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Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
VIDEO-INTERVIEW DR. CAROLA REIMANN
Berlin - Aus Sicht der SPD ist die Gesundheitsreform der schwarz-gelben Koalition eine große „Netto-Lüge". Die Gesundheitsexpertin Dr. Carola Reimann findet die Belastungen ungerecht verteilt. Sie hätte lieber auch bei den Apotheken mehr gespart. Mit APOTHEKE ADHOC sprach sie über Großhandelsrabatte, den Kassenabschlag und Qualitätskriterien für Pick-up-Stellen. Reimann ist seit zehn Jahren im Bundestag undseit Herbst 2009 Vorsitzende des Gesundheitsausschusses.
ADHOC: Was halten Sie von der schwarz-gelben Gesundheitsreform?
REIMANN: Diese Gesundheitsreform ist eigentlich keine Reform, sondern
eine schlichte Beitragsanhebung und das auf zwei Wegen. Das ist eine
blanke Bankrotterklärung gemessen an den Ankündigungen der vergangenen
Wochen und Monate, eine echte Strukturreform vorzulegen.
ADHOC: Wo hätte die SPD gespart?
REIMANN: Auf der Ausgabenseite sind jetzt vier Milliarden veranschlagt,
die sehe ich aber nie und nimmer. Das wäre das allererste Mal, dass sich
in der Realität bewahrheitet, was auf dem Papier steht. Ich halte vor
allem eine Nullrunde bei den Ärzten und auch im Apothekenbereich für
vertretbar. Hier muss man zu Einsparungen kommen, weil es eine
gemeinsame Verantwortung ist, bei der auch alle ihren Beitrag leisten
müssen.
ADHOC: Hätte die SPD bei Großhandel und Apotheken mehr gespart?
REIMANN: Die Diskussion um die Großhandelsspanne hatten wir ja schon in
der vergangenen Legislaturperiode. Wir waren damals sehr klar dafür,
dass man die Vergütung umstellt, also einen Sicherstellungsauftrag und
eine Belieferungsverpflichtung etabliert in Kombination mit einem
Fixzuschlag und einem kleinen prozentualen Anteil. Damals waren 73 Cent
in der Diskussion, heute sind 60 Cent in der Diskussion; mal sehen, wie
sich das entwickelt. Ich glaube aber, dass die Großhandelsrabatte, also
das, was die Apotheken beitragen sollen, sehr mittelbar sind. Es wäre
das erste Mal, dass nicht Mittel und Wege gefunden werden, die
Großhandels-Apotheker-Beziehungen auf anderem Wege zu festigen.
ADHOC: Sollte der Kassenabschlag gesetzlich festgeschrieben werden?
REIMANN: Es wäre eine Möglichkeit, die Apotheker in die Verpflichtung zu
nehmen, indem man den Kassenabschlag wieder fest gesetzlich verankert.
Im Moment leisten die Apotheker da keinen Beitrag zu den Einsparungen.
Freiwillig wird das auch schwer zu erzielen sein. Niemand wird
freiwillig auf Geld verzichten. Das zu glauben, wäre wirklich naiv.
Deswegen kann ich mir nur vorstellen, dass man Einsparungen im
Apothekenbereich nur über eine gesetzliche Fixierung erzielt. Das war ja
auch auf der Sparliste von Spahn und Koschorrek drauf - ist aber eben
jetzt nicht mehr in den Eckpunkten zu finden.
ADHOC: Wie hoch sollte der Kassenabschlag sein?
REIMANN: Man muss sich das Gesamtpaket ansehen. Wir hätten sicher eine
ganz andere Situation bei den Einnahmen gehabt, wir hätten mehr Steuern
ins System geführt als zwei Milliarden Euro. Letztendlich wäre es aber
gar nicht so weit gekommen. Das Defizit ist mit 11 Milliarden Euro
größer als jemals zuvor. Das ist auch der Untätigkeit des Ministers zu
verdanken: Als das Defizit im Dezember absehbar war, wurde nichts getan.
Es ist ein weiteres halbes Jahr ins Land gegangen, bis das erste Mal
über Preisabschläge und ein Preismoratorium geredet wurde. Damit
verschläft man natürlich diese Entwicklung und verschärft sie.
ADHOC: Wie stehen Sie zu Pick-up?
REIMANN: Ich persönlich war immer gegen Pick-up-Stellen in Bäckereien
oder Tankstellen. In Niedersachsen hatten wir das schon, aber das ist
alles wieder vom Tisch. Wir haben uns damals auch sehr um das Thema
bemüht. Was aber nicht geht, ist einfach ein Verbot auszusprechen. Das
hat jetzt auch die schwarz-gelbe Regierung einsehen müssen. Dass das
verfassungsrechtlich nicht möglich ist, war schon unsere Position in der
Großen Koalition. Wir hatten seinerzeit versucht, Pick-up an
Qualitätskriterien zu binden. Das hat aber die Union verhindert.
ADHOC: Führt das nicht zu „Light-Apotheken"?
REIMANN: Das ist eine Frage der Ausgestaltung, darüber muss man
diskutieren. Gar nichts zu tun, ist jedenfalls keine Lösung.
ADHOC: Glauben Sie, dass Auflagen für Pick-up-Stellen kommen?
REIMANN: Ich wünsche mir das und hoffe, dass die Union ein Einsehen hat
und es jetzt nicht über die schlichte Lösung mit einem Verbot angeht,
sondern über die etwas kompliziertere Lösung mit Auflagen.
ADHOC: Ist die SPD für Apothekenketten?
REIMANN: Das ist nicht Konsens in der Fraktion, das ist eine
Einzelmeinung von Karl Lauterbach.
Alexander Müller, Freitag, 09. Juli 2010, 13:49 Uhr
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