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Steuer & Recht |
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat in einem Urteil vom 08.09.2023 (Az. 10 U 75/20) entschieden, dass in Cum/Cum-Transaktionen getätigte Kompensationszahlungen nicht aufgrund einer nachträglichen Änderung der steuerlichen Bewertung zurückverlangt werden können. Die Parteien, zwei inländische Banken, hatten diese umstrittenen Wertpapierdarlehensgeschäfte in den Jahren 2013-2015 durchgeführt.
Cum/Cum-Gestaltungen sind komplexe Wertpapiertransaktionen, die typischerweise unmittelbar vor einem Dividendenstichtag durchgeführt werden. Inländische Aktien von regelsteuerpflichtigen Ausländern werden zur Vermeidung von Kapitalertragsteuer auf eine voll kapitalsteueranrechnungsberechtigte inländische Bank übertragen (Bank A). Diese überträgt die Aktien zur Absicherung einer gleichzeitigen Leihe von festverzinslichen Wertpapieren an eine andere inländische Bank (Bank B). Nach dem Dividendenstichtag werden die überlassenen Aktien zurückübertragen. Die Finanzverwaltung billigte diese Geschäfte bis 2016 und erstattete die Kapitalertragsteueranrechnung beim Steuerinländer.
In den Jahren 2013 bis 2015 führten die beiden Parteien neun Wertpapierdarlehensgeschäfte durch. Dabei übertrug die Klägerin festverzinsliche Wertpapiere auf die Beklagte gegen eine Leihgebühr. Zur Sicherheit wurden ihr Aktien inländischer Emittenten ausländischer Herkunft übertragen. Nach jedem Dividendenstichtag erhielt die Klägerin neue Aktien zur Sicherheit, die nach Dividendeneinnahmen zurückübertragen wurden. Die Klägerin behielt die Kapitalertragsteuer ein, führte sie an das Finanzamt ab und brachte die Beträge zur Anrechnung in ihrer Körperschaftssteuererklärung ein. Sie zahlte Kompensationszahlungen an die Beklagte für die entgangenen Dividendeneinnahmen.
Im Sommer 2017 gab das Bundesfinanzministerium eine Stellungnahme zur steuerlichen Behandlung von Cum/Cum-Transaktionen ab und definierte die missbräuchliche Umgehung der Dividendenbesteuerung. Im selben Jahr unterzog die Finanzverwaltung die Wertpapiergeschäfte der Klägerin einer Betriebsprüfung.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten eine Zahlung von rund 13 Mio. Euro wegen unberechtigter Bereicherung. Sie argumentierte, dass die Betriebsprüfung ihr die Anrechnung von Kapitalertragsteuer nachträglich teilweise versagt habe, wodurch die gezahlten Kompensationszahlungen zu hoch seien. Das Landgericht wies die Klage ab, und die Berufung vor dem OLG war ebenfalls nicht erfolgreich.
Das OLG bestätigte, dass die Klägerin keine Rückzahlung der Kompensationszahlungen von der Beklagten verlangen könne. Die nachträgliche Änderung der steuerlichen Behandlung führe nicht dazu, dass der rechtliche Grund für die Kompensationszahlungen nachträglich (teilweise) weggefallen sei. Die Zahlungen erfolgten gemäß den Regelungen des zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenvertrags, der keine Rückzahlungspflicht vorsehe. Eine ergänzende Vertragsauslegung oder Anpassung des Rahmenvertrags sei nicht möglich.
Die Kompensationszahlungen richteten sich nach den Anrechnungs- und Steuervoraussetzungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Ausgleichszahlung. Nachträgliche Änderungen der Finanzverwaltungspraxis hatten keine Auswirkungen. Die von den Parteien gewählte Gestaltung wurde zwar von der Finanzverwaltung gebilligt, aber es blieb ein Restrisiko, das den Parteien bewusst war und von der Klägerin akzeptiert wurde. Die Klägerin erhielt eine Marge von 2 % der Bruttodividende, was dem 40-fachen der üblichen Gebühr von 0,05 % entsprach.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt am Main ist nicht rechtskräftig, und die Klägerin kann die Zulassung der Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) durch eine Nichtzulassungsbeschwerde anstreben. Dieser Fall verdeutlicht die komplexen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Cum/Cum-Geschäften und zeigt, dass eine nachträgliche Änderung der steuerlichen Bewertung nicht zwangsläufig zu einem Bereicherungsanspruch gegen den Geschäftspartner führt.
Von Engin Günder
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