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Steuer & Recht |
Die Annullierung eines Fluges wegen des unerwarteten Todes des Kopiloten befreit das Luftfahrtunternehmen nicht von seiner Ausgleichspflicht gegenüber den Fluggästen.
Ein solcher Tod, so tragisch er auch ist, stellt keinen „außergewöhnlichen Umstand“ dar, sondern ist – wie jede unerwartete Krankheit eines unverzichtbaren Besatzungsmitglieds – Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens.
Am 17. Juli 2019 sollte TAP einen Flug mit planmäßiger Abflugzeit um 6.05 Uhr von Stuttgart (Deutschland) nach Lissabon (Portugal) durchführen. Am selben Tag um 4.15 Uhr wurde der Kopilot des Fluges tot in seinem Hotelbett aufgefunden. Wegen des aufgrund dieses Ereignisses erlittenen Schocks meldete sich die gesamte Besatzung fluguntauglich, und der Flug wurde annulliert. Eine Ersatzcrew verließ um 11.25 Uhr Lissabon und kam um 15.20 Uhr in Stuttgart an. Die Fluggäste wurden sodann mit einem auf 16.40 Uhr angesetzten Ersatzflug nach Lissabon befördert.
Einige Fluggäste des annullierten Fluges traten ihre Rechte aus der Annullierung an Gesellschaften ab, die Rechtshilfe für Fluggäste leisten. TAP weigerte sich, die Ausgleichsleistung gemäß der Fluggastrechteverordnung1 an diese Gesellschaften zu zahlen, weil es sich bei dem unerwarteten Tod des Kopiloten um einen außergewöhnlichen Umstand handele, der das Luftfahrtunternehmen von sein Ausgleichspflicht befreie.
Das mit der Rechtssache befasste Landgericht Stuttgart ersucht den Gerichtshof um Auslegung dieser Verordnung.
Mit seinem Urteil vom heutigen Tag weist der Gerichtshof darauf hin, dass Maßnahmen, die die Beschäftigten des ausführenden Luftfahrtunternehmens betreffen, etwa in Bezug auf die Planung der Einsätze und der Arbeitszeiten der Beschäftigten, unter die normale Ausübung der Tätigkeit dieses Unternehmens fallen. Da der Umgang mit einer unerwarteten Abwesenheit eines oder mehrerer für die Durchführung eines Fluges unverzichtbarer Mitarbeiter aufgrund von Krankheit oder Tod – auch kurz vor dem planmäßigen Abflug – untrennbar mit der Frage der Planung der Einsätze und der Arbeitszeiten der Beschäftigten verbunden ist, ist eine solche Abwesenheit Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des ausführenden Luftfahrtunternehmens und fällt somit nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“. Folglich ist das Luftfahrtunternehmen nicht von seiner Ausgleichspflicht gegenüber den Fluggästen befreit.
Der Gerichtshof erläutert, dass die Situation eines unerwarteten Todes, so tragisch und endgültig sie auch ist, sich in juristischer Hinsicht nicht von der eines Fluges unterscheidet, der nicht durchgeführt werden kann, weil ein Besatzungsmitglied kurz vor dem Abflug unerwartet erkrankt ist. Somit ist die Abwesenheit als solche und nicht die genaue medizinische Ursache dieser Abwesenheit das Vorkommnis, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens ist, so dass dieses bei der Planung der Einsätze und der Arbeitszeiten seiner Beschäftigten mit solchen unvorhergesehenen Ereignissen rechnen muss.
Der Gerichtshof führt weiter aus, dass der Umstand, dass das betroffene Besatzungsmitglied die nach der geltenden Regelung vorgeschriebenen regelmäßigen medizinischen Untersuchungen ohne Einschränkungen bestanden hat, diese Feststellung nicht in Frage zu stellen vermag, weil jede Person jederzeit unerwartet erkranken oder versterben kann.
1 Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
Quelle: EuGH
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