Sehr geehrte Apothekerin, sehr geehrter Apotheker,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Epileptische Anfälle sind ein Symptom für eine Hirnfunktionsstörung.
Dabei kommt es zu einer gleichzeitigen, ungebremsten, elektrischen
Spontanentladung einer Gruppe von Nervenzellen im Gehirn, die entweder
auf eine Hirnregion beschränkt bleibt (fokaler Anfall) oder das ganze
Gehirn betrifft (generalisierter Anfall).
Mehr als drei Prozent der Bevölkerung erleben im Laufe ihres Lebens einen epileptischen Anfall. Ein Viertel der Neuerkrankten sind Kinder. Bei optimaler Therapie sind circa 70 Prozent der Patienten anfallsfrei. Epilepsie ist kein Anzeichen von minderer Intelligenz, wie ein weit verbreitetes Vorurteil lautet. Krampfanfälle sind nicht gleichbedeutend mit Epilepsie. Beispielsweise erleben zwei bis fünf Prozent aller Kinder bis zu ihrem fünften Lebensjahr durch Fieber ausgelöste Krampfanfälle. Die Prognose auch von wiederholt auftretenden einfachen Fieberkrämpfen ist sehr gut. Das Epilepsierisiko erhöht sich von 0,5 auf etwa drei Prozent. Trotzdem sollte bei jedem ersten Anfall eine ernsthafte Ursachenforschung erfolgen. (Bei anderen Anfällen, vor allem wenn sie wiederholt auftreten, muss eine ernsthafte Ursachenforschung erfolgen.)
Das Risiko für eine Epilepsie ist in den ersten Lebensjahren besonders hoch. Epileptische Anfälle können aber in jedem Alter auftreten. Manchmal bildet sich die erhöhte Anfallsneigung bis zum Erwachsenenalter wieder zurück. Manchmal steckt dahinter aber auch eine ernstzunehmende Erkrankung, welche die Kinder ihr Leben lang begleitet. In diesem Fall spricht man von einer Epilepsie oder einem Anfallsleiden.
Je nach Dauer, Form und Häufigkeit der Anfälle, Alter des Kindes und dem Ort der zugrundeliegenden Gehirnschädigung unterscheidet man verschiedene Formen von Krampfanfällen und Epilepsie. Die Ursachen für die Anfälle sind vielfältig, die wichtigsten sind:
Die genannten Faktoren tragen zur Steigerung der Anfallsbereitschaft bei. Treffen mehrere Umstände zusammen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, einen Krampf- oder epileptischen Anfall zu bekommen. Aber auch ein Auslöser alleine kann schon zu einem Anfall führen.
Symptome
Epileptische Anfälle können für
den Betrachter ganz unterschiedlich aussehen. Die genaue Beobachtung
und Beschreibung eines Anfalls ist für den Arzt extrem wichtig. Denn
nur so kann er bei der Vielzahl der möglichen Anfallsformen die
richtige Diagnose stellen. Bei schwer zu beschreibenden Anfällen kann
eine Videoaufzeichnung nützlich sein.
Einem Anfall gehen manchmal Verstimmung, Reizbarkeit und Kopfschmerzen voraus. Auch bestimmte irreale Sinneswahrnehmungen können vor dem Anfall auftreten, z.B. das Hören von Geräuschen oder Sehen von Dingen, die nicht existieren. Alle diese Phänomene werden als "Aura" bezeichnet.
Oft verdreht das Kind bei einem Anfall die Augen oder es hat einen starren Blick und reagiert nicht auf Ansprache. Dabei können die Muskeln des gesamten Körpers oder einzelner Körperteile (z.B. Arme und/oder Beine) stark angespannt sein (tonischer Krampfanfall) oder zuckende Bewegungen ausführen (klonischer Krampfanfall). Beide Formen können aufeinander folgen (tonisch-klonischer Anfall).
Bei manchen Anfällen treten Blässe, Atemunregelmäßigkeiten und kurze Atemstillstände auf. Bei tonischen Krampfanfällen können sich Kinder auf die Zunge beißen, schwere Zungenverletzungen sind aber nur sehr selten. Durch starke Zungenbewegungen während der klonischen Krampfphase wird der Speichel schaumig geschlagen und tritt aus dem Mund aus ("Schaum vor dem Mund"). Eventuell hat das Kind keine Kontrolle über seine Ausscheidungsorgane.
