• 15.09.2023 – Schulterblick statt Rückfahrkamera – Zur Unfallhaftung beim Rückwärtsfahren

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Schulterblick statt Rückfahrkamera – Zur Unfallhaftung beim Rückwärtsfahren

 

Am 19. Juli 2023 hat das Landgericht Lübeck in einem Fall zur Unfallhaftung beim Rückwärtsfahren ein Urteil gefällt. Der Vorfall ereignete sich auf dem Parkplatz eines Supermarktes und brachte die Verantwortlichkeiten zweier Autofahrer in den Fokus.

Ein Fahrer fuhr geradeaus in Richtung Ausfahrt, während ein anderer rückwärts ausparkte und dabei seine Rückfahrkamera benutzte. Die beiden Fahrzeuge kollidierten, und daraufhin beschuldigte der geradeausfahrende Fahrer den rückwärtsfahrenden Fahrer, plötzlich ausgeparkt und den Unfall verursacht zu haben. Der rückwärtsfahrende Fahrer konterte, dass der geradeausfahrende Fahrer einfach weitergefahren sei und absichtlich den Unfall provoziert habe.

Das Gericht hatte die Aufgabe, zu klären, wer den entstandenen Schaden tragen sollte und in welcher Höhe. Zu diesem Zweck wurden Zeugen befragt und ein Sachverständiger hinzugezogen.

Das Ergebnis des Gerichts war, dass beide Fahrer eine Mitschuld an dem Unfall trugen. Der geradeausfahrende Fahrer wurde kritisiert, weil er mit einer Geschwindigkeit von etwa 15 km/h unterwegs war, die auf einem Parkplatz als zu hoch angesehen wurde. In solchen Situationen sei Schrittgeschwindigkeit erforderlich, um sofort bremsen zu können. Auch der rückwärtsfahrende Fahrer wurde gerügt, da er nicht kontinuierlich über die Schulter nach hinten geschaut habe. Beim Rückwärtsfahren sei es notwendig sicherzustellen, dass niemand gefährdet wird, und das alleinige Betrachten der Rückfahrkamera reiche hierfür nicht aus. Infolgedessen wurde dem rückwärtsfahrenden Fahrer eine größere Schuld zugesprochen, und er wurde verpflichtet, 2/3 des entstandenen Schadens zu bezahlen.

Dieses Urteil betont die Bedeutung der Verantwortung von Fahrern beim Rückwärtsfahren und auf Parkplätzen. Es verdeutlicht, dass die Nutzung von Rückfahrkameras nicht als Ausrede dafür dienen kann, die Pflicht zur ständigen Aufmerksamkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern zu vernachlässigen.


Kommentar:

Das Urteil des Landgerichts Lübeck unterstreicht die Wichtigkeit von Vorsicht und Verantwortung beim Rückwärtsfahren und insbesondere auf belebten Parkplätzen. Es verdeutlicht, dass die Verwendung von Rückfahrkameras zwar hilfreich ist, aber nicht dazu führen darf, dass Fahrer ihre Aufmerksamkeit vernachlässigen.

Die Entscheidung, dass beide Fahrer eine Mitschuld trugen, unterstreicht, dass Verkehrsunfälle oft von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden und dass die Verantwortung beider Parteien in Betracht gezogen werden muss. In diesem Fall waren die Geschwindigkeit des geradeausfahrenden Fahrers und die Unaufmerksamkeit des rückwärtsfahrenden Fahrers entscheidende Faktoren.

Es ist wichtig zu betonen, dass Verkehrsteilnehmer, insbesondere beim Rückwärtsfahren und auf Parkplätzen, äußerste Vorsicht walten lassen sollten. Dies schließt die Einhaltung angemessener Geschwindigkeiten und die ständige Aufmerksamkeit für die Umgebung ein. Rückfahrkameras können hilfreiche Hilfsmittel sein, sollten jedoch niemals die Notwendigkeit ersetzen, manuell den Bereich zu überwachen. Dieses Urteil dient als wichtige Erinnerung daran, dass Fahrer für ihr eigenes Verhalten verantwortlich sind und moderne Technologien nicht als Entschuldigung für Unachtsamkeit dienen dürfen.

Die Entscheidung vom 19.07.2023 (Az. 9 O 113/21) ist rechtskräftig.

Von Engin Günder

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