Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
GKV
Ob Menschen mit körperlicher Behinderung ein Spezialfahrrad von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt bekommen, hängt vom medizinischen Nutzen ab.
Eine gesetzliche Krankenkasse muss einem körperbehinderten Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen die Anschaffung eines sogenannten Therapie-Fahrrades finanzieren. Das gilt nach einem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts dann, wenn der Versicherte nachweisen kann, dass die Benutzung eines solchen Velos einem drohenden Verlust seiner Gehfähigkeit vorbeugt (Az.: L 8 KR 311/08).
Der Entscheidung lag die Klage einer 44-jährigen Frau zugrunde, die seit ihrer Geburt an einer Tetraspastik leidet. Zur Ergänzung ihrer regelmäßigen krankengymnastischen Behandlungen nutzt die Klägerin seit ihrem 16. Lebensjahr ein Behinderten-Dreirad. Ihre Krankenkasse hatte ihr zuletzt im Jahr 1995 die Anschaffung eines solchen Fahrrades finanziert.
Das Spezial-Velo kann zwar nicht vollständig einen Rollstuhl ersetzen, den die Klägerin ebenfalls nutzt. Durch das tägliche Training mit dem Rad konnte sie aber bislang ihre Gehfähigkeit zumindest teilweise erhalten.
Nachdem ihr altes Therapie-Rad aufgrund der intensiven Nutzung nicht mehr zu gebrauchen war, bat die Klägerin ihre Krankenkasse darum, ihr die Kosten für die Neuanschaffung eines 2.300 Euro teuren Ersatzfahrrades zu finanzieren.
Mit der Begründung, dass ihr zur Sicherung ihrer Mobilität bereits ein Rollstuhl bezahlt worden sei, lehnte die Kasse den Antrag jedoch ab. Im Übrigen zähle Radfahren nicht zu den Grundbedürfnissen Behinderter, deren Befriedigung von den Krankenkassen sicherzustellen sei.
Zum Erhalt der Beweglichkeit könne anstelle eines Therapie-Fahrrades auch durchaus ein weitaus preisgünstigerer Heimtrainer genutzt werden, so die Argumentation der Kasse. Die Frau zog daraufhin gegen ihre Krankenkasse vor Gericht. Dort errang sie einen Sieg.
Gesetzliche Krankenkassen sind nach Ansicht der Richter zwar nicht dazu verpflichtet, körperbehinderten Versicherten das Fahrradfahren zu ermöglichen. Ihnen obliegt aber die Finanzierung medizinischer Rehabilitations-Maßnahmen.
Zu diesen Maßnahmen gehört es, einer drohenden Behinderung vorzubeugen, im Fall der Klägerin einem Verlust der Gehfähigkeit. Da aber nach Aussage eines vom Gericht befragten, medizinischen Sachverständigen die durch die Krankenkasse bezahlte Krankengymnastik allein nicht ausreicht, um die Gehfähigkeit der Klägerin zu erhalten, muss die Kasse weitere Maßnahmen finanzieren.
Dazu gehört in dem entschiedenen Fall auch die Anschaffung eines Therapie-Fahrrades. Denn die Nutzung eines solchen Velos bewirkt nicht nur einen Muskelaufbau und eine langsamere Ermüdung. Durch Fahrradfahren wird auch die Koordinationsfähigkeit verbessert, wodurch eine Sturzgefahr gemindert wird.
Außerdem fördert Radfahren die Durchblutung mit der Folge einer verminderten Spastik. Eine Revision gegen ihre Entscheidung ließen die Richter nicht zu.
Weniger Glück als die Klägerin hatte hingegen eine Behinderte, über deren Fall die gleiche Kammer des Gerichts im April 2008 zu entscheiden hatte (Az.: L 8 KR 40/07).
In ihrem Fall war es nicht wie in der jetzt entschiedenen Sache so eindeutig, dass die Nutzung eines Therapie-Fahrrades eine spürbare Verbesserung ihrer körperlichen Leiden bedeutet hätte. Die Klage der Behinderten gegen ihre Krankenkasse wurde daher als unbegründet zurückgewiesen.
(verpd) (ApoRisk)
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