• 20.03.2023 – Hohe Energiepreise verschärfen strukturelle Wachstumsschwäche

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Hohe Energiepreise verschärfen strukturelle Wachstumsschwäche

 

Höhere Energiepreise verschlechtern die Aussichten für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands dauerhaft. Damit verschärft sich der bereits in Gang gekommene demografisch bedingte Schwund der Wachstumskräfte. Mittelfristig flacht sich der Wachstumspfad der deutschen Wirtschaft spürbar auf nur noch 0,4 Prozent pro Jahr ab, ein Drittel des vormals langjährigen Durchschnitts. Dies geht aus der am 17.03.2023 erschienenen Mittelfristprojektion des IfW Kiel hervor, die im Gegensatz zur Konjunkturprognose die mittelfristigen Wachstumsaussichten in den Blick nimmt.

Deutschland steht ein schwieriges Jahrzehnt bevor, das mehr als bislang durch Verteilungskonflikte geprägt sein wird“, sagt Stefan Kooths, Konjunkturchef und Vizepräsident des IfW Kiel, anlässlich der Mittelfristprojektion des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) („Wachstumspfad flacht sich merklich ab“).

„Weniger Menschen müssen künftig unter schwierigeren Rahmenbedingungen in Deutschland Wohlstand erwirtschaften. Gleichzeitig nimmt die Anzahl derer zu, die im Alter Ansprüche an die Sozialkassen erheben, ohne nennenswert zu deren Finanzierung beizutragen, vor allem im Gesundheits- und Rentensystem.“

Bis 2027 flacht sich der Wachstumspfad der deutschen Wirtschaft auf nur noch 0,4 Prozent pro Jahr ab und beträgt damit nur noch rund ein Drittel des vormals langjährigen Durchschnitts von rund 1,3 Prozent. Maßgeblich dafür ist die Alterung der Gesellschaft und damit der Mangel an Arbeitskräften, hinzu kommt die Belastung durch strukturell höhere Energiepreise.

Weniger Arbeitskräfte, teurere Produktion

Auf dem Arbeitsmarkt wird 2024 der Zenit mit 45,9 Millionen Beschäftigten überschritten. Fortan scheiden mehr Personen aus dem Erwerbsleben aus, als neue hinzukommen. Im Schnitt verliert der deutsche Arbeitsmarkt dann fast 200.000 Erwerbspersonen pro Jahr. Obwohl im Projektionszeitraum laut Bericht jährlich rund 350.000 Menschen aus dem Ausland einwandern, was im historischen Vergleich ausgesprochen hoch ist, schrumpft die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter.

Mehr Menschen in den Arbeitsmarkt zu bringen – etwa über bessere Kinderbetreuung oder flexiblere Arbeitszeitmodelle –, kann den Rückgang an Arbeitskräften zwar dämpfen, ihn aber nicht aufhalten.

Auch die Arbeitszeit je Erwerbstätigen ist rückläufig. Ursächlich hierfür sind ein Anstieg der Teilzeitquoten sowie ein sinkender Anteil an Selbstständigen, die überdurchschnittlich viel arbeiten.

Zusätzlich belasten die mittelfristig höheren Energiepreise die Wachstumsaussichten, weil für die Produktion wichtige Inputfaktoren knapper und teurer werden. Die genauen Auswirkungen sind schwierig zu quantifizieren, weil Energie als Produktionsfaktor in den gängigen Schätzverfahren bislang nicht explizit berücksichtigt wird. Im Vergleich zur Schätzung vor Beginn der Pandemie liegt das bei normaler Auslastung mögliche Produktionsvolumen mittelfristig knapp 80 Mrd. Euro pro Jahr niedriger. Diese Abwärtsrevision dürfte in erster Linie den Folgen der Energiekrise geschuldet sein.

„Für die Wirtschaftspolitik kommt es nun darauf an, diejenigen Standortfaktoren zu stärken, die sie selbst in der Hand hat, um die Wachstumskräfte zu stärken. Dazu zählen die Qualität des Bildungssystems und der Infrastruktur, die Zweckmäßigkeit der Regulierung, unbürokratische staatliche Abläufe, eine angebotsorientierte Energiepolitik sowie eine maßvolle Abgabenquote, die nicht zuletzt im internationalen Standortwettbewerb um Fachkräfte entscheidend ist”, so Kooths.

„Erwartungen an positive Wachstumseffekte durch Dekarbonisierungsinvestitionen sind unrealistisch, weil hierdurch in erster Linie vorhandene Produktionskapazitäten umgebaut, nicht aber neue aufgebaut werden. Von daher wirken sie auf absehbare Zeit eher wachstumsdämpfend. Zwar profitieren einzelne Bsranchen, dafür verlieren aber andere, von denen knappe Ressourcen abgezogen werden. Die Arbeitskräfte für das vom Wirtschaftsminister ausgerufene‚ gigantische Beschäftigungsprogramm sind schon jetzt nicht da. Sie können daher nur aus anderen Branchen kommen, die dann weniger produzieren. Ein Wirtschaftswunder lässt sich auf diese Weise nicht herbeiführen.”

In seiner Mittelfristprojektion schätzt das IfW Kiel die Wirtschaftsleistung in Deutschland, die bei normaler Auslastung der Produktionsstrukturen, also aller Arbeitskräfte und des Kapitalstocks, zu dem etwa Maschinen oder die technische Ausstattung eines Unternehmens zählen, erbracht werden kann. Dies entspricht dem sog. Produktionspotenzial und beschreibt den mittel- bis langfristigen Wachstumspfad der deutschen Wirtschaft.

Der technische Fortschritt, mehr Arbeitskräfte und Investitionen erhöhen grundsätzlich das Potenzial. Bürokratische Hemmnisse oder unrentabel gewordene Produktionsstrukturen schmälern es.

Die tatsächliche Produktion in einem Jahr – das Bruttoinlandsprodukt – weicht in aller Regel vom Produktionspotenzial ab. Im Boom überschießt das Bruttoinlandsprodukt sein Potenzial – Menschen machen Überstunden, Maschinen laufen länger. In der Rezession fällt es darunter – Menschen gehen in Kurzarbeit, Maschinen stehen still.

Quelle: IfW Kiel

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