Nach dem Anfall ist das Kind meist für einige Minuten nicht ansprechbar und auch nach dem Aufwachen sehr schläfrig.
Es gibt auch Krampfanfälle, die kaum als solche erkennbar sind. Die Absence ist beispielsweise eine kurze Periode von Bewusstseinstrübung (einige Sekunden), ohne dass das Kind dabei hinstürzt. Die momentane Tätigkeit (Spielen, Sprechen, Gehen) wird kurz unterbrochen und anschließend fortgesetzt, als sei nichts passiert.
Ein Kind mit Absencen gilt in der Schule oft fälschlicherweise als verträumt, ohne dass der Anfallscharakter erkannt wird. Auch bereitet die Beschreibung von Anfällen häufig Schwierigkeiten. Eine gemeinsame Beobachtung mit den Eltern und "Namensgebung" kann für den weiteren Verlauf die Kommunikation erleichtern. So können sich Ärzte beispielsweise wenig unter „Zuckerern", "Wuhpsern" oder "Gickerern" vorstellen
Diagnostik
Meist kann der Arzt die Art der
Anfälle durch die genaue Krankengeschichte einordnen. Hierzu gehören
eine genaue Beschreibung des Anfalls (mögliche Auslöser, zeitlicher
Verlauf, Dauer des Anfalls, tageszeitliche Bindung), aber auch
Schwangerschafts- und Geburtsverlauf, die frühkindliche Entwicklung
sowie Vorerkrankungen wie Unfälle und Schädelverletzungen. Epilepsien,
Fieberkrämpfe und Stoffwechselerkrankungen bei Familienmitgliedern
können einen Hinweis auf eine mögliche erbliche Veranlagung geben.
Nach der körperlichen Untersuchung des Kindes wird der Verdacht auf eine Epilepsie durch weitere Untersuchungen bestätigt oder ausgeräumt.
Mit dem Elektroenzephalogramm (EEG) stellt der Arzt die Aktivität der Hirnströme fest. Das EEG zeichnet die Krampfbereitschaft des Gehirns auf. Auch Hinweise auf eine erbliche Veranlagung lassen sich mit dieser Untersuchungsmethode aufdecken. Da das Gehirn zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich reagiert, werden manchmal verschiedene EEG-Ableitungen (am wachen Kind, im Schlaf, nach Schlafentzug oder ein Langzeit-EEG über einen Tag) miteinander kombiniert.
Die Kernspintomographie (MRT) ermöglicht es, die Struktur des Gehirns darzustellen. Hierbei sind Fehlbildungen, Hirnreifungsstörungen, Verletzungsfolgen und Tumore erkennbar. Eine Kernspintomographie sollte immer dann angefertigt werden, wenn aufgrund der Anfallsbeschreibung zu vermuten ist, dass der Anfall Ausdruck einer Gehirnerkrankung ist. Bei Absencen ist diese Untersuchung beispielsweise nicht notwendig, da hier keine Änderung der Hirnstruktur vorliegt.
Laborchemische Untersuchung von Blut, Urin und unter Umständen Nervenwasser geben Aufschluss über mögliche Entzündungen und Stoffwechselstörungen. Auch seltene, erblich bedingte Stoffwechselstörungen können das Gehirn schädigen und dadurch zu einer Epilepsie führen. Weil diese Stoffwechselstörung meist mit einem frühzeitigen geistigen Abbau einhergehen, werden diese Erkrankungen oft vor dem Auftreten des ersten Anfalls erkannt.
Manchmal muss auch das Nervenwasser (Liquor cerebrospinalis) über eine Lumbalpunktion abgenommen werden, um eine Gehirnhaut- oder Gehirnentzündung als Ursache auszuschließen oder um seltene Stoffwechselstörungen anhand der Anhäufung von Abbauprodukten im Nervenwasser zu erkennen.
Bei häufigen epileptischen Anfällen sollten die Eltern einen Anfallskalender führen, in dem sie Zeitpunkt, Dauer, Art und mögliche Auslöser der Krampfanfälle notieren. (Dr. med. Katharina Larisch)
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