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Steuer & Recht |
Die Schließung von Gastronomiebetrieben, die Ende Oktober 2020 zur Bekämpfung der „zweiten Welle“ der Corona-Pandemie in einer saarländischen Rechtsverordnung angeordnet wurde, konnte auf die Generalklausel in § 28 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 32 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) gestützt werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Die Antragstellerin des Verfahrens 3 CN 4.22 betreibt ein spanisches Restaurant, der Antragsteller des Verfahrens 3 CN 5.22 ein Gourmetrestaurant. Die Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der bis zum 15. November 2020 geltenden saarländischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie (VO-CP) vom 30. Oktober 2020. Mit der angegriffenen Vorschrift wurde landesweit der Betrieb von Gaststätten verboten.
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat mit Urteilen vom 31. Mai 2022 und 7. Juli 2022 festgestellt, dass § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung unwirksam war. Die Regelung habe nicht auf einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruht. § 32 Satz 1 und § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG, die den Verordnungsgeber ermächtigten, die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich sei, hätten nicht den Anforderungen des Bestimmtheitsgebotes und des Parlamentsvorbehalts entsprochen. Die Übergangszeit, in der aus Gründen des Gemeinwohls noch ein Rückgriff auf diese Generalklausel möglich gewesen sei, sei im Oktober/November 2020 abgelaufen gewesen. Die „zweite Corona-Welle“ sei schon im Sommer 2020 vorhersehbar gewesen; anders als im März sei der Bundesgesetzgeber vom Anstieg der Corona-Infektionen im Herbst nicht überrascht worden. Ihm wäre es möglich gewesen, jedenfalls bis zur parlamentarischen Sommerpause oder spätestens unmittelbar danach die erforderliche parlamentsgesetzliche Grundlage für die pandemiebedingte Schließung von Gastronomiebetrieben zu erlassen. Der Gesetzgeber habe das Infektionsschutzgesetz aber erst auf Antrag der Regierungsfraktionen vom 3. November 2020 durch das Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 um einen Beispielskatalog von Schutzmaßnahmen (§ 28a IfSG) ergänzt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Die der Bekämpfung der COVID-19-Krankheit dienende Schließung von Gastronomiebetrieben konnte – wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 22. November 2022 (Az. 3 CN 1.21) entschieden hat – unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht in der betroffenen Gaststätte eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts war die infektionsschutzrechtliche Generalklausel in dieser Auslegung bei Erlass der Verordnung und auch während ihrer Geltungsdauer eine verfassungsgemäße Grundlage für die Schließung von Gastronomiebetrieben im Wege der Rechtsverordnung. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine landesweite Schließung von Gastronomiebetrieben angeordnet werden kann, ist eine wesentliche Frage, die der parlamentarische Gesetzgeber selbst regeln muss. Das hatte er durch die Generalklausel in einer Weise getan, die auch im genannten Zeitraum noch den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots und des Demokratie- und Rechtsstaatsgebots entsprach. Die Erfahrungen mit der „ersten Welle“ der COVID-19-Pandemie hätten zwar Anlass geben können, ausdrücklich zu regeln, ob die Schließung von Gastronomiebetrieben unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht zulässig sein soll. Dass der Gesetzgeber dies mit Blick auf die Generalklausel und ihre Anwendung in der Pandemie nicht für erforderlich hielt, überschritt den ihm zukommenden Spielraum nicht. Klarer begrenzen können hätte er die Zulässigkeit der Schließung von Gastronomiebetrieben nur durch die Festlegung einer Eingriffsschwelle. Dass er die Erfahrungen mit dem Erreger SARS-CoV-2 und der Dynamik des Pandemiegeschehens noch nicht für ausreichend hielt, um hinreichend konkret jedenfalls für eine gewisse Dauer zu regeln, unter welchen Voraussetzungen Gastronomiebetriebe zur Bekämpfung von COVID-19 geschlossen werden dürfen, ist für den hier zu betrachtenden Zeitraum bis Mitte November nicht zu beanstanden. Auch insoweit hatte der Gesetzgeber einen Spielraum.
Zur Frage, ob die angegriffene Regelung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar war, hat das Oberverwaltungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Sachen waren daher an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Urteile 3 CN 4.22 und 3 CN 5.22 vom 16.05.2023
Quelle: Bundesverwaltungsgericht
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