• 30.06.2011 – VerfGH Bayern: Einsichtsrecht der Erben in Behandlungsunterlagen

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GERICHTSURTEIL

VerfGH Bayern: Einsichtsrecht der Erben in Behandlungsunterlagen

 

Wiederholt haben sich Gerichte mit der Frage befassen müssen, ob Erben eines Patienten ein Recht auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen des Verstorbenen zusteht. So hat bspw. der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 31.05.1983 entschieden, dass ein solches Einsichtsrecht besteht, wenn ein ausdrückliches oder vermutetes Einverständnis des Verstorbenen mit der Offenlegung gegeben ist. In seiner Entscheidung vom 26.05.2011 (Vf. 45-VI-10) hat sich der Bayerischer Verfassungsgerichtshof (VerfGH Bayern) mit der Frage befasst, ob ein Arzt die Herausgabe von Kopien von Behandlungsunterlagen gegenüber den Erben eines verstorbenen Patienten verweigern kann, wenn sich der Patient nach seinem Vortrag vor seinem Tod von seiner Familie distanziert hat.

Die Vorinstanzen:

Mit dieser Frage hatte sich zuvor auch das Landgericht (LG) München I und das Oberlandesgericht (OLG) München in seinem Urteil vom 09.10.2008 (1 U 2500/08) befasst. Nach Auffassung des OLG München, das das Urteil des LG München bestätigte, reichte es für das Einsichtsrecht der Erben des verstorbenen Patienten aus, dass sie sich auf mögliche Arzthaftungsansprüche stützten und solche Ansprüche nicht von vorneherein ausgeschlossen waren. Der Arzt könne sich nicht auf seine Schweigepflicht berufen. Er könne und müsse auch nahen Angehörigen die Kenntnisnahme von Krankenunterlagen verweigern, soweit er sich bei gewissenhafter Prüfung seiner gegenüber dem Verstorbenen fortwirkenden Verschwiegenheitspflicht an der Preisgabe gehindert sehe. Eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten zur Einsichtnahme, die der Verfolgung möglicher Behandlungsfehler diene, sei jedoch in der Regel anzunehmen. Der Arzt müsse eine Verweigerung der Einsicht nachvollziehbar begründen, wobei das Vorbringen des Arztes zur Verweigerung der Herausgabe nicht ausreiche. Soweit er sich darauf berufe, der Verstorbene habe sich von seiner Familie distanziert und diese habe aus seinem Vermögen nichts erhalten sollen, sei diese behauptete Distanzierung nicht nach außen getreten.

Die Entscheidung:

Vor dem VerfGH Bayern konnte sich der Arzt mit seiner Verfassungsbeschwerde nicht durchsetzen. Nach Auffassung der Münchener Richter verstießen die angegriffenen Entscheidungen nicht gegen das Willkürverbot nach Art. 118 Abs. 1 Bayerische Verfassung. Die Gerichte seien von der Rechtsprechung des BGH ausgegangen, wonach den Erben eines Patienten ein Einsichtsrecht in die Behandlungsunterlagen zustehe, wenn ein ausdrückliches oder vermutetes Einverständnis des Verstorbenen mit der Offenlegung gegeben sei. Der vertragliche Anspruch des Patienten sei danach auch vermögensrechtlicher Natur und könne insoweit auf die Erben übergehen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Erben prüfen wollen, ob Schadensersatzansprüche wegen ärztlicher Behandlungsfehler bestünden. Die ärztliche Schweigepflicht stehe einer Offenlegung der Behandlungsunterlagen nur dann entgegen, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Patienten fehle und der Arzt bei gewissenhafter Prüfung aller Umstände - zu denen auch das Anliegen der die Einsicht begehrenden Personen gehöre - zu dem Ergebnis komme, dass der Verstorbene die vollständige oder teilweise Offenlegung der Krankenunterlagen gegenüber seinen Hinterbliebenen missbilligt hätte.

RA Michael Lennartz

 

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