ZR 113/12 buchte für sich und ihren Ehemann bei dem
beklagten Luftverkehrsunternehmen für den 30. März 2010 einen Flug von
Berlin-Schönefeld nach Nizza. Bei der Ankunft am Flughafen erfuhren die
beiden Reisenden, dass die Beklagte den gebuchten Flug annulliert hatte.
Die Klägerin und ihr Mann buchten daraufhin bei einem anderen
Luftfahrtunternehmen einen Flug nach Nizza, der am nächsten Tag starten
sollte, fuhren mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause und nahmen am
nächsten Tag den Ersatzflug. Das im Voraus gebuchte Hotelzimmer in
Nizza für die auf den geplanten Ankunftstag folgende Nacht konnten sie
nicht nutzen, es wurde ihnen aber in Rechnung gestellt. Die Klägerin hat
aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes die Kosten für den
Ersatzflug, die Fahrtkosten vom Flughafen nach Hause, die Kosten für das
nicht genutzte Hotelzimmer in Nizza und Portokosten sowie eine
Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung geltend gemacht. Die
Beklagte erbrachte an die Klägerin die verlangte Ausgleichsleistung und
erstattete den Preis des annullierten Flugs; insoweit haben die
Parteien den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Außerdem hat die
Beklagte ihre Pflicht anerkannt, an die Klägerin die Summe der von ihr
geltend gemachten Kosten abzüglich des erstatteten Flugpreises und der
geleisteten Ausgleichszahlung zu zahlen. Wegen der verbleibenden
Klagesumme, deren Höhe der erbrachten Ausgleichszahlung entspricht, hat
sie sich wiederum auf Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung berufen.
Das
Amtsgericht hat in beiden Verfahren die Beklagte entsprechend ihrem
jeweiligen Anerkenntnis verurteilt und die weitergehende Klage
abgewiesen. Die gegen die Teilabweisungen gerichteten Berufungen der
Kläger hatten keinen Erfolg. Der Fluggast könne zwischen der pauschalen
Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung als Mindestanspruch und der
konkreten Schadensberechnung wählen, aber nicht beide Leistungen
nebeneinander verlangen. Hiergegen richtet sich in beiden Verfahren die
Revision der Kläger.
Durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Union (EuGH) ist insoweit bisher lediglich geklärt,
dass ein Schadenersatzanspruch dann nicht auf den Ausgleichsanspruch
angerechnet werden kann, wenn er darauf gestützt wird oder werden
könnte, dass das Luftverkehrsunternehmen seine Unterstützungs- und
Betreuungspflichten nach Art. 8 oder Art. 9 der Verordnung verletzt hat,
insbesondere indem es keinen Ersatzflug angeboten hat. Eine Verletzung
dieser Pflichten haben die Berufungsgerichte in den Streitfällen jedoch
nicht festgestellt. Der jeweils zugesprochene Schadensersatzanspruch
beruht vielmehr allein auf nationalem deutschem Recht, nämlich der
Nichterfüllung des Luftbeförderungsvertrags durch die Annullierung des
gebuchten Flugs. Ob nach Art. 12 der Verordnung in einem solchen Fall
eine wechselseitige Anrechnung von Ausgleichs- und
Schadensersatzansprüchen in Betracht kommt, sieht der Bundesgerichtshof
als ungeklärt an.
Sollte eine Anrechnung grundsätzlich möglich
sein, ist des Weiteren ungeklärt, ob zwischen den Kosten der
Ersatzbeförderung zum Endziel der Flugreise und weiteren
Kostenpositionen, die in beiden Verfahren von den Klägern geltend
gemacht worden sind (Weiterreise nach Civitavecchia im ersten Fall,
nutzlos aufgewendete Hotelkosten im zweiten), zu differenzieren ist.
Art. 5 der Verordnung könnte zu entnehmen sein, dass das
Luftverkehrsunternehmen neben der Ausgleichszahlung lediglich zur
vollständigen Erstattung der Art. 8 und 9 der Verordnung unterfallenden
Kostenpositionen verpflichtet sein soll. Die Anrechnung könnte aber auch
hinsichtlich sämtlicher Kostenpositionen ausgeschlossen sein, da der
nach den Entscheidungen des Gerichtshofs mit der Ausgleichszahlung
verfolgte Zweck, infolge des Zeitverlusts eingetretene
Unannehmlichkeiten auszugleichen, eine solche Differenzierung nicht
zwingend erfordert, wenn die Reisenden - wie in den Streitfällen - auch
mit dem Ersatzflug erst mit erheblicher Verspätung am Endziel angekommen
sind.
Sollte - jedenfalls teilweise - eine Anrechnung des
Schadensersatzanspruchs auf den Ausgleichsanspruch möglich sein, ist
schließlich zu klären, ob das Luftverkehrsunternehmen die Anrechnung
ohne weiteres vornehmen kann oder ob sie von weiteren Voraussetzungen
abhängig ist. In Betracht kommen drei Möglichkeiten: 1. Das
Luftverkehrsunternehmen kann ein Recht zur Anrechnung haben; der
Verzicht hierauf wäre dann eine Kulanzleistung. 2. Die Frage der
Anrechenbarkeit ist - ebenso wie die Gewährung eines weitergehenden
Schadensersatzanspruchs selbst (Art. 12 Satz 1 der Verordnung) - der
Entscheidung des nationalen Gesetzgebers vorbehalten. 3. Die Gerichte
entscheiden über die Anrechnung im Einzelfall unter Berücksichtigung
sich aus dem Unionsrecht (der Verordnung) ergebender Wertungen.
Sollte
über die Anrechnung nach nationalem Recht zu entscheiden sein, kommt es
schließlich darauf an, welche Beeinträchtigung die Ausgleichszahlung
nach Art. 7 der Verordnung kompensieren soll. Denn nach deutschem Recht
könnten Ersatzleistungen für den materiellen Schaden auf immaterielle
Nachteile nicht angerechnet werden und umgekehrt. Daher schiede eine
Anrechnung aus, wenn die Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung
nur dem Ausgleich immaterieller Schäden diente, da demgegenüber mit den
von den Klägern geltend gemachten Schadenersatzansprüchen
Vermögensschäden ausgeglichen werden.
Hinweise zur Rechtslage |
BGH, Pressemitteilung vom 30.07.2013 zum Beschluss X ZR 111/12 vom 30.07.2013
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