Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Heute haben der
Bundesminister für Gesundheit sowie CDU/CSU und FDP das Eckpunktepapier
zur Umsetzung des Koalitionsvertrags für die Arzneimittelversorgung
vorgelegt.
Peter Schmidt, Geschäftsführer des Branchenverbandes Pro Generika,
kommentiert die Vorschläge wie folgt:
„Die Generikaindustrie lehnt die Vorschläge ohne Wenn und Aber ab. Sie
sind teils nicht Ziel führend, teils reichlich nebulös und teils reine
Mogelpackungen. Dass vom vollmundigen Versprechen der Koalition zur
umfassenden Deregulierung fast nichts übrig geblieben ist, rundet das
Bild eines komplett verfehlten Neuordnungsansatzes nur noch ab. Das
Koalitionsprogramm folgt unter dem Strich der Devise, „wir müssen
sparen, koste es, was es wolle." Es setzt die unheilvolle
gesundheitspolitischen Tradition der letzten Jahre damit nahtlos fort.
Bei den Passagen über das Festbetragssystem weiß ich nicht, ob ich
lachen oder weinen soll. Jeder Experte weiß, dass die Verknüpfung von
Festbeträgen und Zuzahlungsfreistellungen die Preisdynamik im
Festbetragsmarkt außerordentlich beschleunigt hat. Diesen
Kellertreppeneffekt hat die Union in ihrem Positionspapier vor knapp
zwei Wochen noch zutreffend beschrieben. Nicht von ungefähr erwartet der
GKV-Spitzenverband aus den Festbetragsanpassungen, die am 01.04. bzw.
01.07.2010 in Kraft treten, dann auch eine Entlastung von rund 800
Millionen Euro. Ich würde mir daher sehr gerne aus berufenem Mund
erklären lassen, warum und wieso die Kopplung von Festbeträgen und
Zuzahlungsfreistellungen eben diesen Kellertreppeneffekt nun auf einmal
verhindert.
Noch gespannter bin ich auf die flankierenden Regelungen zur Erhaltung
des Wettbewerbs, die eine Oligopolisierung des Marktes verhindern
sollen. Meine Fantasie reicht jedenfalls nicht aus, mir einen
Steuerungsmechanismus vorzustellen, der dafür sorgt, dass die jetzige
Anbietervielfalt beim Fortbestand selektiver Rabattverträge erhalten
bleibt. Diese Vereinbarungen laufen auf einen rigiden Marktausschluss
aller Unternehmen hinaus, die bei der Vergabe von Rabattverträgen nicht
zum Zuge kommen. Die Zuschläge, die Krankenkassen bzw. ihre
Dienstleister in der jüngsten Vergangenheit erteilt haben, belegen
jedenfalls die massive Zurückdrängung unabhängiger mittelständischer
Pharmaunternehmen. Gewinner sind Generikakonzerne einerseits und
„Heuschrecken-Firmen" andererseits. Der Koalition wird es unter den
Rahmenbedingungen des Vergaberechts und marktexklusiver Rabattverträge
nicht gelingen, die Marktkräfte zu bändigen, die das GKV-WSG 2007
entfesselt hat.
Allem Anschein nach will Schwarz-Gelb die ins Haus stehende
Oligopolisierung des Generikamarkts durch die Erstreckung des
Kartellrechts auf die Rabattverträge abwenden. Diese Rechnung kann
jedoch nicht aufgehen. Der ruinöse Unterbietungswettbewerb, der auf das
Konto selektiver Rabattverträge geht, ist mithilfe des Kartellrechts
nämlich nicht zu stoppen. Krankenkassen haben ihre Nachfragemacht in
einem fragmentierten Markt zwar konsequent ausgespielt, ihre Position
aber bislang nicht missbraucht. Dass die Zivilgerichte wieder für
vergaberechtliche Streitigkeiten über Rabattverträge zuständig sein
sollen, ist ebenfalls nicht mehr als weiße Salbe. Letztlich wird die
Umsetzung des Eckpunktepapiers dazu führen, dass der pharmazeutische
Mittelstand in einem ordnungspolitischen heilen Umfeld das Zeitliche
segnet.
In der Pressekonferenz ist immer wieder von fairen Vertragsverhandlungen
gesprochen worden, wenn es um die Rabattverträge ging. Rabattverträge
kommen aber nicht auf der Grundlage von Verhandlungen auf Augenhöhe
zwischen Krankenkasse und pharmazeutischem Hersteller zustande. Vielmehr
diktiert die Krankenkasse die Vertragsbedingungen, der Hersteller gibt
entweder sein Angebot ab und weist seine Lieferfähigkeit nach oder er
spielt nicht mit. Das wars. Von Verhandlungen also keine Spur.
Die Mehrkostenregelung ist für viele Patienten nichts anderes als eine
Mogelpackung. Einkommensschwache Patienten werden sich die Mehrausgaben
für die Versorgung mit ihrem gewohnten Arzneimittel nämlich nicht
leisten können, die noch dazu nicht auf die Belastungsgrenze angerechnet
werden. Darüber hinaus müssen die Patienten die Kosten des von ihnen
gewünschten Arzneimittels in voller Höhe vorfinanzieren. Die meisten
Rentner und die Hartz IV-Empfänger und damit das Gros der
Arzneimittelkonsumenten werden von dieser Regelung mit allen
Auswirkungen auf die Therapietreue mithin keinen Gebrauch machen können.
Ob das eine weitere Spielart der Zwei-Klassen-Medizin ist, mögen andere
entscheiden.
Für den oder die „Gewinner" einer Ausschreibung ist die
Mehrkostenregelung ein Danaergeschenk. Denn ihre Kalkulationsgrundlage
und ihre Planungssicherheit werden erschüttert bzw. noch weiter
verringert, wenn Patienten gegen Aufzahlung für ein nicht unter
Rabattvertrag stehendes Produkt optieren.
Fazit: Die Eckpunkte setzen den Irrweg fort, der mit dem GKV-WSG
eingeschlagen worden ist. Zentrale Fragen des Neuordnungskonzepts sind
offen. Eines aber ist klar: Der 25.04.2010 ist ein schwarzer Tag sowohl
für die Patienten als auch für die Leistungsfähigkeit und
Innovationskraft der Generikaindustrie."
Pro Generika e.V.
Thomas Porstner
Pressesprecher
Telefon: 030/8161609-40
E-Mail: info@progenerika.de
http://www.progenerika.de
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