• 08.07.2013 – Durchbruch für den elektronischen Rechtsverkehr

    SICHERHEIT – Steuer & Recht Der Gesetzentwurf zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten hat am 05.07.2013 den Bundesrat passiert. Hierzu erklärt ...

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Steuer & Recht

Durchbruch für den elektronischen Rechtsverkehr

 

Der Gesetzentwurf zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten hat am 05.07.2013 den Bundesrat passiert. Hierzu erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Durch die Neuregelungen wird die Justiz an die moderne elektronische Kommunikationsinfrastruktur angeschlossen. Der elektronische Zugang zum Recht wird so für alle Bürgerinnen und Bürger spürbar und nachhaltig erleichtert und überdies beschleunigt Ich freue mich sehr, dass dieser wichtige Durchbruch zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs nun gelungen ist.

Überall dort, wo es möglich und sinnvoll ist, wird der gerichtliche Posteingang und Postausgang von Papier auf die elektronische Form umgestellt. Zu diesem Zweck wird der qualifizierten elektronischen Signatur sichere Übermittlungswege als Alternativen zur Seite gestellt. Durch klare bundeseinheitliche Regelungen für den elektronischen Rechtsverkehr wird dabei das notwendige Vertrauen bei den Verfahrensbeteiligten geschaffen.

Die Anliegen blinder und sehbehinderter Verfahrensbeteiligter wird in dem Gesetz besonders berücksichtigt. Ausdrücklich ist daher die Barrierefreiheit im elektronischen Rechtsverkehr vorgeschrieben.

Das Gesetz enthält weitere Neuregelungen, die die Entwicklung in der digitalen Welt in den Verfahrensordnungen nachzeichnen und dadurch Rechtssicherheit für Bürger und Wirtschaft schaffen. Dies sind zum Beispiel besondere Vorschriften über die Beweiskraft von De-Mail-Nachrichten und über den Beweiswert von gescannten öffentlichen Urkunden im Prozess.

Zum Hintergrund
Die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten ist in Deutschland bisher in den zehn Jahren seit der Einführung hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Im Gegensatz zum außerprozessualen Geschäftsverkehr, der in vielen Bereichen inzwischen weitgehend auf elektronischem Wege erfolgt, basiert die Kommunikation mit der Justiz noch fast ausschließlich auf Papier. Gründe hierfür sind zum einen die mangelnde Akzeptanz der - für die formgerechte Einreichung bislang notwendigen - qualifizierten elektronischen Signatur. Zum anderen ist die Einreichung elektronischer Dokumente noch immer längst nicht bei jedem deutschen Gericht möglich.

Seit dem Jahr 2012 steht mit der De-Mail ein weiterer Übermittlungsweg zur Verfügung, dessen Vorteile (z. B. Authentifizierung der Benutzerkonten) im allgemeinen Geschäftsverkehr und bei der Kommunikation mit Behörden, aber auch speziell für E-Justice genutzt werden können. Die Bundesrechtsanwaltskammer wird daneben bis 2016 elektronische Anwaltspostfächer einrichten, die auf der Grundlage eines sicheren Verzeichnisdienstes ein hohes Authentifizierungsniveau erreichen.

Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts über den Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz am 19. Dezember 2012 ist dieser in Bundesrat und Bundestag beraten worden. Dabei haben sich in einzelnen Punkten Änderungen ergeben: Über den Regierungsentwurf hinaus wird insbesondere nach dem Vorbild des Anwaltspostfachs ein Behördenpostfach auf Basis des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (EGVP) entstehen und die Einführungsphase mit Rücksicht auf die Belange der Länder flexibler gestaltet. Die Vorschriften über die Barrierefreiheit wurden zudem weiter ausgebaut. Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten enthält demnach im Wesentlichen folgende Regelungen:

1. Weitere Öffnung der Justiz für elektronische Eingänge
In die Zivilprozessordnung und in die anderen Verfahrensordnungen wird eine Regelung eingefügt, die eine anwenderfreundliche Kommunikation per De-Mail sowie - aus dem elektronischen Anwaltspostfach und aus dem Behördenpostfach - über das EGVP an das Gericht ermöglicht. Um künftige Technologien für die Justiz zeitnah nutzbar zu machen, können durch Rechtsverordnung der Bundesregierung weitere sichere elektronische Übermittlungswege zugelassen werden. Die Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur ist für eine Formwahrung nicht mehr erforderlich, wenn das elektronische Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereicht wird. Die zulässigen Dateiformate werden bundeseinheitlich durch Rechtsverordnung festgelegt. Ein fehlerhaftes Format führt auch bei fristgebundenen Prozesshandlungen nicht zum sofortigen Rechtsverlust, sondern kann unabhängig vom Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes korrigiert werden, wenn nach der Fehlermeldung des Gerichts unverzüglich das elektronische Dokument im richtigen Format eingereicht wird.
Auch die Mahngerichte werden für elektronische Eingänge weiter geöffnet. Nach dem Gesetz können ab 1. Januar 2018 Mahnanträge und Anträge auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids durch die elektronische Identifizierungsfunktion des neuen Personalausweises (nPA) signiert werden. Dieser Identitätsnachweis erzeugt ein für den Mahnantrag hinreichendes Authentifizierungsniveau.

2. Fortentwicklung des Zustellungsrechts
Die Justiz übermittelt Urteile, Beschlüsse, Schriftsätze und Ladungen nach wie vor nahezu ausschließlich in Papierform. Die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen ließen bisher eine Umstellung auf eine elektronische Zustellung noch nicht zu. Bis 2016 wird für jeden Rechtsanwalt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach auf der Grundlage eines sicheren Verzeichnisdienstes bei der Bundesrechtsanwaltskammer eingeführt; dem im Wesentlichen entsprechend wird ein elektronisches Postfach für Behörden eingerichtet. Außerdem steht mit De-Mail ein neuer sicherer Übermittlungsweg für elektronische Dokumente zur Verfügung. Das Zustellungsrecht wird an diese technische Entwicklung angepasst. Gerichtliche Dokumente können künftig auf einem der sicheren Übermittlungswege rechtssicher, schnell und kostengünstig zugestellt werden. Als Zustellungsnachweises ist im Gesetz ein strukturiertes elektronisches Empfangsbekenntnis vorgesehen, das an die Justiz zurückgesandt wird.

3. Rechtssicheres ersetzendes Scannen
Scannprodukte haben nicht den Beweiswert von Papierurkunden, so dass das ersetzende Scannen zu einem Beweisverlust führt. Da eine elektronische Archivierung erhebliche Vorteile gegenüber dem herkömmlichen Papierarchiv bietet, wird eine neue Beweisvorschrift geschaffen, die dem Scannprodukt einer öffentlichen Urkunde einen höheren Beweiswert verleiht, wenn das Scannen von einer Behörde oder einem Notar durchgeführt wird und die notwendigen Sicherheitsstandards eingehalten werden.

4. Beweissichere elektronische Erklärungen über De-Mail abgeben und empfangen
Die De-Mail-Infrastruktur bietet die Chance, den elektronischen Rechts- und Geschäftsverkehr beweissicher auszugestalten, ohne dass der Nutzer über eine qualifizierte elektronische Signatur verfügen muss. Bei einer vom Provider qualifiziert elektronisch signierten Absenderbestätigung ist die von dem De-Mail-System gewährleistete Authentizität und Integrität ausreichend, um von einem Anschein für die Echtheit einer per De-Mail abgegebenen Erklärung auszugehen. Diese Erhöhung des Beweiswertes eines per De-Mail versandten elektronischen Dokuments ist durch eine Ergänzung der Beweisregeln in der Zivilprozessordnung umgesetzt.

5. Einführung eines Schutzschriftenregisters
Zur Vereinfachung der Verfahrensabläufe für Rechtsanwälte und Justiz wird ein zentrales länderübergreifendes Schutzschriftenregister (vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen einen erwarteten Antrag auf Arrest oder einstweilige Verfügung) errichtet werden. Dieses wird auf den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit erstreckt. Gerichte erhalten elektronischen Zugang. Eine im Schutzschriftenregister eingestellte Schutzschrift gilt als bei allen ordentlichen Gerichten eingereicht; für Rechtsanwälte besteht ab 2017 eine Nutzungspflicht.

6. Barrierefreier Zugang
Eine zentrale Bedingung für die Chance auf die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist ein barrierefreier Zugang zu den Gerichten. Der Gesetzentwurf gewährleistet, dass der elektronische Zugang zur Justiz selbst barrierefrei ausgestaltet ist: In § 191a GVG ist künftig vorgesehen, dass die Übermittlungswege und elektronische Dokumente im elektronischen Rechtsverkehr barrierefrei zu gestalten sind. Gleiches gilt für elektronische Formulare und die Ausgestaltung des besonderen Postfachs der Rechtsanwälte und des Schutzschriftenregisters.

7. Zeitplan für das Inkrafttreten
Die in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen sollen schrittweise in Kraft treten. Schon am Tag nach der Verkündung tritt die Vorschrift über den Beweiswert von Scannprodukten in Kraft, damit auf diesem Gebiet Rechtssicherheit eintritt. Am 1. Juli 2014 sollen die Beweisvorschrift für De-Mail-Nachrichten sowie die Vorschriften Gültigkeit erlangen, die eine Zustellung von Urteilen und Beschlüssen nicht mehr in Ausfertigung, sondern nur noch in beglaubigter Abschrift vorsehen. Zum 1. Januar 2016 sollen die Vorschriften über das Schutzschriftenregister sowie über das elektronische Anwaltspostfach in Kraft treten.

Ab 1. Januar 2018 soll der elektronische Zugang zu allen deutschen Gerichten ohne qualifizierte elektronische Signatur bei Nutzung eines sicheren Übermittlungsweges eröffnet sein. Da einzelne Länder für die Einrichtung der notwendigen IT-Infrastruktur mehr Zeit benötigen, erlaubt der Entwurf, das Inkrafttreten der Zugangsregelungen durch Länderverordnung bis zum 1. Januar 2020 hinauszuschieben. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist der elektronische Zugang zu den Gerichten bundeseinheitlich eingeführt. Eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte und Behörden können die Länder frühestens ab 2020 vorsehen, wobei eine einjährige Phase der Freiwilligkeit im betreffenden Land vorauszugehen hat. Bundesweit tritt die Nutzungspflicht 2022 in Kraft.

Quelle: BMJ

 

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